Abschied aus dem Bundeshaus

Der 68-jährige Toni Bortoluzzi freut sich darauf, künftig wieder öfter zu schreinern: Der SVP-Nationalrat tritt nicht mehr zur Wiederwahl an.

Erst Gemeinderat, dann Gemeindepräsident von Affoltern am Albis, Zürcher Kantonsrat, Nationalrat, Sprengkandidat der SVP für die Nachfolge von SP-Bundesrätin Ruth Dreifuss, schmerzliche Niederlage bei der Wahl in den Zürcher Regierungsrat – soweit die geraffte Bilanz von Toni Bortoluzzis politischer Karriere. Aber wer ist der Mann aus dem Säuliamt, der gerade an seiner letzten Session teilgenommen hat und die politische Bühne nach 24 Jahren in der grossen Kammer verlässt? Er fühlt sich daheim im Bundeshaus, das spürt man. In der Caféteria wird er vom Servicepersonal händeschüttelnd begrüsst, mit den Politikerkollegen hält er Smalltalk. «Ich gehöre sozusagen zum Inventar», sagt das SVP-Urgestein. Da geselliger Menschenfreund, der privat gerne mal am Stammtisch sitzt, dort Politiker – wertkonservativ und linientreu –, der mit provokanten Aussagen den Medien schlagzeilenträchtige Geschichten liefert. Etwa wenn er Schwulen und Lesben einen Hirnlappen attestiert, der «verkehrt läuft». «Das war nicht herabsetzend gemeint», sagt Bortoluzzi. Gegen Schwule und Lesben habe er gar nichts. Mit Hans Jucker, dem mittlerweile verstorbenen TV-Sportmoderator und bekennenden Schwulen, hat ihn eine tiefe Freundschaft verbunden. «Gerade weil Hans nie einen Hehl aus seiner Neigung gemacht hat, war für mich der Umgang damit ganz normal, genauso wie dumme Sprüche darüber zu reissen», sagt er. Toleranz bedeute für ihn, Ungleichheiten zu akzeptieren. Von Gleichmacherei allerdings hält er nichts. Die Ehe betrachtet er als eine Sache zwischen Mann und Frau, daran lässt er nicht rütteln. Er räumt ein, dass er sich damals vielleicht gewählter hätte ausdrücken können, aber das sei nun mal nicht seine Sprache.

Er spricht frei von der Leber weg, politische Korrektheit bezeichnet er als Auswuchs eines Minderheitenkults, der «völlig überbordet». Politisch gesehen hat die Mehrheit immer Recht und ihr vertraut Bortoluzzi – mehr als dem Parlament. «Das Volk macht keinen ‹Seich›.» Seine Wahrheit liegt in der Wahlurne. «Die Minarett-Initiative beispielsweise hat gezeigt, wie die Menschen wirklich denken», meint er. Aber hat nicht gerade die SVP das Volk beeinflusst, indem sie ihm die Angst vor dem Islam eingeimpft hat? «Nein, die Schweizer Stimmbürger sind abgebrüht. Man kann sie sensibilisieren, aber nicht ihre Grundhaltung ändern.» Sich selber bezeichnet Bortoluzzi als einen «Chrampfer», ganz so wie er es als Handwerker gelernt und als Schreinermeister im eigenen Be- trieb praktiziert habe. «Meine Reputation im Parlament habe ich nicht durch geistige Überlegenheit erlangt, sondern durch meine Dossierkenntnis, die ich mir hart erarbeitet habe», erklärt der 68-Jährige. Politik bezeichnet er zuweilen als dreckiges Geschäft. «Machtspiele gehören dazu», sagt er. Es brauche eine dicke Haut und Standhaftigkeit, um sich selber zu bleiben und das zu vertreten, woran man glaube.

Gezweifelt hat er selten. Und wenn er es einmal getan hat, dann stand ihm seine Frau zur Seite und überzeugte ihn davon weiterzumachen. Die gebürtige Glarnerin hat ihm den Weg in die Politik frei gemacht, die vier Kinder erzogen und im Schreinerbetrieb zum Rechten geschaut. Mit ihr will er bald mehr Zeit verbringen. Teilen muss sie ihn nur noch mit seinem neuen Hobby, dem Schreinern.

Das Geschäft hat er vor eineinhalb Jahren aufgegeben, aber einige der alten Maschinen stehen jetzt zu Hause in seiner kleinen Werkstatt. Dort, und nicht mehr in Bern, werden in Zukunft die Späne fliegen.

«Die Schweizer Stimmbürger sind abgebrüht. Man kann sie sensibilisierend, aber nicht ihre Grundhaltung ändern.»

sas

Veröffentlichung: 08. Oktober 2015 / Ausgabe 41/2015

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