Alles andere als altes Eisen

Feinste Verzierungen in den edelsten Materialien machen antike Beschläge zu kleinen Kunstwerken. Bilder: SZ, Noah J. Gautschi

Antikbeschläge.  Ob bei auf alt getrimmten Möbeln oder der antiken Kommode, erst der richtige Beschlag gibt dem Werkstück sein authentisches Erscheinungsbild. Der Schreiner hat die Wahl zwischen aufbereiteten Originalbeschlägen oder stilistisch gekonnten Nachahmungen.

Die Beschläge halten alles zusammen, ermöglichen Funktionen und beeinflussen die Optik eines Werkstückes massgeblich. Auch früher waren Beschläge ein Spiegel der Gesellschaft und offenbaren dem fachkundigen Betrachter so manche Einzelheit aus dem Leben des Möbels und seines Besitzers. Je nachdem wie diese situiert waren, finden sich mehr oder weniger Verzierungen an den Beschlägen. Im Moment kommen die alten Schätze meist nur noch bei Restaurierungen zum Einsatz und dadurch ist der Beschlägemarkt übersichtlicher geworden. «Das sind ganz klar Spezialitäten, die nur noch wenige im Angebot haben», sagt Franz Dörig, Geschäftsführer der AE Beschläge GmbH aus Oftringen AG beim Eintritt in sein Beschlägelager.

Netzwerk für Seltenes

Damit der antike Schlosskasten auch historisch korrekt an die Türe geschraubt werden kann, braucht es die richtigen Schrauben. «Diese Schrauben sind rar. Keiner stellt mehr solche Schrauben mit handgedrehten Gewinden her», sagt Franz Dörig und holt eine alte Packung aus dem Regal. Natürlich findet man die Schrauben in unterschiedlichen Stärken und Längen, so kann flexibel auf Kundenwünsche eingegangen werden.

Das Netzwerk ist besonders beim Auftreiben spezieller Beschläge ein wichtiger Faktor und häufig auch ein Grund, wieso der Handwerker lange sucht, wenn er nicht auf den richtigen Ansprechpartner stösst. «Früher hat man sich persönlich aus gemeinsamen Geschäften oder der Ausbildung her gekannt. Heute gibt es wenige, die sich noch persönlich kennen und noch weniger, die auch das Fachwissen im Bereich der alten Beschläge besitzen», erklärt Franz Dörig. Ein Händler, der antike Beschläge anbieten will, braucht ein vielfältiges und gleichzeitig tiefes Fachwissen. So hat jede Zeitepoche ihre Materialien, Herstellungsverfahren und Verzierungen, die zugeordnet, unterschieden und für den Kunden zusammengestellt werden müssen.

Nur wenn alle Teile zusammenspielen, entsteht ein authentisches Werkstück. «Wir haben in unserem Katalog extra eine Tabelle mit Bildern, um Beschläge und Möbel zeitlich einzuordnen», sagt Adrian Hager, Geschäftsführer der Hager Zierbeschläge AG aus Niederurnen GL. Meistens steht am Anfang eines Auftrags ein altes Möbelstück oder ein vorhandener Beschlag als Stilvorgabe, den es zuzuordnen oder zu finden gilt. Hierfür muss der Händler anhand kleiner Details, wie zum Beispiel einer Verzierung die Zeitepoche definieren und den gesuchten Originalbeschlag besorgen, eine Kopie suchen oder eine funktionierende Alternative anbieten.

Vielfalt an Materialien

Beim Blick in ein Antikbeschlägelager gibt es erstaunlich viele Materialien zu entdecken. Meist sind die Beschläge auch noch in unterschiedlichen Materialisierungen vorhanden. «Häufig gibt es die gleichen Beschläge in Messing und zusätzlich vergoldet, was für den Laien meist nur noch im direkten Vergleich unterscheidbar ist», sagt Franz Dörig und zeigt ein Musterbeispiel. Aber auch Leder in unterschiedlichen Gerbungen als Schlüsselschilder mit vielen verschiedenen Musterprägungen liegen in den Regalen. Eine Spur eleganter als die in Leder ausgeführten Beschläge sind die Schilder aus Perlmutt, Knochen und Büffelhorn. Die geschnitzten Reliefs mit dem glänzenden Schein ergeben ein einzigartiges Erscheinungsbild. Alle diese Materialien wurden in den verschiedenen Zeitepochen unterschiedlich bearbeitet, um den damals aktuellen Trends und Möglichkeiten gerecht zu werden. Gegossen, gestanzt, geschmiedet, ziseliert, geschnitzt und Kombinationen davon bringen die Materialien in Form.

Das Ziselieren kam besonders bei hochwertigeren Schildern zum Einsatz. Bei dieser Bearbeitung wird das Metall mit Hammer und Stössel über eine Form geschlagen. «Schmiede zu finden, die diese Technik noch beherrschen, ist ein sehr schwieriges Unterfangen, da es sich um eine Weiterbildung handelt, die kaum noch besucht wird», meint Franz Dörig beim Betrachten eines ziselierten Beschlages.

Abnehmende Nachfrage

Auch die hohen Herstellungskosten sind neben dem heutigen Zeitgeist ebenfalls ein Grund, dass im Vergleich zu früher die Nachfrage nach Antikbeschlägen spürbar abgenommen hat. «Im momentanen Wohntrend mit der minimalistischen Gestaltung hat es nur noch vereinzelt Platz für optisch herausstechende Beschläge», erklärt Franz Dörig die Marktsituation.

Der Nachfragerückgang im Bereich der Antikbeschläge ist jedoch nicht nur eine modische Erscheinung oder auf die aktuellen Trends zurückzuführen. «Die Jahre 1985 bis 1995 kann man grob als die Zeit mit der grössten Nachfrage nach Antikbeschlägen bezeichnen. Hier muss man ganz klar bedenken, dass der grösste Teil der alten Möbel heute einfach schon restauriert ist», sagt Adrian Hager. Jedoch steigt mit der aktuellen Entwicklung zum rustikalen und natürlichen Erscheinungsbild auch der Einsatz von Massivholz und Furnieren, was wiederum eine Trendwende in Richtung sichtbarer Beschläge mit sich bringen könnte.

Alte Technik, neue Formen

Ein interessanter Weg, um Antikbeschläge, oder besser gesagt, sogenannte Neuinterpretationen wieder auf dem Markt zu positionieren, geht die Hager Zierbeschläge AG. Das alte Handwerk wird in neuen Formen wieder zur stimmigen Alternative im modernen rustikalen Innenausbau. So können modernste Griffformen eine ganz besondere Optik erschaffen, wenn sie nach der Herstellung noch auf alt getrimmt werden. Oder die Beschläge werden zum Beispiel geschmiedet und geben dem Kunden beim Anfassen eine einzigartige Haptik. Die Idee dieser Neuinterpretation eröffnet für Antikbeschläge ein ganz neues Anwendungsfeld. Besonders beim modernen Altholzeinsatz kann mit diesen Beschlägen dem Kunden eine schlichte und rustikale Alternative angeboten werden.

www.ae-beschlaege.chwww.zierbeschlaege.ch

njg

Veröffentlichung: 24. September 2015 / Ausgabe 39/2015

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