Alles so schön bunt hier

Die erdigen Töne an Wänden und Decken sowie das Holzparkett bringen Ruhe in die fuchsiarote Küche. Bild: Schärer Schreinerei

Farben.  Das unbunte Weiss und Schwarz macht in Küchen immer häufiger gedeckten Erd- und Pastelltönen Platz. Vor allem eine jüngere Kundschaft hat den Mut zu mehr Farbe. Und im passenden Kontext kann es auch eine pinke Koch- und Wohnstätte sein.

Die Auswahl von Oberflächen und Farben ist etwas vom Anspruchsvollsten bei der Planung von Küchen. Nicht umsonst haben Weiss, Schwarz und die Grautöne dazwischen eine relative Dominanz bei der Farbgebung von Küchen erhalten, da sie als unproblematisch, stilvoll und nie langweilig gelten. Schwarz, Weiss und Grau sind sogenannte unbunte Farben. Doch langsam, aber stetig kehrt die Buntheit wieder in Schweizer Küchen zurück. Das zeigte auch die Prämierung der schönsten Küchen und des besten Küchenumbaus am diesjährigen Swiss Kitchen Award aus Sicht der Fachjury. Der schönste Küchenumbau, realisiert von der Hossmann Küchen AG aus Gerzensee BE, trägt die Farbe sogar im Projektnahmen: «Blå Blå» heisst aus dem Schwedischen übersetzt «Blau Blau». Der Begriff ist durchaus doppeldeutig im Sinne von «Blabla» zu verstehen, wie Projektleiter Jonathan Hossmann im Gespräch sagt: «Die Küche ist als Mittelpunk der Familie ja auch ein Ort, an dem viel geredet wird.»

Farbtupfer in einer tristen Welt

Hossmann beobachtet schon seit bald zehn Jahren wieder mehr Mut zur Buntheit. «Vor allem jüngere Menschen möchten Farbe in ihre Küche und in ihr Heim bringen», sagt er. Er vermutet zwei Motivationen dahinter: «Viele wünschen sich einen Farbtupfer in unserer doch eher tristen Welt», sagt Hossmann. Ausserdem erwähnt er den allgemeinen Retrotrend. «Wir alle kennen noch Küchenbüffets unserer Eltern oder Grosseltern mit den zarten Blau-, Rot- oder Gelbtönen.» So sind es denn in der Regel auch nicht knallig-leuchtende Farben, für die sich die Kundschaft entscheidet, sondern eher gedeckte, erdige Töne.

Bei der Auswahl der Farben kommen einerseits die persönlichen Vorlieben der Kundschaft zum Tragen, andererseits auch die Begleitung und Unterstützung durch die Fachleute in der Schreinerei. So zeigt sich in «Blå Blå» die Liebe der Bauherrschaft zum Meer und zu Skandinavien. «Es ist wichtig, ein Gefühl für die Örtlichkeiten und die Bauherrschaft zu haben», sagt Hossmann. Die Wahl der Farben und Materialien geschieht dann in der Ausstellung der Schreinerei anhand eines sogenannten Moodboards, welches die ersten vorgeschlagenen Werkstoffe, Oberflächen und Farben vereint, damit die Gesamtwirkung beurteilt werden kann. «Ich verstehe mich als eine Art Dschungelführer, der einen möglichen Weg vorschlägt und dann die Route mit der Kundschaft weiter verfeinert», sagt Hossmann. Zu viel Auswahl an Farben kann überfordern. Fotorealistische Visualisierungen, erstellt mit «Winner Design», unterstützen den Gestaltungsprozess als zusätzliche Entscheidungshilfen. Seit diesem Herbst verstärkt ein Innenarchitekt das Team bei Hossmann. «Wir holen uns mit ihm neues bei den Kunden gefragtes Know-how in den Betrieb, beispielsweise zu Textilien, Licht oder auch Farbgebung.»

Klare Vorstellungen helfen

«Das wird doch mit der Zeit langweilig», ist im Zusammenhang mit farbigen Küchen häufig zu hören. «Das sehen wir überhaupt nicht so», sagt Claudia Loretz-Schärer aus Hirzel ZH. Seit zehn Jahren wohnen und leben sie und ihre Familie mit einer pinken Küche, präziser: einer fuchsiaroten. Sie habe eine vergleichbare Küche in einem Designheft gesehen und sofort gewusst: «Eine solche will ich auch.» Die Küche befindet sich im Dachstock des damals entkernten und umgebauten Elternhauses. Die Wege für die Realisation waren kurz, entstand sie doch gleich in der Schreinerei Schärer nebenan, die von ihrem Bruder Jürg in sechster Generation geführt wird.

«Mein Mann mag es auch bunt, von daher gab es keine Grundsatzdiskussionen», sagt Claudia Loretz. Allerdings: So harmonisch und ruhig, wie die Wohnküche heute wirkt, war sie zunächst nicht. «Als die Küche schon gesetzt war, waren Wände, Decke und das offene Gebälk noch weiss – und das ging gar nicht.» Sie liessen sich dann von einem Feng-Shui-Experten beraten. Erdig-schlammige Grautöne brachten die gewünschte Harmonie in den Raum. In den meisten anderen Zimmern der umgebauten Wohnung finden sich ebenfalls Akzente in gedecktem Grün, Blau oder Aubergine. «Auch bei mir gab es zu Beginn des Projektes eine gewisse Skepsis», räumt Jürg Schärer ein. «Als ich die Farbe dem Lackierer, mit dem ich schon lange zusammenarbeite, nannte, kam prompt die Rückfrage, ob das wirklich unser Ernst sei.» Doch die pinke Küche gefalle ihm auch heute noch. Sie strahle eine überraschende Ruhe und Wärme aus. Auch er spürt bei der Kundschaft verstärkt den Wunsch nach Farbe in der Küche. «Weisse Küchen machen wir praktisch keine mehr», sagt Schärer.

Die Griffe gaben mehr zu reden

Für Yvonne und Cyrill Denzler aus der Nähe von Eglisau ZH stand immer fest, dass ihre neue Küche in der umgebauten Stallscheune farbig sein soll. «Wir haben mehr über die Griffe diskutiert als über Farben», sagt Yvonne Denzler. Türkis und überhaupt blaugrüne Farben sind immer wieder im Gebäude zu finden, und auch im angrenzenden Altbau, den sie bis vor Kurzem bewohnten, dominieren vergleichbare Farben.

Das Projekt «Genusswerkstatt» hat die Jury des Swiss Kitchen Award 2025 auf den ersten Platz gesetzt. Cyrill Denzler ist nicht nur Bauherr, er hat als selbstständiger Architekt den Umbau und die darin als zentralen Ort eingebettete Wohnküche auch konzipiert und entworfen. Die Schreinerarbeiten hat die Schäfer Schreinerei AG aus Dielsdorf mit Projektleiter Marco Bryner ausgeführt. Die in einem matten Türkis gestrichenen Fronten lassen die sägeraue Eiche durchscheinen. Sie stehen im Kontrast zum Beton von Fussboden, Rahmenkonstruktion und Abdeckung der Kochinsel – wo wiederum die in Regenbogenfarben schimmernden Stallbleche die Blicke auf sich ziehen.

Trotzdem strahlt die Werkstatt Harmonie aus. «Ich würde für eine Küche niemals Farben wählen, die nicht zum Zweck der Küche, zu Lebensmitteln, zum Kochen und Essen passen», sagt Denzler. Also auch hier: eher gedeckte Erd- und Pastelltöne aus dem blaugrünen Spektrum. «In den Gesprächen mit meinen Kunden landen wir meist in ähnlichen Farbräumen», sagt Denzler.

Niemand wollte mehr passivieren

Eine besondere Knacknuss für die Schäfer Schreinerei waren die Stahlfronten für die Kochinsel. Die Bleche sind «gelb-passiviert», ein chemisches Verfahren, mit dem etwa Fahrzeugteile oder auch Beschläge für Scheunentore gegen Korrosion behandelt werden. «Ich arbeitete um das Jahr 2010 an einem Projekt, bei dem solche Bleche hätten verwendet werden sollen. Doch damals verbot die EU das Verfahren wegen giftigen Chroms im Prozess, und niemand in der Schweiz wollte das noch machen.» Mittlerweile gibt es ein neues, unproblematischeres Verfahren, trotzdem sei es fast nicht möglich gewesen, einen Metallverarbeiter zu finden. «Ich wurde am Telefon sogar beschimpft, als ich danach fragte», sagt Bauleiter Bryner. Doch schliesslich fand sich ein Betrieb – und alle beteiligten sind sichtlich zufrieden mit dem Resultat. «Unsere sechsköpfige Familie hat die ‹Genusswerkstatt› sofort ins Herz geschlossen», sagt Yvonne Denzler.

www.hossmann-kuechen.chwww.hirzelmoebel.chwww.schaefer-schreinerei.chwww.archiden.ch

Stefan Hilzinger

Veröffentlichung: 11. Dezember 2025 / Ausgabe 50/2025

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