Angekommen am Ende der Welt

Die Huskys sind Kurt Bühler (53) ans Herz gewachsen, in die einsamen Landschaften Norwegens hat er sich verliebt. Bild: PD

Während seine Freunde in die Welt strömten, sass Kurt Bühler immer noch zu Hause in Linden BE. Dann stiess er per Zufall auf ein Inserat in einem Outdoor-Magazin: «Einjähriger Arbeitseinsatz auf einer Huskyfarm». Und plötzlich ergriff auch ihn diese innere Unruhe, die sich Reisefieber nennt. Er stieg ins Flugzeug und landete nördlich des Polarkreises, in einem der hintersten Winkel der Welt – in Innset, einem kleinen Dorf, etwa 250 Kilometer von Tromsö entfernt. Das war 1995. Aus dem geplanten Kurzaufenthalt ist eine Reise ohne absehbares Ende geworden – weil die Liebe eine Verlängerung einforderte. Der damals 30-Jährige hatte sich auf der Huskyfarm in eine deutsche Kollegin verguckt. Die beiden entschieden, in Tromsö zu bleiben und zu heiraten. Der gelernte Schreiner fand eine Stelle in einem lokalen Betrieb, doch die Arbeit frustrierte ihn zunehmend. Der gehobene Möbelbau mit Sonderanfertigun- gen war in Nordnorwegen wenig bekannt, so auch die klassische Handwerkskunst. «Meine Chefs und auch ihre Kunden haben sich schnell zufrieden gegeben. Das zu akzeptieren, war für mich als gelernter Möbelschreiner schwierig.»

2003 wagte Bühler den Schritt in die Selbstständigkeit. In seinem eigenen Geschäft konnte er sich beruflich endlich ausleben. Er brachte die Norweger auf den Geschmack und Schweizer Qualitätsmöbel in ihre Wohnzimmer. Im jungen, pulsierenden Tromsö fand er eine interessierte Kundschaft. Die Stadt bietet mit Krankenhaus, Forschungsstation und Universität viele gut bezahlte Jobs. Sodass sich die Leute Möbel aus dem Hause «Feinschnekker» von Kurt Bühler leisten können.

«Herauszufinden, was der Kunde will, ist eine grosse Herausforderung. Dafür braucht es oft auch psychologisches Gespür. Nur wenn es mir gelingt, die Wünsche des Kunden umzusetzen, betrachte ich den Auftrag als erfüllt», sagt Bühler. Zu Beginn war das doppelt schwierig, denn da galt es, sich mit Land, Leuten und insbesondere der Sprache vertraut zu machen. «Bis man ihre Feinheiten versteht, dauert es lange», sagt Bühler. Das kann einsam machen – auch nach Feierabend. «Am Anfang ist es schwierig, dem Gespräch in einer Gruppe zu folgen. Dadurch steht man oft ein wenig abseits.» Bühler hat gelernt, was es bedeu- tet, ein Ausländer zu sein. Ohne eine gemeinsame Vergangen- heit musste er ein leeres Buch aufschlagen, um Seite für Seite zu füllen mit Erinnerungen an Erlebnisse mit Menschen aus dem neuen Umfeld. Das braucht Zeit. Heute lebt er an der Küste von Tromsö, mit seiner Partnerin Silvia aus der Schweiz. Kennengelernt hat er sie nach der Scheidung von seiner ersten Norwegen-Liebe. Vor fünf Jahren ist sie zu ihm gezogen. Bühler geniesst die Ausflüge in die unberührte Natur zusammen mit ihr und den Huskys ebenso wie gesellige Abende mit norwegischen Freunden.

An die kurzen Sommer und die langen Winter hat er sich längst gewöhnt. Selbst die Polarnacht übersteht er ganz ohne Depressionen. Vielmehr sieht er das Schöne an ihr. «Die Sonne taucht zwar nicht über dem Horizont auf. Aber stockdunkel ist es trotzdem nicht. Lichtspiele überziehen den Himmel, der in wunderbaren Pastellfarben schimmert.» Bühler ist endgültig in Nordnorwegen angekommen.

«Nur wenn es mir gelingt, die Wünsche des Kunden umzusetzen, betrachte ich den Auftrag als erfüllt.»

sas

Veröffentlichung: 08. November 2018 / Ausgabe 45/2018

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