Auch Vergangenes hat eine Zukunft

Schreinermeister David Kläusler (61) im Stollen des Industriedenkmals Bergwerk Herznach. Bild: Cornelia Thürlemann

Um halb zwölf Uhr ruft seine Frau an, die im Dorf einen Blumenladen betreibt. «Kannst du Teigwaren fürs Mittagen aufsetzen?» David Kläusler, Schreinermeister und Inhaber einer Schreinerei mit zwei bis drei Angestellten und einer Auszubildenden in Herznach AG lacht und bejaht. «Wir helfen uns gegenseitig», sagt er. Zuvor hat seine jüngere Tochter angerufen, denn Familie Kläusler renoviert gerade ein altes Haus. «Ein Biedermeierhaus, das unter Denkmalschutz steht», sagt er stolz. Es wurde von einer alten Frau bewohnt, die kein Geld für Umbauten hatte. «Das war unser Glück – denn so blieb das Haus in seiner ursprünglichen Form erhalten.» Die Wohnung restaurierte er vor einigen Jahren und machte ein Museum daraus. Ein Hausteil mit Holzherd und Schüttstein, der sichtbar macht, wie viele Fricktaler bis in die 1960er Jahre lebten. Besonders freut es ihn, wenn er das Haus Schulklassen zeigen kann, die meist sehr erstaunt seien, dass man ohne Bad und WC leben konnte. Nun baut er mit seiner Tochter, einer Malermeisterin, und in enger Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege die Scheune zu einer Wohnung um. Damit soll der Museumsbetrieb auch langfristig tragbar bleiben.

Doch das ist bei Weitem nicht das einzige Engagement des 61-Jährigen. Gerade hat er einen Genossenschaftsbau mit sechs Wohnungen abgeschlossen – die Wohnungen sind vermietet und zum Teil bereits bezogen. Als Präsident der Wohnbaugenossenschaft Herznach hat er den Bau initiiert und geleitet. «Mir ist es wichtig, das regionale Gewerbe zu berücksichtigen. Rund 70 Prozent der Aufträge wurden an Fricktaler Betriebe vergeben», sagt er. Er hat sich auch immer für die Schreiner eingesetzt – während zwanzig Jahren im Vorstand der Sektion Aargau des VSSM, davon 17 Jahre als Präsident. Bekannt dafür, Projekte erfolgreich voranzubringen, wurde er 2022 angefragt, ob er das Präsidium des Vereins Bergwerk Herznach übernehme. Als Kind hat er in der Halde hinter dem Bergwerk Versteinerungen gesucht. «Wir nannten sie ‹Schnäggestei› – den Begriff Ammoniten kannten wir nicht.» Kläusler ist in einer Familie mit zehn Kindern in Herznach aufgewachsen. Die Mutter war Damenschneiderin, der Vater selbständiger Vertreter für Lebensmittel und Bauer im Nebenerwerb. Der Zugang zum Stollen des 1967 sillgelegten Bergwerks ist seit den 1970er-Jahren verschlossen gewesen. Von aussen erinnert fast nichts mehr daran, dass hier von 1937 bis 1967 Eisenerz abgebaut wurde. Doch in den Köpfen der Bevölkerung lebt es weiter. Ueli Hohl, ehemaliger Besitzer eines Mühlebaubetriebs, gab den Anstoss, dass aus dem stillgelegten Bergwerk ein Industriedenkmal wurde. 2004 wurde der Verein «Bergwerk Herznach» gegründet. Heute besuchen jährlich rund 3000 Menschen das Bergwerk, von April bis Anfang Oktober. «Meine Aufgabe ist es, die Interessen aller Beteiligten zusammenzubringen», erzählt Kläusler. Dazu gehören Geologen, Historiker und Geschichtsinteressierte, Bahnbegeisterte und die Besitzerfamilie Hohl, die im stillgelegten Silo ein Bed and Breakfast gegründet hat und dieses heute verpachtet.

Es ist die Leidenschaft fürs Gestalten, fürs Unternehmertum und für die Gemeinschaft, die Kläusler und seine Frau Cornelia vorantreibt. Sie ist Buchhalterin und blieb erwerbstätig, selbst als die drei Kinder klein waren. Vor einigen Jahren hat sie sich entschlossen, einen Blumenladen zu eröffnen. «Eigentlich ist es traurig, dass man mit einem Geschäft, bei dem man in erster Linie anderen Freude bereitet, kaum eine Familie ernähren könnte», sagt Kläusler.

«Als Kinder sammelten wir in der Halde hinter dem früheren Bergwerk ‹Schnäggestei›.»

Cornelia Thürlemann

Veröffentlichung: 16. Oktober 2025 / Ausgabe 42/2025

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