Auf eigener Route zum Erfolg

Dominique Karlin (24) packt sowohl beim Bouldern als auch beim Schreinern gerne kräftig an. Bild: Beatrix Bächtold

Die Sportart Bouldern, ungesichertes Klettern in Absprunghöhe an Felsblöcken oder künstlichen Kletterwänden, hätte diesen Sommer bei den Olympischen Spielen in Tokio Premiere gefeiert. Erstmals hätten sich dann Kletterer aus aller Welt den farbigen Routen entlang zu Medaillenruhm gehangelt. Doch nun ist diese Premiere um ein Jahr verschoben. Schreiner Dominique Karlin kennt die Faszination des Boulderns. Drei Mal pro Woche trainiert der 24-Jährige in der Kletterhalle B2 in Pratteln BL. «Bouldern ist ein toller Sport, der neben Kraft und Kondition auch Köpfchen fordert», sagt er. Karlin ist ein sportlicher Typ. Im Volleyball spielte er Zweitliga, und mit dem Bike strampelte er von der französischen Atlantikküste aus durchs Baskenland der spanischen und portugiesischen Küstenlinie entlang bis zur Algarve. «Über 2000 Kilometer. Aus Freude daran, an die eigenen Grenzen zu gelangen», sagt er. Während er erzählt, dass man zum Bouldern ganz andere Muskeln als für alle anderen Sportarten brauche, beginnt er eine spezielle Knetmasse zu kneten. Beim Bouldern kommt es ganz besonders auf die Griffkraft der Finger an, und diese müssen vor dem Klettern vorgewärmt und elastisch gemacht werden. «Muskeln lassen sich innerhalb kurzer Zeit trainieren, die wenig durchbluteten Sehnen und Bänder der Finger benötigen aber an die drei Jahre, um Griffkraft aufzubauen», erklärt Karlin.

Ob er seine Faszination fürs Bouldern kurz zusammenfassen könne? «Dynamische Züge mit Explosivkraft. Kurze, technisch anspruchsvolle Routen. Auf sich alleine gestellt, spürt man trotzdem in der Szene grossen Zusammenhalt», sagt er und erzählt, dass wenn man in freier Natur zum Klettern gehe, immer jemand dabei sei, der im Notfall helfen könnte.

Hier in der Halle erübrigt sich das, denn an den aus Holz nachgebauten Felsbrocken klettert man auf Absprunghöhe. Zudem sorgt ein ultraweicher Mattenboden für eine sanfte Landung. Bouldern faszinierte Karlin schon als Kind, als ihn sein Onkel in eine Kletterhalle mitnahm. «Er ist ein cooler Typ, berufsmässig in Schreinernähe anzusiedeln. Jedenfalls baut er selbst Kletterwände», erzählt Karlin, und man spürt, wie sehr dieser Onkel ihn beeindruckt haben muss, sowohl mit seiner Arbeit mit Holz als auch als Kletterer. Vor gut einem Jahr begann der junge Schreiner zu trainieren, und bereits kurze Zeit später kletterte er über alle Wände. «Nach einem halben Jahr war ich beim Wettkampf im oberen Drittel mit dabei. Da hat es mich endgültig gepackt», sagt er. 2018 holte sich der Schreiner aus Niederdorf BL bei Ninja Warrior Schweiz, dem härtesten Hindernisparcours der Welt, den zweiten Platz. 2019 kam er ebenfalls ins Finale. «Griffkraft ist da alles», betont er und fixiert dabei die Kletterwand wie einen Gegner. Ein Schwung, und schon hängt der Athlet am ersten Griff, hangelt sich weiter an den zweiten, späht nach der perfekten Route und winkt einige Sekunden später aus luftiger Höhe. Zurück auf dem Boden erklärt er, dass er am liebsten immer klettern würde. «Aber dann verlöre für mich der Sport an Qualität. Dann hätte ich ja keinen Ausgleich mehr», philosophiert er.

Vielmehr träume er von einer eigenen kleinen Schreinerwerkstatt, in welcher er hochwertige Möbel nach Mass selbst entwerfen und bauen könnte. Um an dieses Ziel «heranzuklettern», macht der Massivholzschreiner im Moment die Vollzeit-Berufsmatura in Richtung Kunst und Gestaltung. Er sagt: «Ich bewege mich gerne abseits der Masse, denn für diese bin ich zu penibel. Eigene Route, realistisch einschätzen, zupacken, nicht durchhängen und nach oben kommen.»

«Bouldern ist ein toller Sport, der neben Kraft und Kondition auch Köpfchen fordert.»

beb

Veröffentlichung: 02. April 2020 / Ausgabe 14/2020

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