Auf vergessenen Pfaden unterwegs

Samuel Brunner (36) fährt im Winter mit Leidenschaft auf unberührten Hängen, fernab der grossen Menschenmassen. Bild: Nils Rychiger

Seine ganze Freizeit verbringt Samuel Brunner draussen in der Natur. Im Winter ist er oft auf den Skiern unterwegs – am liebsten abseits der Piste. Seit das Freeriden populärer geworden ist, weicht der Berner Oberländer immer öfter in abgelegene Gebiete aus, die nur zu Fuss erreichbar sind. «Ich mag es, nach einem Aufstieg einen Hang für mich alleine zu haben und die erste Spur ziehen zu können. Mein Chef gibt mir manchmal kurzfristig frei, das ist toll», sagt er. Früher war Brunner ein angefressener Downhillbiker. Da nutzte er oft auch die Mittagspausen. Auf dem Trail von der Grütschalp nach Lauterbrunnen, für den er jahrelang mit Gleichgesinnten gekämpft hatte, schaffte er in einer Mittagspause zwei Abfahrten. Brunner ist auch heute noch Vizepräsident des Trägervereins. Wegen seiner Leidenschaft für das Biken hatte er vor Jahren sogar einmal kurzzeitig beruflich umgesattelt. Er heuerte in einem Velomechaniker-Geschäft an. «Es war toll, in eine neue Welt einzutauchen», sagt er. Aber irgendwann wurde es ihm zu eintönig und so kehrte er nach vier Jahren zurück zum Schreinerberuf, den er vielfältiger findet. Seither arbeitet er wieder bei seinem früheren Lehrbetrieb, der Raffainer AG in Lauterbrunnen; seit einem Jahr in der Funktion des Avors.

Seit fünf Jahren hat der Outdoorfan das Gleitschirmbrevet, er fliegt viel und gerne und hat auch das Streckenfliegen für sich entdeckt. Passt das Wetter, packt er seinen Gleitschirm, nimmt die Bahn oder geht zu Fuss los, um schliesslich zu einem Flug abzuheben. Im Sommer geht er auch gerne in den Bergen wandern, am liebsten im östlichen Berner Oberland. Oft nimmt er den Schirm mit und fliegt den Rückweg. «Dann merke ich mir auch gleich die Hänge, die ich dann im Winter mit den Skiern befahren will», erklärt er.

Manchmal begleitet ihn seine Freundin auf Wanderungen. Zu Fuss haben die beiden die Schweiz durchquert, dabei höhenmetermässig den Mount Everest bewältigt und fast immer im Zelt übernachtet. Doch der 36-jährige Interlakner wandert nicht nur auf ausgeschilderten Wegen, sondern unternimmt regelrechte Entdeckungstouren. Teilweise geht er zu Fuss an Stellen, die er aus der Luft entdeckt hat. Und immer wieder nimmt er sich alte Gebietskarten vor. Darauf findet er Wege eingezeichnet, die schon längst nicht mehr offiziell ausgeschildert und unterhalten werden. «Es ist ein ordentliches Kribbeln, wenn man diesen vergessenen Pfaden folgt. Man weiss ja nie, was kommt», erklärt er. Manchmal muss er umkehren, etwa weil Erosion oder Vergandung – also die Verbuschung der Kulturlandschaft – ein Weiterkommen verhindert. Manchmal aber findet er Orte, die wohl schon lange niemand mehr gesehen hat. «Ich entdecke so wunderbare Oasen der Natur. Sie sind so nah der Zivilisation, aber doch so wild und unberührt», sagt er. «Ich liebe die Stille, und ich geniesse es, keine Menschen anzutreffen.» Brunner ist jedoch alles andere als ein Einzelgänger. Ebenso wie die Einsamkeit in der Natur mag er die Geselligkeit. Zum Beispiel mit seinen Kollegen im Skiclub von Ringgenberg, wo er aufgewachsen ist. Dort engagiert er sich als Vorstandsmitglied.

Ausserdem schaut er in der clubeigenen Hütte zum Rechten, organisiert Arbeitstage und verwaltet mit drei anderen Clubmitgliedern die Reservationen. Die Hütte mit ihren acht Schlafplätzen, wie ein Adlerhorst oberhalb des Brienzersees gelegen, erlebte gerade im letzten Sommer einen Riesenansturm. «Wir haben einige Anfragen abgelehnt. Denn irgendwann muss man dem Berg auch seine Ruhe lassen.»

«Ich mag es, nach einem Aufstieg einen Hang für mich alleine zu haben und die erste Spur ziehen zu können.»

Franziska Gertsch

Veröffentlichung: 14. Januar 2021 / Ausgabe 3/2021

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