Aus dem gleichen Holz geschnitzt

Die Brüder Jonathan (29, l.) und Samuel (38) Gadient arbeiteten schon als Buben gern mit Holz, heute entwerfen und bauen sie gemeinsam Möbel. Bild: Franziska Hidber

Der eine ist 38, der andere 29. Der eine hat einen Abschluss als Holzbauingenieur FH, der andere als Schreiner EFZ. Der eine hat eine Abneigung gegen Spanplatten – der andere auch. Zwischen ihnen liegen neun Jahre und drei Geschwister, und zusammen designen und bauen sie Möbel aus Massivholz. Sie, das sind die Gebrüder Samuel und Jonathan Gadient – seit sieben Jahren auch Geschäftspartner in ihrem Möbelatelier im thurgauischen Leimbach. Der Ort liegt bei Bürglen, weit draussen auf dem Land, zwischen Feldern, Traktoren und Obstbäumen. Das Atelier im verwunschenen Garten ist gerade mal 200 Meter entfernt von ihrem Elternhaus. Dort, wo womöglich alles begann – denn schon als Buben «werkelten» die beiden gerne mit Holz. Wer jetzt an eine Schreinerfamilie denkt, liegt hochkant daneben. Samuel schüttelt den Kopf: «Nein, gar nicht. Unsere Mutter war Kindergärtnerin und liess uns viel kreative Freiheit, wenn wir in der hauseigenen Werkstatt an der Werkbank zugange waren.» – «Nur hielt sich die Begeisterung des Vaters in Grenzen, weil es immer aussah, wie wenn eine Bombe eingeschlagen hatte», ergänzt Jonathan, das jüngste der fünf Gadient-Kinder, und schaut seinen Bruder an. Beide lachen los. Das Atelier, in dem sie gerade mit einer Tasse Kaffee in der Hand stehen, erzählt mit den loftartigen Räumen und Fensterscheiben seine bewegte Geschichte – die alten Mauern beherbergten einst eine Stickerei, dann ein Labor, dann eine Schreinerei. Dort ging Jonathan als Jugendlicher ein und aus, fertigte eigene Holzarbeiten, holte sich Tipps.

Dass er sich für die Schreinerlehre entschieden hat, lag trotzdem nicht auf der Hand: «Mechanik hatte mich zunächst mehr fasziniert, doch der Werkstoff Holz siegte schliesslich – mir sagt die Haptik zu, und dass es so wandelbar ist.» Bei Samuel stellte der Berufsberater kurz und knackig die Weichen: «Du hast gute Noten, du gehörst an die Kantonsschule». Später fand er via Fachhochschulstudium doch noch zum Holzbau, allerdings vorwiegend in der Theorie. «Irgendwann hatte ich genug davon, im Büro zu sitzen», blickt er in den Rückspiegel. Die Idee, sich mit Möbelbau selbstständig zu machen, sei plötzlich da gewesen. Kurzerhand fragte er seinen kleinen Bruder, ob dieser mitmachen wolle. Auf Jonathans Fähigkeits- und Berufsmaturazeugnis war die Tinte kaum trocken, sein 18. Geburtstag lag noch nicht weit zurück, trotzdem kam die Zusage sofort. So stürzten sich die Brüder vor sieben Jahren ins Abenteuer der eigenen Firma. Einen Businessplan? «Ähm, nein», so etwas hätten sie nicht wirklich gemacht, gestehen sie unisono und grinsen. Doch ihre Zusammenarbeit sei von Anfang an bereichernd gewesen: «Wir haben uns gegenseitig inspiriert, viel voneinander gelernt und in den Jahren unseren eigenen Stil entwickelt.» Entwurf und Fertigung sind brüderliche Gemeinschaftsarbeit, daneben pflegen sie je ihre eigenen Gärtchen: Während Samuel sich um den Webauftritt und das Marketing kümmert, übernimmt Jonathan den Verkauf und die Planung. Und beide haben sie ein Leben ausserhalb des Möbelateliers: Samuel ist als Vater von vier Kindern zwischen sechs Monaten und acht Jahren gefordert, gleichzeitig wird er seinen Nebenjob als Velokurier wieder aufnehmen, wobei es «mehr Hobby ist als Job».

Jonathan widmet seit Jahren einen grossen Teil seiner Freizeit der ehrenamtlichen Jugendarbeit, organisiert und leitet Lager, Weekends, Anlässe. «Ich liebe es, die jungen Leute auf ihrem Weg zu begleiten.» Danach kehre er aber sehr gerne zu seinen «anspruchslosen Brettern» zurück, um beim ersten Kaffee mit seinem Bruder den Tag zu besprechen.

«Wir haben uns gegenseitig inspiriert und viel voneinander gelernt.»

Franziska Hidber

Veröffentlichung: 09. September 2021 / Ausgabe 37/2021

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