Aus einem Guss gedruckt


Das Schmelzschichtverfahren ist relativ günstig und weit verbreitet. Bild: Philipp Heidelberger
Das Schmelzschichtverfahren ist relativ günstig und weit verbreitet. Bild: Philipp Heidelberger
Fertigung. Der 3D-Druck entwickelt sich rasant weiter und könnte auch im Innenausbau an Relevanz gewinnen. Es gibt vereinzelte Beispiele, in denen die Technologie erfolgreich angewendet wurde. Zudem haben Schreiner das Know-how, die Technik zu ihrem Vorteil zu nutzen.
Der 3D-Druck ist schon längst keine abgedroschene Zukunftsmusik mehr. Inzwischen ist die Technologie massentauglich und ein grosses Geschäft geworden. Im Internet finden sich zahlreiche Anbieter von Druckern, Dienstleistungen, Zubehör und Software. Die Bandbreite reicht vom einfachen, günstigen Bausatz aus China bis hin zu Geräten für die Industrie, die mehrere zehn- oder hunderttausend Franken kosten.
Hochschulen und Industrie investieren viel Ressourcen und Geld in die Erforschung der additiven Drucktechnologien. Inzwischen gibt es über zehn verschiedene Druckverfahren, welche gemeinhin als etabliert gelten. Hinzu kommen noch zahlreiche weitere, teilweise kombinierte Verfahren. Mit dazu gehört auch immer die Entwicklung von neuen druckfähigen Materialien und Filamenten. So ist es der ETH Zürich Ende 2019 gelungen, Glasobjekte im 3D-Druckverfahren herzustellen. Offenbar haben das bisher nur wenige Forschungsgruppen überhaupt versucht.
Einige davon produzierten Objekte, indem sie geschmolzenes Glas ausdruckten. Das hat den Nachteil, dass dafür sehr hohe Temperaturen und hitzebeständige Apparaturen nötig sind. Andere verwendeten pulverförmige Keramikpartikel, die sich bei Raumtemperatur drucken und später zu Glas sintern lassen. Allerdings war die Komplexität der daraus gefertigten Objekte bisher eher gering.
Die Forscher der ETH haben nun einen anderen Weg gewählt, um mit 3D-Druck komplexe Glasobjekte herzustellen. Grundlage ihres neuen Verfahrens ist die Stereolithografie, eine der ersten 3D-Drucktechniken aus den 1980er-Jahren. Sie entwickelten dafür ein spezielles Harz, welches sich mit einem kommerziell erhältlichen Stereolithografiegerät verarbeiten lässt. Dabei werden UV-Lichtmuster auf das Harz gestrahlt. Dort, wo das Licht auftrifft, wird das Harz hart. Einen so hergestellten Rohling müssen die Forscher bei zwei unterschiedlichen Temperaturen brennen: bei 600 Grad Celsius, um das Polymergerüst zu verbrennen, und anschliessend bei rund 1000 Grad Celsius, um die Objekte zu Glas zu verdichten. Beim Brennen schrumpfen sie erheblich, werden aber transparent und hart wie Fensterglas.
Im Holzbereich arbeitet die Berner Fachhochschule (BFH) an holzbasierenden Materialien für den 3D-Druck. Ziel ist die Entwicklung einer Materialtechnologie, in der Holz nicht nur als Füllstoff eines Kunststofffilaments oder als Zuschlagsstoff in mineralischen Systemen dient, sondern die eigentliche Hauptkomponente des Materialsystems darstellt. Im Fokus steht dabei das Bindemittel: Infrage kommt dafür das im Holz vorkommende Lignin oder auf Cellulose sowie Tanninen basierende Klebstoffe. Aus Vertraulichkeitsgründen könne man aber noch keine detaillierteren Angaben machen, hiess es auf Anfrage. Die BFH stellt aber weitere Informationen bis Mitte 2020 in Aussicht.
Obwohl bei der additiven Fertigung immer wieder Projekte wie ein komplett gedrucktes Haus oder Auto von sich reden machen, heisst das aber nicht, dass im Innenausbau künftig alle Bauteile komplett ausgedruckt werden. Ebenso interessant ist die Herstellung von individuellem Zubehör, Beschlägen, Ersatzteilen und Hilfsmitteln. So hat zum Beispiel die Fenstersystemherstellerin Jansen AG aus Oberriet SG Eckwinkel für die Vormontage von Fensterrahmen additiv fertigen lassen.
Die mechanischen Anforderungen an das Bauteil sind gering und können gut von einer spritzgegossenen oder additiv gefertigten Lösung erfüllt werden. Die Stückzahl von geschätzten 1000 bis 4000 Winkeln lag aber an der unteren Grenze für eine wirtschaftliche Spritzgusslösung. Hinzu kam die lange Lieferzeit für die Erstellung eines Spritzgusswerkzeuges. Deshalb hatte man sich entschieden, eine additive Fertigung bei der Prodartis AG in Appenzell zu prüfen.
Die erste Design-Version von Jansen war mit einem Materialvolumen von 5 cm3 zu massiv und somit zu teuer. Die beiden Unternehmen begannen deshalb, das Design zu optimieren: Durch verschiedene Anpassungen wie die zinnenförmigen Rippen und den Aufbau einer Wabenstruktur konnte das Volumen auf 2,87 cm3 gesenkt und sogar die Biegesteifigkeit erhöht werden. Aufgrund der eher komplexen Geometrie setzte Prodartis bei der Herstellung auf die Multi-Jet-Fusion-Technologie (MJF).
Für spezielle Einzelteile, Modelle, Muster oder Kleinserien könnte der Schreiner den 3D-Druck ebenfalls gut einsetzen. In den Bereichen Forschung, Entwicklung, Architektur und Design ist dies mittlerweile schon fast Alltag. Sehr oft zum Einsatz kommt dort die Fused-Deposition-Modeling- (FDM) oder Fused-Filament-Fabrication-Technologie (FFF), in Deutsch Schmelzschichtverfahren, zum Einsatz. Dabei handelt es sich um ein relativ kostengünstiges Verfahren, bei welchem ein drahtförmiger Kunststoff erhitzt und mit einer Düse Schicht für Schicht aufgebaut wird.
Es gibt zahlreiche Anbieter, welche diese Technologie als Dienstleistung anbieten. Der Kunde kann einfach die 3D-Daten online hochladen und erhält eine Offerte. Damit der Druck ohne Probleme über die Bühne geht, gilt es aber, ein paar Punkte beim Erstellen des 3D-Modells zu beachten: In der Regel wird dafür eine STL-Datei benötigt, welche praktisch jedes CAD-Programm erstellen kann. Das Format ist deshalb quasi der Standard im 3D-Drucken. Wie in der CNC-Bearbeitung müssen die Teile als geschlossener Volumenkörper gezeichnet werden. «Am meisten Fehler passieren im CAD beim Addieren oder Subtrahieren von Körpern», sagt Simon Litwan. Geübte CAD-Zeichner sollten aber keine Probleme damit haben und die entsprechenden Kontrollfunktionen kennen.
Simon Litwan druckt seit 2011 mit seinem Unternehmen Teil3 in Zürich Teile für Kunden im Schmelzschicht- und Stereolithografieverfahren. Zudem bietet er auch selber entwickelte Drucker, verschiedenes Zubehör sowie Filamente und Workshops an.
Gemäss Litwan können gerade Schreiner auch gut selber in den 3D-Druck einsteigen, um die Technologie kennenzulernen, auszuprobieren und zu nutzen. «Schreiner haben ja handwerkliches Geschick und kennen den G-Code von der CNC-Bearbeitung her.» Wie bereits erwähnt, sind Schmelzschichtdrucker weitverbreitet und relativ günstig zu erwerben. Nebst der maximalen Druckgrösse und der Auflösung beeinflusst insbesondere die Qualität der verwendeten Komponenten den Preis. Wer nicht gerne tüftelt und auch mal eine Komponente auswechselt, ist mit einem Drucker von bekannten Anbietern sicher besser bedient. Es gibt aber auch gute Drucker in Form von Bausätzen, welche selber zusammengebaut werden müssen. Für Simon Litwan ist das durchaus auch ein guter Einstieg in die Materie: «Beim Zusammenbau lernt man die Technik und Funktionsweise am besten kennen.» Positiver Nebeneffekt ist der etwas günstigere Kaufpreis.
Für das Vorbereiten der Druckdaten wird ausserdem noch ein sogenannter «Slicer» benötigt. Dieses Programm schneidet das 3D-Objekt in Scheiben und generiert daraus den Werkzeugpfad. Viele dieser Programme sind kostenlos verfügbar, wie zum Beispiel das bekannte «Cura». Kostenpflichtige Versionen wie das «Simplify3D» unterscheiden sich insbesondere bei den Einstellmöglichkeiten. «Teilweise liefern sie auch bessere Ergebnisse bei der Berechnung von Stützstrukturen und beim Arbeiten mit mehreren Druckköpfen», erklärt Simon Litwan. Gerade im Schmelzschichtverfahren sind Stützstrukturen unverzichtbar, wenn Überhänge gedruckt werden sollen.
Am meisten zum Einsatz kommt bei diesem Druckverfahren mittlerweile PLA (Polyactide). Oft ist dabei auch von Biokunststoff die Rede, weil er auf natürlichen Rohstoffen basiert und unter ganz bestimmten Bedingungen auch biologisch abbaubar ist. Das Material ist zwar nur bis etwa 60 Grad Celsius temperaturbeständig, es lässt sich aber gut mit 3D-Druckern verarbeiten, da es wenig schrumpft und kaum unangenehme Gerüche freisetzt.
Immer noch häufig verwendet wird auch ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol). Der auf Erdöl basierende Kunststoff weist mit bis zu 100 Grad Celsius eine bessere Wärmebeständigkeit auf. Bei der Verarbeitung schrumpft das Material aber stärker als PLA. Zudem entstehen unangenehme Dämpfe. Ein geschlossener Drucker oder gut belüfteter Raum ist daher von Vorteil.
Eine interessante Alternative kann aber auch PETG, mit Glykol modifiziertes PET (Polyethylenterephthalat), sein. Es weist bessere mechanische Eigenschaften auf als PLA, schrumpft aber weniger bei der Verarbeitung als ABS. Dafür gilt es als relativ klebrig, was beim Drucken manchmal zu Schwierigkeiten führen kann.
Mit thermoplastischen Elastomeren (TPE) gibt es zudem elastische Filamente, welche ähnliche Eigenschaften wie Gummi aufweisen. Hinzu kommen noch zahlreiche andere Materialien wie Polyamide, Polycarbonate oder mit Zusatzstoffen versehene Filamente. Es gibt sie beispielsweise gemischt mit Holz- oder Carbonfasern und inzwischen sogar mit Metallstaub, welche verblüffend gute Metalloptiken ermöglichen.
Ob die additive Fertigung im Innenausbau künftig eine grössere Rolle einnehmen wird, muss sich noch zeigen. Es herrscht aber eine grosse Dynamik, und zumindest im Zulieferbereich ist die Technologie angekommen. Genau dort dürfte noch grosses Potenzial vorhanden sein. Denn den natürlichen Werkstoff Holz durch additive Verfahren sinnvoll zu ersetzen, ist nicht ganz einfach. Die Digitalisierung und die damit einhergehende Verfügbarkeit von Daten könnte aber neue Konstruktionen und Fertigungsmethoden ermöglichen.
www.ethz.chwww.bfh.chwww.jansen.chwww.prodartis.chwww.teil3.ch
MJF: Multi-Jet-Fusion-Technologie, FDM: Fused Deposition Modeling, FFF: Fused Filament Fabrication, PLA: Polyactide, ABS: Acrylnitril-Butadien-Styrol, PETG: mit Glykol modifiziertes Polyethylenterephthalat, TPE: thermoplastische Elastomere
Das AM-Netzwerk ist eine Initiative der Innosuisse, der ehemaligen Kommission für Technologie und Innovation (KTI). Ziel des Netzwerks ist es, Unternehmen und Forschungseinrichtungen zu vernetzen, um Innovationen in gemeinsamen Forschungsprojekten zu fördern. Auf der Internetseite finden sich Informationen zu Veranstaltungen, Weiterbildungen, Forschungspartnern, Projekten sowie Links zu weiteren Informationsquellen.
www.amnetwork.chVeröffentlichung: 09. Januar 2020 / Ausgabe 1-2/2020
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