Ich sehe was, was du nicht siehst


Auch das Hotel seines Bruders hat Marco Cadonau gemacht. Vieles wäre einfacher gewesen, hätte er damals schon den 3D-Scanner gehabt. Bild: Christian Härtel


Auch das Hotel seines Bruders hat Marco Cadonau gemacht. Vieles wäre einfacher gewesen, hätte er damals schon den 3D-Scanner gehabt. Bild: Christian Härtel
3D-Scan. Das Scannen von Räumen und Objekten verspricht vielfältige Anwendungen und Erleichterungen von Planungs- und Montagearbeiten für Schreinerinnen und Schreiner. Die SZ hat bei denen, die einen Scanner nutzen, nachgefragt, wann sich eine solche Investition lohnt.
Ein 3D-Scan erzeugt bekanntlich eine Punktwolke. Die schaut erst mal eher kryptisch aus. Erst wenn man eintaucht, nachdem das CAD-Programm die Unmengen an Daten vom Scanner in besser verständliche Informationen für unser Auge verarbeitet hat, wird das ganze Ausmass der Messdaten im besten Sinne sichtbar.
Seit acht Jahren arbeitet Schreiner Marco Cadonau nun schon mit einem 3D-Scanner. Auf den Baustellen seiner Schreinerei In Lain in S-chanf GR bleibt ihm dadurch kaum etwas verborgen. Die Wand verläuft nach oben in den Raum, dessen Innenecke hat einen Winkel von 94 Grad, und der Boden fällt zur Tür hin ab. Typische Fälle in historischen Häusern des Engadins, aber längst nicht nur dort. Cadonau setzt seinen 3D-Scanner immer ein. «Wenn ich ein Gebäude aufnehme, gehe ich einmal durch, und dann habe ich alle Daten. Ich sehe jede Steckdose und auch, wie eine Wand genau verläuft», sagt Cadonau. Das wird möglich, weil man die Punktewolke in jeder beliebigen Ebene schneiden kann. So kann man etwa auf Höhe der Küchenabdeckung eine Ebene anschauen und sieht den Verlauf der Wand für den Anschluss der Abdeckung.
Mit dem Scan erreicht Cadonau eine Planungsgenauigkeit, die gleich dem Ausführungsniveau ist. Es gibt keine Überraschungen mehr und vor allem kein Nachmessen vor Ort. Selbst wenn etwas hinzukommt im Laufe des Projektes, kann der Schreiner einfach auf seine Daten zurückgreifen und muss nicht nochmals vor Ort messen gehen. Die Punktwolke macht alles sichtbar, und das CAD, das die Daten verarbeitet, kann jedes Mass generieren. Die Schnittstelle zum Auto-CAD funktioniere sehr gut. Längst seien aber nicht alle CAD-Programme gleichermassen für den Umgang mit der Punktwolke geeignet. Einfacher geht es mit der tachymetrischen Massaufnahme, bei der Punkte auf einer Ebene digital gescannt werden.
Als Cadonau anfing mit seinem Leica-Scanner, wussten nur wenige, wie das alles funktioniert. «Es gab Software vom Hersteller, eine Stunde lang Schulung, und dann ging es los. Auf YouTube habe ich mir Tutorials gesucht, und zum Glück war AutoCAD damals schon gerüstet für die Datenübernahme», sagt der Schreiner. Die Schnittstellen sind ein entscheidender Punkt.
Auch Treppenbauer Christian Ambauen aus Beckenried NW betont, wie wichtig es sei, dass ein geeignetes CAD der Datenaufnahme folge. «Unsere Schnittstelle hat von Anfang an ausgezeichnet funktioniert», sagt Ambauen. Wie viele andere Treppenbauer, arbeitet er mit der Software von Sema. Bei der Aufnahme auf der Baustelle scannt seit drei Jahren ein Gerät von Faro. Das ist praktisch täglich im Einsatz und schon nach so kurzer Zeit kaum mehr wegzudenken für die Arbeitsvorbereitung. «Früher haben wir eine Skizze gemacht und die Masse hineingeschrieben. Ergänzend dazu kamen noch Fotos, etwa von Details, und dann hoffte man, dass man kein Mass zu wenig hatte», erzählt Ambauen.
Wurde ein Mass in die Skizze falsch eingetragen, sei es oft schwierig gewesen. Für Ambauen ist deshalb weniger die Zeitersparnis beim Messen mit dem Scan entscheidend, sondern der Umstand, dass die Fehlerquote nahezu null beträgt. Es dauere sogar etwas länger in der Arbeitsvorbereitung mit dem Scanner, weil die Daten so umfänglich seien. «Die Treppe geht am Ende nicht schneller, aber mit hoher Sicherheit im Prozess», so Ambauen.
Unerlässlich für den Treppenbauer ist deshalb das Kontrollmass. Wichtige Masse wie etwa die Stockwerkshöhe überprüft Ambauen händisch, um Fehler zu vermeiden, die sich dann fortpflanzen könnten. Denn eine Treppenanlage über mehrere Stockwerke braucht einige Scans. Zwar docken diese an den bekannten Punkten der anderen Scans an, ein Fehler kann aber mitgeschleppt werden. Auch Spiegelungen, Lichtquellen und Bereiche im Schatten können zu Irritationen führen. Zeit spare man vor allem durch den Wegfall von Fehlern und den nicht mehr nötigen mehrfachen Besuchen auf Baustellen sowie durch die Möglichkeit, Teile, wie etwa die Trittstufen, schon auf der CNC perfekt eingepasst zu produzieren. «In einem Altbau mit schrägen Wänden spart man mit dem Scan viel Zeit gegenüber einer konventionellen Massaufnahme», sagt Ambauen. So ein Scanner lohne sich nicht unbedingt, wenn bei den Aufnahmen alles einfach und rechtwinklig ist. Wer jedoch oft bei Umbauten in alten Häusern tätig ist, für den sei ein solches Gerät absolut wertvoll. Die Anschaffungskosten variieren je nach Hersteller und Modell, aber mit einem mittleren fünfstelligen Betrag muss man bei der Investition rechnen.
Vor allem braucht es neben dem Scanner auch die richtige Ausstattung im Büro. Die Rechner müssen leistungsfähig sein und die Grafikkarte hochwertig. Die Reihe der kostspieligen Komponenten reicht dabei bis zum Back-up, auch dabei brauche es für die Datenmengen entsprechende Kapazität, sagt Cadonau. Bei Ambauen arbeiten vier Personen mit dem Gerät. Drei bis vier Mal die Woche sei der Scanner unterwegs. Auch das ist ein wichtiger Punkt. Diejenigen, die es machen sollen, müssen einen Zugang und Interesse haben. «Man muss sich durchaus einarbeiten und in Übung kommen, damit einem die Arbeit mit der Punktwolke gut von der Hand geht», weiss Cadonau.
Mit einem Scanner, der für Räume und Gebäude ausgelegt ist, liessen sich kleinere Objekte nur bedingt scannen, erklärt Cadonau. Scanner, die einen Gegenstand aufnehmen, gibt es schon für kleines Geld und mit grossen Möglichkeiten. Aber: «Der Preis korreliert direkt mit der Genauigkeit des Gerätes», sagt Raphael Reich, Inhaber von 3d-plus.ch in St.Gallen. Für seine Tätigkeitsschwerpunkte des Scannens, 3D-Druckens und Modellierens verwendet er einen Scanner mit einer Genauigkeit von 0,02 Millimetern. Damit können etwa Beschläge gescannt werden, für die dann die Negativform erstellt werden kann. Als Dienstleister hat er viel Erfahrung mit den unterschiedlichen Ansprüchen und Schwerpunkten. Künstler nutzen seine Expertise, aber auch Designer und Schreiner. So hat Reich schon einige Innenräume von Fahrzeugen gescannt, die später zu durchdachten Campern wurden.
Die Werkholz AG in Haslen AI ist eine Spezialistin in Sachen CNC-Bearbeitung. Einen ersten Scanner hat man dort angeschafft, um einen Mitarbeiter in Holz zu fräsen und ihn dafür zunächst detailgetreu zu digitalisieren. «Der Mitarbeiter ist fast ein wenig gross für unseren Scanner, aber kleinere Objekte haben wir damit schon gescannt und dann hochskaliert» erklärt Martin Eberle, Geschäftsleiter der Werkholz AG.
Dienstleister zur Erstellung der CAD-Daten sind längst am Markt und bringen die Punktwolken in Form. Auch Cadonau hat solche wirtschaftlich interessanten Angebote schon genutzt. Denn das Scannen ist der kleinere Zeitaufwand im Vergleich zur Bearbeitung im CAD. «Aber ein Dienstleister hat keine Schreineraugen», sagt Cadonau. Er schätzt seine Unabhängigkeit hoch ein. «Ich bin ausserdem vollständig in der Messung, schnell und exakt», so der Schreiner. Die Massaufnahme von Räumen auf Baustellen dürfte das Haupteinsatzgebiet von Scannern im Schreinerhandwerk sein. Ambauen hat dazu noch ganz praktische Tipps: «So ein Gerät ist empfindlich. Man sollte beim Scannen nicht im Staub und Schmutz stehen, und gerade im Altbau sollte niemand herumlaufen, wegen der Erschütterungen.»
www.inlain.swisswww.ambauen.chwww.werk-holz.chwww.3d-plus.ch
Veröffentlichung: 23. Oktober 2025 / Ausgabe 43/2025
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