«Baudenkmal» Tür

Die Eingangstür zum Kantonsgericht Luzern weist viele klassizistische Merkmale auf, dürfte aber aufgrund ihres Stilmixes in die Zeit des Historismus fallen. Bild: Michael Wyss

Denkmalpflege.  Restaurierung, technische Ertüchtigung, Nachbau: Das Ziel der stilistischen Bewahrung von Bausubstanz kann unterschiedlich angegangen werden, wie im Folgenden die Beispiele von drei Türen zeigen.

«Die Eingangstür zum Gebäude war, zusammen mit dem Treppengeländer im Hausinnern, das letzte erfahrbare Baudenkmal an diesem Gebäude.» Peter Egloff sagt diesen Satz mit Nachdruck. Man spürt in der Aussage des Restaurators und Möbelschreiners förmlich die Begeisterung für in die Jahre Gekommenes, für historische Bausubstanz, handwerkliche Meisterleistungen, für Ornamentik und die Verwendung von geschichtsträchtigen Materialien.

Aus der Zeit

Die mächtige, repräsentative Eingangstür zum Kantonsgericht Luzern verdient diese Prädikate zweifelsohne. An ihrem Rahmen und an der Schlagleiste kann man ein weiterentwickeltes Mäander-Muster erkennen, dessen Ursprung im klassischen Griechenland liegt. An den Profilen und den Kapitellen der (aufgesetzten) Halbsäulen wiederum gibt es eine Art Eierstab, ein typisches Stilmerkmal der Renaissance und des folgenden Klassizismus. Die Anordnung und die Proportionen von Rahmen- und Füllungselementen sprechen für Neo-Barock. Auch die schmiedeeisernen Verzierungen vor der Verglasung weisen – besonders mit ihren Rosetten und den Palmetten – neo-barocke Muster auf.

«Wenn mehrere Stile gemischt an einem Bauteil vorkommen, dann spricht man von Eklektizismus», erklärt Egloff. Der Eklektizismus kam – im Sinne von etlichen Neo-Stilen – vor allem zu Zeiten des Historismus vor. Diese Stilrichtung trat je nach Region ungefähr in den Jahren von 1840 bis 1890 auf – in der Schweiz zuweilen auch etwas später. Weil das Kantonsgericht Luzern an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erbaut wurde, passt alles gut zusammen: Man kann annehmen, dass die Tür aus dieser Erbauungszeit stammt.

Unten angesetzt

Ein Eingriff an der Tür wurde nötig, weil aus Gründen der Barrierefreiheit vor dem Eingang das Steinpodest beziehungsweise die Treppenstufen entfernt werden mussten. Also galt es für die Schreiner, Türflügel und Türrahmen zu verlängern. Es war ursprünglich geplant, aus brandschutztechnischen Gründen die Tür nach aussen hin aufgehen zu lassen. «Doch dann hätte man sie komplett neu planen und bauen müssen», erklärt Egloff.

Es galt, Vorteile und Nachteile abzuwägen. Nicht zuletzt, weil es für Rollstuhlfahrer angenehmer ist, wenn die Tür nach innen öffnet, hat man sich schliesslich doch für die Erhaltung des «Denkmals» und fürs Bauen am Bestand entschieden; zur Freude aller beteiligter Fachspezialisten. Für die Schreiner hiess es: genaues Ausmessen mit dem Laser, Anzeichnen eines Meterrisses, Aushängen des Türflügels, Transport der Türflügel in die Werkstatt. Dort begann man, der Tür zur Schwelle hin Holz anzusetzen; aussen Eiche, innen Fichte.

Es wurde ruhiges Riftholz gewählt, welches einige Jahre in der Werkstatt gelagert hatte. Obwohl auch die Tür bereits einige Jahre gehangen hatte, wurde sie im Atelier von Egloff leicht krumm. Grund für den Verzug war nebst den anderweitigen klimatischen Bedingungen wohl die Tatsache, dass die Tür aussen geölt und innen über die Jahre hinweg mit mehreren Farbanstrichen versehen worden war.

Nach den Eingriffen hängte man die Tür wieder in die alten Bänder. Dafür waren vier Arbeiter notwendig. Dank der exakten, vorgängigen Massaufnahme reichte ein einmaliges Einhängen. Anschliessend musste nur leicht nachgehobelt werden.

Genau dokumentiert

Mit dem Nachhobeln liess man sich zwei Wochen Zeit, damit sich das alte Bauteil setzen konnte. Die neue, vom Metallbauer angefertigte Schwelle trägt lediglich fünf Millimeter auf. Gemäss DIN für barrierefreies Bauen darf eine Schwelle höchstens zwei Zentimeter hoch sein.

«Von Bedeutung war bei diesem Projekt die Zusammenarbeit mit Fachspezialisten», sagt Egloff. Nebst dem Metallbauer waren Elektroplaner, Steinmetz, Architekt, Denkmalpflege sowie die Leute von Schliessanlage und Sicherheitsdispositiv involviert. Obwohl die Eingangstür ein gewisses Alter aufweist, ist sie nun mit modernster Technik bestückt. Selbstverständlich wurden – wie es sich der Handwerker in der Denkmalpflege gewohnt ist – sämtliche Arbeiten sorgfältig dokumentiert, damit die nachfolgende Generation diese Intervention dereinst nachvollziehen kann.

www.p-egloff.ch

Die Arbeiten im Zeitraffer

  • Skizzen und Massaufnahme vor Ort. Mittels Lasermessgerät den Meterriss anzeichnen an Wand und Tür. Es wurde mit Klebern gearbeitet, damit man die Oberfläche der Tür erhalten konnte. Ausbauen des alten Schwelleneisens.
  • Ausbauen der Türflügel. Anbringen der provisorischen Tür vom Zimmermann. Das Provisorium reichte bis zur Strasse, sodass die Arbeiten (Podest abtragen) im Trockenen ausgeführt werden konnten.
  • Boden ausgiessen. Neues Schwelleneisen setzen (in Luft).
  • Rahmenteile vor Ort ansetzen.
  • In der Zwischenzeit Tür und Schlagleiste in der Werkstatt verlängern.
  • Profilleiste unten verbreitern, Oberfläche an das Bestehende anpassen.
  • Boden definitiv ausgiessen, Teppich legen.
  • Türflügel einhängen.
  • Inbetriebnahme der neuen Türschliessanlage mit technischen Anforderungen.
  • Aussen-Profilleiste/Aufdoppelung unten anbringen.
  • Retouchearbeiten, Dichtungen ein- fügen, Oberflächenbehandlung.

Michael Wyss, mw

Veröffentlichung: 25. Mai 2023 / Ausgabe 21/2023

Artikel zum Thema

14. März 2024

Systeme, die dem Schutz dienen

Systemschutz.  Erst die Entwicklungsarbeit einzelner Firmen ermöglicht den Stand der Technik, den wir heute einsetzen. Nachahmungen und Abänderungen geprüfter Produkte können für Personen gefährlich werden, weshalb es sich lohnt, die geleistete Arbeit zu verstehen.

mehr
14. März 2024

Damit die Richtung stimmt

Öffnungsrichtung.  Aussentüren öffnen manchmal nach innen, aber inzwischen meistens nach aussen. Letztere dienen der leichten Fluchtmöglichkeit im Fall der Fälle. Die Regelungen dazu stammen aus dem Brandschutz, aber noch sind nicht alle Türen entsprechend umgerüstet.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Türen