Baum fääällt!!!

Bild: Michael Suter

Forstwirtschaft. Bevor das Holz von der Sägerei in die Schreinerei gelangt, wird es im Wald gefällt. Der lernende Forstwart Dominik Lüthi aus Muhen AG gibt einen spannenden Einblick in seinen Berufsalltag.

Wir befinden uns im Waldstück Tannbrun im aargauischen Staffelbach. Es ist 10 Uhr. Die Wetterfrösche haben den bisher heissesten Tag im laufenden Jahr angekündigt – im Schatten der Bäume ist es noch angenehm kühl. Nur wenige Minuten sind verstrichen, seit wir vom Forstbetrieb Oberes Suhrental mit dem materialbeladenen Geländewagen losgefahren sind. Keile, Baumkratzer, Schutzkleidung und eine Motorsäge braucht Dominik Lüthi aus Muhen AG, um einen Baum zu fällen. Das heutige Zielobjekt ist eine 15 Meter hohe Tanne mit umgeknicktem Spitz, einem Umweltschaden. Bevor der lernende Forstwart den Riesen fällen kann, muss er sich den Baum genau anschauen, Durchmesser, Höhe, Stamm, Krone sowie die Umgebung beurteilen und mögliche Gefahren abwägen. Sein Lehrmeister Thomas Lüscher hat inzwischen die Zufahrtsstrasse gesperrt. «Im Wald sind immer mindestens zwei Mann vor Ort, alleine arbeiten ist zu gefährlich und gesetzlich verboten», erklärt der 19-jährige, stämmige Lernende, der in diesen Tagen die Abschlussprüfungen ablegt. Dass es sich beim Baum um eine Rottanne handelt, erkennt er sofort an der feinschuppigen, rotbraunen Rinde. Die Tanne steht leicht nach Osten geneigt an einem steilen Hang mit viel Jungwuchs. «Das sollte kein Problem sein», analysiert Dominik. Als Nächstes bestimmt er die Fallrichtung und den Rückzugsweg. Dieser muss frei von möglichen Stolperfallen sein, dafür entfernt Dominik einige Sträucher und Wurzeln. Anschliessend zieht er den Baumkratzer hervor und befreit den Stammfuss von Moos. Dieses würde das Sägeblatt abstumpfen. Dann folgt das Baumschroten. «Das macht man, damit der Baum besser fallen kann und kein Holz durch Bersten verloren geht», weiss Dominik. Er schrotet dem Stamm entlang, was in der Fachsprache «Stehendes Schroten» genannt wird. Anschliessend fräst er die sogenannte Fallkerbe heraus. Das benötigt millimetergenaue Arbeit, denn der Winkel muss 45 Grad betragen, damit der Baum optimal fällt. Ist das Holzstück rausgefräst, wird es mit einem schweren, langstieligen Hammer weggeschlagen.

Nun überprüft Dominik nochmals die Fallrichtung. Der Baum darf auf keinen Fall irgendwo hängen bleiben, geschweige denn sich verdrehen. Gefahren richtig einschätzen können, ist überlebenswichtig für einen Forstwart. Die Gefahrenzone muss frei sein, niemand darf sich darin befinden. «Ist die Strasse frei?», fragt Dominik über Funk. «Alles i.O.», meldet der Lehrmeister. Dominik holt tief Luft und ruft ein lautes «Aaaachtuuuuung» in den Wald hinein. Nichts regt sich. Es kann losgehen. Dominik setzt zum Fällschnitt an. Späne fliegen durch die Luft. Die Motorsäge verstummt – der Baum steht noch. Nun steckt Dominik einen Fällkeil in den Holzspalt und schlägt mit dem grossen Hammer drauf. Einmal, zweimal … plötzlich ertönt ein lautes Knacken, Blätterrascheln und ein dumpfer Aufschlag. Staub wirbelt auf. Geschafft, der Riese liegt am Boden. Rund 25 Minuten hat das Baumfällen gedauert. Nun werden sofort gefährliche Holzspriessen am übriggebliebenen Baumstumpf entfernt. Dann wird der Baum mit der Motorsäge entastet und in der Qualitätskontrolle beurteilt. Hat er Pilzbefall, einen Spritzkern und wie gleichmässig ist der Jahrringaufbau? Die Tanne wird vermessen und in Brenn- und Nutzholz unterteilt. Je höher die Holzqualität, umso teurer kann auch das Holz verkauft wer-den. Nach dem Auftrennen wird der Baum mit dem Forsttraktor an den Wegrand geschleppt.

Ein Lastwagen holt das geschlagene Holz später ab und bringt es in die Sägerei. Dort werden die Stämme nummeriert, vermessen, wiederum eingeteilt in gutes und schlechtes Holz und anschliessend in Seitenbretter und Konstruktionshölzer zugeschnitten. Sind die Seitenbretter gut, dann werden sie an Weiterverarbeiter wie die Schreinerei geliefert. Schlechtes Holz wird zu Papier oder Spanplatten verarbeitet.

Strenge Sicherheitsvorkehrungen

Die Arbeit mit der Motorsäge ist gefährlich. Deshalb sind Forstwarte mit Sicherheitskleidung wie hohen Stahlkappenschuhen, Hosen mit Schnittschutzeinlagen, Handschuhen mit Vibrationsschutz, Helm mit Visiernetz und Gehörschutz sowie orange leuchtender Kleidung ausgerüstet. Im Wald arbeitet man immer in der Gruppe. Es braucht einen guten Zusammenhalt und viel Vertrauen, da die Arbeit hart und häufig gefährlich ist. «Es ist sehr wichtig, dass man immer ehrlich zueinander ist und einander genau zuhört», sagt Dominik.

Breites Arbeitsspektrum

Ein Forstwart muss sein Revier kennen: Welche Baumarten wachsen darin? Wie muss das Waldstück gepflegt werden, damit sich der Jungwald optimal entwickelt? Welche Bäume dürfen gefällt werden? Wie ist die Beschaffenheit des Bodens? Das erfordert viel Wissen und einen guten Orientierungssinn, gepaart mit der Fähigkeit, Landkarten zu lesen.

Waldarbeiter müssen beurteilen können, wo Trockengebiete oder Erdböschungen liegen. Zudem müssen sie sich mit dem Naturschutz auskennen. Beispielsweise müssen sie darauf achten, dass Hecken nicht zu dicht werden, damit kleine Waldbewohner wie Igel und Hase darin Unterschlupf finden. «Es ist ein schöner Beruf. Es gefällt mir, immer draussen an der frischen Luft zu sein. Zudem arbeite ich gerne im Team», sagt der angehende Forstwart stolz.

ms

Veröffentlichung: 04. Juni 2015 / Ausgabe 23/2015

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