«Bereit sein, ein wenig zu spinnen»

Mit dem «Geschichtenerzähler» bringt Simona Bachmann alte Zitate ans Licht. Bild: Monika Hurni

Talentförderung.  Sieben Lernende haben in der Talentförderung der Technischen Fachschule Bern ihre Kreativität zum Thema «Innovation und Tradition» unter Beweis gestellt. Entstanden sind Objekte mit individueller Prägung.

Das Vertiefen von Fachkompetenzen und das Fördern von speziellen Begabungen, wie Kreativität, Ausdauer und Zielstrebigkeit, das sind die Ziele der Talentförderung (Taf). Das Angebot, 2014 von der Technischen Fachschule Bern (TF) ins Leben gerufen, richtet sich an Lernende des zweiten und dritten Ausbildungsjahres.

«Für die Aufnahme der Lernenden in die Talentförderung zählen nicht nur ihre handwerklichen Fähigkeiten», erklärt Berufsbildner Andreas Dürner, der für das Projekt zuständig ist. «Wir suchen Leute, die bereit sind, den normalen Pfad auch einmal zu verlassen, ein wenig zu spinnen und das Unmögliche möglich zu machen.»

So ist es in der Talentförderung nicht nur erlaubt, sondern vielmehr gewünscht, Neues auszuprobieren, Grenzen auszuloten und dabei auch mal an solche zu stossen. «Der Weg zu den innovativen Objekten war manchmal holprig, und es ist vorgekommen, dass wir eine Abzweigung verpasst haben und nochmals zurückgehen mussten», sagt Dürner. «Aber das soll so sein, denn daran wächst man und so entstehen oftmals die spannendsten Projekte.»

Aus der Not eine Tugend gemacht

Mit wie viel Mut und Kreativität die Lernenden ihre Objekte zum Thema «Innovation und Tradition» umgesetzt haben, zeigte sich bei der Ausstellung, die kürzlich im Maschinenraum der TF stattgefunden hat. So beispielsweise bei der Kommode «Geschichtenerzähler» von Simona Bachmann. «Geschichten bedeuten für mich Tradition», erklärt sie. «Wir alle bestehen aus Geschichten und geben diese von Generation zu Generation weiter.» Als innovativen Teil hat die Lernende im dritten Lehrjahr auf schwarz gebeizte Ahornriemen einzelne Buchstaben sowie Zitate aus Büchern eingelasert. Die Lasertechnik hat sie auch beim Sockel aus Schieferplatten eingesetzt. Auf diese Weise hat sie das Hauptobjekt kurzerhand mit der zweiten Aufgabe zum Thema Kleinkunst verknüpft. Die Idee sei eher etwas aus der Not entstanden, gibt sie unumwunden zu, da die Schublade beim Öffnen den Boden gestreift habe.

Dass nicht immer alles nach Plan läuft, musste auch Sarina Bleuer feststellen. Wie die Namen ihrer beiden Objekte zeigen, nahm sie dies jedoch mit Humor. So heisst ihr Hauptprojekt, ein Pult aus Nussbaumholz und Giessharz, aufgrund der Tücken bei der Verarbeitung «Harziger Weg». Das multifunktionale Nachttischchen, zusammengestellt aus einzelnen Klötzchen, trägt den Namen «Todesstern». «Ich wollte erst darauf verzichten, die Kanten der Klötzchen zu brechen», erzählt sie mit einem Lachen. Nach einigen kleineren Schürfungen habe sie dann aber nochmals rund fünf Stunden investiert, um ihr Nachttischchen verletzungsfrei nutzen zu können.

Nostalgie in neuem Kleid

Sandro König verliess mit seinem Projekt «Platenglazen» das traditionelle Schreinerhandwerk. Mit Brillen aus Holz und alten Schallplatten setzte er das Motto «Innovation und Tradition» in exemplarischer Weise um. Nostalgie in modernster Gestaltung. Dass viele Wege ans Ziel führen, bewies Niklas Hänni mit seinem Kleinkunstobjekt. Er habe «etwas herumexperimentiert und improvisiert», erklärt er. Dass ihm mit dem «Cubetown» ein durchaus harmonisches Dekorationsobjekt gelungen ist, schreibt er eher dem Zufall zu. «Ich bin froh, dass es nun so dasteht, auch wenn es nicht ganz so herausgekommen ist, wie geplant», sagt er mit einem verschmitzten Lächeln.

Methodischer ist Svenja Binggeli bei der Planung ihres Kleinkunstobjektes vorgegangen. Die Idee für die Nachttischlampe konkretisierte sich in ihrem Kopf nach intensiver Recherchearbeit im Internet.

Und genau dafür ist die Talentförderung da: Die Lernenden sollen ihre eigenen Strategien entwickeln, um zu einem Ergebnis zu gelangen. «Die Lernenden sollen das Dach aufmachen und nach den Sternen greifen», sagt Andreas Dürner. «Je grösser der Dachschaden, desto grösser der Blick auf die Sterne.»

Einsam und doch gemeinsam

Maximal acht Lernende werden pro Jahr in die Talentförderung aufgenommen. Jeden Donnerstag erhalten sie von 15 bis 18 Uhr die Zeit, um an den Objekten zu arbeiten, die sie dann am kantonalen Lehrlingswettbewerb präsentieren. Die Projekte verwirklichen sie mit grösstmöglicher Selbstständigkeit und lernen so, ganzheitlich zu denken und Verantwortung zu übernehmen. Doch neben der Eigenständigkeit wird gerade bei der Ideenfindung auch die Teamarbeit gefördert – und sei es nur um gemeinsam ein wenig zu «spinnen».

www.tfbern.ch

mh

Veröffentlichung: 04. Juli 2019 / Ausgabe 27/2019

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