Beschichtung als Alternative?

Bohrer, Fräser, Spiral-bohrer: Auf Werkzeug, das vollständig aus Hartmetall gefertigt ist, macht die Beschich-tung Sinn. Bild: Leitz GmbH

Werkzeug.  Die Beschichtung von Schneiden mit sehr harten Schichten kann die Standzeiten deut- lich verlängern. Doch nicht in jedem Fall lohnt sich das Beschichten. Richtig eingesetzt können die harten Metallfilme aber die Wirtschaftlichkeit des Werkzeugs massiv verbessern.

Die Ansprüche an die Schneiden von Holzbearbeitungswerkzeug sind extrem hoch. Sie müssen sehr scharf sein, denn sie sollen die zähen Holzfasern unbedingt schneiden und nicht einfach Holzmasse verdrängen. Nur so sind gute Schnittbilder zu erreichen. Damit das Werkzeug richtig schnittig sein kann, braucht es sehr zähe Stähle. Nur so lassen sich Schneiden auf Schärfe trimmen. Eine Verrundung von wenigen Mikrometern an der Schnittkante wirkt sich bereits dramatisch aus und ist beim Zerspanen sofort spürbar: Der Schnittdruck nimmt zu und die Oberflächenqualität am Werkstück nimmt deutlich ab.

Die Schneiden leiden

Nicht immer haben Schreiner absolut homogene Werkstoffe zu zerspanen. Sogar Vollmassivholz ist nicht vollständig frei von Fremdstoffen. Sande oder andere mineralische Einschlüsse beeinflussen die Lebensdauer der Schneiden genauso wie Fremdstoffe in Spanplatten oder Beläge aus sehr harten Materialien. Für die Bearbeitung solcher Materialien sind schon seit Mitte des letzten Jahrhunderts Schneiden in Hartmetall erhältlich. Anfangs waren sie noch sehr teuer und man setzte sie nur in Spezialwerkzeug mit hoher Belastung ein, heute haben sie sich aber weitgehend durchgesetzt – vom Fensterwerkzeug über CNC-Fräser und Kreissägeblätter bis hinunter zum Handhobel.

Zu hart, um gut zu schneiden

Zuvor verwendete man im Schreinergewerbe überwiegend legierten Stahl mit der Bezeichnung HS (Hochleistungsstahl) oder HSS (Hochleistungsschnellstahl). Doch die Härte hat ihren Preis: Das Material ist aufgrund der körnigen Struktur und der Härte spröde. Dass die Zähigkeit eines Metalls mit der Zunahme an Härte abnimmt, ist ein Naturgesetz, welches man nicht überlisten kann. Bei Schneiden aus HSS lassen sich die Keilwinkel und damit auch der Schnittwinkel deutlich kleiner anlegen, Schneiden aus Hartmetall kann man nicht annähernd so schnittig schleifen, die Schnittkanten würden ausbrechen und sehr schnell verrunden. Für eine perfekte Oberflächenqualität am Massivholz wären deshalb HSS-Schneiden erste Wahl, wäre da nicht die fehlende Härte und schnelle Abstumpfung.

Metall ist nicht wie Holz

Doch die Werkzeughersteller haben mittlerweile Lösungen bereit, die verschiedene Eigenschaften miteinander verbinden können. So experimentiert man schon länger mit sehr harten Beschichtungen. Bei der Me-tallbearbeitung sind solche Überzüge schon länger im Einsatz. Sie verlängern die Standzeit der Schneiden um ein Mehrfaches. Das Werkzeug wird dabei vollständig bearbeitet, maximal geschärft und anschliessend beschichtet. «Die Firma Leitz hat schon früh versucht, solche Schichten auf Holzbearbeitungswerkzeug einzusetzen», sagt Urs Moser von Leitz Schweiz. Doch die Schichten wie auch die bekannten Beschichtungsverfahren fielen allesamt durch. «Die veredelten Schneiden waren alle zu stumpf», erzählt Urs Moser. Hauptgrund dafür sei einerseits das nachträgliche Beschichten. Die Schichtstärke von 2 bis 4 µm reiche aus, um die Schneide entscheidend abzustumpfen. Andererseits seien die Schichten auch nicht für die hohe Schnittgeschwindigkeit und Belastung in der Holzbearbeitung geeignet gewesen.

Ohne Nachschärfen geht nichts

Den Durchbruch schafften die Techniker schliesslich mit dem Nachschärfen nach der Beschichtung. Ausserdem fanden die Entwickler neue Metallkombinationen, die auf dem Werkzeug deutlich bessere Eigenschaften entwickeln. Doch bis das Verfahren ausgereift war, brauchte es noch viel Entwicklungsaufwand. So bestehen die har-ten Überzüge heute aus ganz unterschiedlichen Metallkombinationen.

Bei Leitz heissen die harten Überzüge «Marathon», Oertli Werkzeuge AG Höri hat eben-so ein passendes System entwickelt, dort heisst es «Nano CRO». Werkzeugnah benötigt es Schichten, die gut auf den Stählen haften, weiter draussen an der Schneidenspitze sind gut schärfbare Kombinationen gefragt. Zum Einsatz kommen vorwiegend Metallverbindungen aus Titan und Karbid, die Rezeptur und der Aufbau der Schichten ist aber ein streng gehütetes Geheimnis.

Nachschliff unumgänglich

Für die Bearbeitung von Holz werden die Fräser heute wie beim Metallbau zuerst fertig bearbeitet, inklusive präzisen Schliffs. Dann applizieren die Beschichter in verschiedenen Vergütungsschritten die Komponenten. Zu guter Letzt erfolgt ein hochpräziser Nachschliff, um die nötige Schärfe zu erreichen. «Diese Bearbeitung muss mit grösster Präzision erfolgen, denn die aufgebrachten Schichten neigen zum Absplittern», erklärt Moser. Vom händischen Nachschärfen, und sei es auch nur mit dem Abziehstein, rät er darum dringend ab, die Schneidekante würde sofort beschädigt. Je nach Schneidengeometrie bleibt die harte Schicht nach dem Schlussschliff entweder an der Zahnbrust oder an der Zahnflanke beziehungsweise am Zahnrücken stehen. Damit lassen sich die beschichteten Schrei-nerfräser im Gegensatz zum Werkzeug für die Metallverarbeitung immer wieder nachschärfen, ohne dass eine Neubeschichtung erfolgen muss. Erst diese Möglichkeit der einmaligen Beschichtung hat die Verwendung der Schichten erst wirtschaftlich gemacht.

Zwei- bis sechsmal länger?

«Die Standzeiten beschichteter Fräser sind je nach Einsatz zwei- bis sechsmal höher als bei unbeschichteten», sagt Urs Moser. Der Werkzeugfachmann übt sich in Zurückhaltung, wenn es um die Nennung konkreter Zahlen geht – mit gutem Grund, denn zu hoch darf man diese Werte nicht ansetzen. «Natürlich gibt es Anwendungen mit sehr guter Performance, etwa beim Bearbeiten von Massivholz», sagt Moser. Die Beschichtung von Hobelmessern für Vierseitenhobelmaschinen mache absolut Sinn. In diesen Anlagen werden vorwiegend Messer aus HSS eingesetzt, der Stahl mit der Beschichtung lässt einen sehr steilen Schnittwinkel zu. Damit bleibt die Oberflächenqualität deutlich länger hoch. Zudem lassen sich die Messer relativ einfach nach- schärfen.

Die Bieber als Vorbild

Die Härte der Schichten erreichen auf der HSS-Schneide mit rund 2000 HV (Prüfung nach Vickers) ungefähr die von Hartmetall, trotzdem sind die Schneiden scharf wie HSS. Zum Vergleich: Hartmetall weist eine Härte von 1300 bis 2400 HV auf, gehärteter Werkzeugstahl etwa 700 HV. Im Gebrauch stellt sich an den Schichten ein gewisser Nachschärfeffekt ein. «Indem der unbeschichtete und dadurch deutlich weichere Zahnrücken mehr abgenutzt wird als die Zahnbrust, resultiert eine Verlangsamung der Verrundung an der Schneidenkante. Vor-gemacht haben dies die Bieber: Ihre Zähne sind vorne viel härter als hinten und nutzen sich entsprechend ab. Um ihre Zähne zu schärfen, müssen sie also nur hartes Material abnagen. Ganz verhindern lässt sich die Verrundung an der Werkzeugschneide aber auch mit der Beschichtung nicht.

Rohmaterialien fehlen

Neben den Hobelmessern aus HSS werden heute zunehmend auch Spiralfräser und Spiralbohrer sowie Schrupper aus Hartmetall mit den zähen Schichten veredelt. Bei diesen lohnt sich die Beschichtung ganz besonders, denn um einen Unibodyfräser, also ein Werkzeug ganz aus Hartmetall, zu fertigen, braucht es sehr viel Rohmaterial. Mittlerweile sind die Preise der Rohstoffe für die Herstellung von Hartmetall regelrecht explodiert. Innert weniger Jahre ist der Preis von etwa 6 auf heute 44 US-Dollar pro Kilogramm gestiegen. Die Beschaffung des Wolframkarbids und des wichtigen Kobalts ist zudem viel schwieriger geworden.

Werkzeug länger in Form

«Durch die Beschichtung muss der Fräser deutlich weniger häufig nachgeschärft werden. Er erfährt also weniger Materialverbrauch und behält seine Ursprungsform länger», sagt Moser. Damit verbrauche man längerfristig viel weniger der hochwertigen Rohstoffe. Das schone nicht nur die Umwelt, sondern senke auch den Umstellaufwand und reduziere Stillstandszeiten an der Maschine. Das entlastet auch die Betriebskasse der Schreinerei.

Lohnt sich die Beschichtung?

«Ein beschichteter Fräser kostet nur etwa 15% mehr als ein unbeschichteter, das lohnt sich auf jeden Fall», sagt Moser. Sinn macht gemäss dem Werkzeugspezialisten die Beschichtung von Zinkengarnituren, Hobelmessern, Unibodyfräsern, Spiralbohrern und Profilmessern. Was sich aber im Moment nicht lohne, sei das Beschichten von Wendeplatten in Hartmetall. Da verhindere der Mehraufwand der Beschichtung und das anschliessende werkseitige Nachschärfen ein wirtschaftliches Vorgehen. Der kleine Materialaufwand für die Blankets rechtfertige den Beschichtungsaufwand (noch) nicht. Angesichts der angespannten Rohstoffsituation könnte aber auch das noch eintreten.

Knacknuss Hartmetall

Zum Beschichten von Hartmetall sind deutlich härtere Schichten gefordert. Einen Fräser aus Hartmetall mit Vickershärte von 1600 bis 2000 HN mit einem ähnlich harten Überzug zu vergüten, macht wenig Sinn. Leitz hat darum eine Schicht entwickelt, die mit rund 4000 HN deutlich härter als bisherige ist. Damit lohnt sich nun auch die Beschichtung von Hartmetallfräsern noch deutlicher. Leitz spricht in diesem Zusammenhang mit Standzeitverlängerungen um den Faktor zwei. Ausserdem verhelfen die harten Schichten dem Werkzeug zu mehr Schnittigkeit.

Nicht nur für die Härte

Beschichtungen werden aber nicht nur zur Verbesserung der Schnittperformance eingesetzt. Die wenige Mikrometer dicken Metallfilme füllen teilweise auch die oberflächlichen Poren auf den Werkzeugstählen. Dies sorgt für deutlich glattere Ober- flächen, was sich wiederum positiv auf den Spanabtransport und die Haftung problematischer Holzinhaltsstoffe auswirkt. Diesen Effekt machen sich die Werkzeughersteller vor allem bei Spiralbohrern zunutze. So kann man mit einem beschichteten Bohrer auch sehr tiefe Löcher in einem Zug bohren, ohne dass die Spanräume verstopfen würden. Solche Bohrer setzt Leitz etwa in der Fensterherstellung ein, wenn schnell viele Dübellöcher gebohrt werden müssen. «Beschichtete Spiralbohrer ermöglichen das Bohren von Löchern über die gesamte Nutzlänge des Bohrers in einem Arbeitsgang», sagt Moser. Auch Harz und andere Inhaltsstoffe hafteten weniger an.

www.leitz.orgwww.oertli.ch

wi

Veröffentlichung: 16. November 2012 / Ausgabe 46/2012

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