Bodenschätze aus dem Sägewerk

Auch in der Küche und im Badezimmer findet der Rorschacher Sandstein seinen Platz. Zunächst schlicht wie Beton, bildet der Stein später eine Patina aus. Bild: Bärlocher

Natursteine.  Manchmal soll es Stein sein. Dann sind Schweizer Exemplare nur selten erste Wahl. Eigentlich ein Unding wie Beispiele, Zahlen und Fakten zeigen. Zudem hat die Schweiz eine Vielzahl an Steinen zu bieten, die ökologisch und ethisch über jeden Zweifel erhaben sind.

Wer über Stein schreibt, kann endlos Geschichten erzählen. Zeiträume von Jahrmillionen tun sich auf. Gebirge entstehen, werden abgetragen und erneut gebildet. Geschichten über gewaltige Vulkanausbrüche und Meeresflächen, die den Boden lange bedeckten, auf dem wir heute leben. Ein Hin und ein Her, ein Werden und Vergehen von Regionen, Ländern und ganzen Kontinenten. Am Ende bleiben Steine. Oft unter der Erde versteckt, manchmal auch deutlich an Bruchkanten im Gelände sichtbar.

Kein Stein ist wie der andere

Die Vielfalt der Gesteinsarten ist gross, aber die Spielarten einer Art sind schier endlos. Jeder Ort hat seine Besonderheiten, und jeder Stein ist anders. Die gleiche Sorte kann einige Meter weiter schon ganz anders aussehen. So kommt der Valser Granit gräulich oder grünlich daher, eher grob oder fein geschichtet mit mehr oder minder häufigen Einschlüssen. Da kann man schnell den Überblick verlieren. Verwirrend ist auch, dass Steine manchmal genauso heissen, wie ein erdgeschichtliches Zeitalter oder wie eine Gruppe von Gesteinsarten wie Buntsandstein oder Jura.

Klar ist indes: Die Schweiz ist steinreich. Aktuell gibt es laut Material-Archiv des Gewerbemuseums Winterthur rund 70 aktive Werksteinbrüche in der Schweiz, in denen etwa 50 verschiedene Steinsorten abgebaut werden. Bis zum Ersten Weltkrieg sollen es gar 700 bedeutende Steinbrüche gewesen sein. «Die Anzahl ist stark abnehmend. Immer wieder werden Steinbrüche nicht mehr betrieben, die aber technisch hervorragendes Material bieten würden. Das ungenutzte Potenzial ist gross», sagt Melanie Saner, Geschäftsführerin der Schweizer Interessengemeinschaft Pro Naturstein. Auf der anderen Seite würde sich in der Branche vermehrt eine Nachfrage nach authentischen und ökologischen Materialien abzeichnen. Die Erfahrungen der Fachleute dazu scheinen jedoch durchaus unterschiedlich auszufallen. «Wir stellen eine stark zunehmende Nachfrage nach Schweizer Steinen fest. Der Verkauf erfolgt meist direkt über die Steinbrüche, und nicht wie bei ausländischen Steinen über italienische Sägewerke», bestätigt Christian Bärlocher vom gleichnamigen Steinwerk in Staad SG die Entwicklung. In seinem Steinbruch wird der Rorschacher Sandstein abgebaut, der ausser im Hochbau auch für Küchenabdeckungen oder im Badezimmer seinen Platz findet. Wichtig sei, dass die Wertschöpfung im Steinbruch vor Ort erzielt werde. Die meisten verfügbaren Steine bekommt man als sogenannte Unmasstafeln. Das sind grossformatige Platten, die von Blöcken mit der Seilsäge abgetrennt wurden.

Vielen Kunden ist die Herkunft egal

Bei den Konsumenten scheint die Regionalität der Baustoffe aber nicht die erste Geige zu spielen. So würden die meisten Kunden eher anhand von Pflegeeigenschaften, der Optik und dem Preis entscheiden, erklärt Vanessa Eisenring, Leitung Marketing bei der Hans Eisenring AG in Sirnach TG. Die Herkunft würde in der Regel als letztes Kriterium zum Tragen kommen. «Es ist zwar eine Veränderung spürbar, dass Schweizer Steine wieder mehr gefragt sind, dies jedoch eher bei einem kleineren Teil der Kundschaft», so Eisenring. Dementsprechend gering sei die Neigung ausgeprägt, für einen Schweizer Stein mehr zu bezahlen. «Die Kunden erwarten den gleichen Preis, egal woher der Stein kommt», sagt Eisenring. Eine gewisse Preisangleichung beobachtet auch Melanie Saner. Im Schnitt seien Schweizer Steine zwar noch teurer als die ausländischen Varianten, doch seien die Unterschiede inzwischen geringer.

Flecken sind pfui

Der Preis allein dürfte daher kaum das entscheidende Kriterium bei der Auswahl eines Steines sein. Herr und Frau Schweizer sind dagegen anspruchsvoll, was die Optik angeht. Fleckenbildung toleriert man nicht, eine Patina ist dagegen durchaus erwünscht, sofern sie perfekt ist. Schreiner kennen das Thema gut von der Arbeit mit Massiv- und Altholz. Der Valser Stein gilt als einer der optisch ansprechendsten und bekanntesten Steine aus der Schweiz. Im Aussenbereich sei der Valser gefragt. Zwar würde sich dieser der Witterung ausgesetzt verändern, dies geschehe dann gleichmässig, erläutert Eisenring. Im Innenbereich ist der Kunde offensichtlich sensibler. «Als Gneis nimmt der Valser zwangsläufig Flüssigkeiten auf. Im Gegensatz zum Aussenbereich sind diese Veränderungen im Innenbereich dann oft punktuell», erklärt Eisenring. Und das möchte man nicht haben.

Deshalb scheiden Schweizer Steine immer wieder aus. Man greift lieber auf Bewährtes ohne Risiko zurück. Auch Kunststeine haben ihren Preis, aber bleiben, wie sie sind. Viele Natursteine sind patinafähig, wie Christian Bärlocher es nennt. Für ihn sei das eine grosse Qualität. Sein Rorschacher Sandstein bekommt sichtbare Zeichen, zumal man ihn oft mit etwas rauerer Oberfläche einsetzt, damit man die Materialität besser fühlen kann.

Auch eine Frage der Mentalität

In anderen Ländern, etwa Italien, ist die Kundschaft nicht so empfindlich. «Die Kollegen verwenden dort auch Marmor für die Küche, einen Kalkstein! Undenkbar in der Schweiz», sagt Hedvin Gjergjaj, Leiter Wohnen bei der K. Studer AG in Frick AG. Die Ansprüche bei Küchenabdeckungen an Beständigkeit und Pflegeleichtigkeit seien hierzulande enorm, so der Experte. Manche heimische Steine verschwinden deshalb auch einfach vom Markt, obwohl sie verfügbar wären und ihr Einsatz ökologisch sinnvoll.

«Für die Küche würde ich einen Quarzit empfehlen und an zweiter Stelle einen Gneis, am besten einen Paragneis», sagt Gjergjaj. Mit diesen Steinen habe man viel Erfahrung. Trotzdem komme es seitens der Kunden immer wieder zu Reklamationen wegen Fleckenbildung.

Eine Möglichkeit, dem zu begegnen, ist die Imprägnierung von saugfähigen Steinen. «Alle zwei bis vier Jahre sollte man den Vorgang wiederholen, um Fleckenbildung zu verhindern», weiss der gelernte Steinwerker Gjergjaj. Schliesslich müsse man gut kommunizieren, dass selbst ein Stein Pflege benötige.

Auf die Oberfläche kommt es an

Beim Finish von Steinoberflächen kennt man mechanische Verfahren wie das Kröneln, Flächen oder Scharrieren. Nebst diesem strukturschaffenden Behauen der Oberflächen wird vor allem geschliffen. Beginnend mit 30er-Körnung in rund zehn Durchgängen bis zu 3000er-Papier und viel Wasser. «Mit jedem Schleifgang bis hin zum Polieren werden die Poren immer kleiner oder gar geschlossen», erklärt Gjergjaj. Solche Flächen sind dann etwas unempfindlicher als raue und matte Oberflächen, die aber auch beim Stein mehr und mehr gefragt sind. Schliesslich möchte man das Material auch mit den Händen fühlen können.

In diesem Fall wird maximal bis zu einer Körnung von 400 geschliffen. «Dann wird geflammt und gebürstet oder alternativ satiniert. Die Poren bleiben dabei offen. Die Oberflächen sind dann ewas heikel und sollten imprägniert werden», sagt Gjergjaj. Die könne die Patinabildung durchaus unterstützen, weiss Bärlocher. Allerdings komme es auf den Stein an. Nicht jede Behandlung passe für jeden Stein. Sein Sandstein zu Hause in der Küche passe je länger in Gebrauch desto besser zur historischen Wohnung. Er bekommt Patina, die am Ende eben Zeugnis einer wilden Ansammlung von Geschichten ist.

www.pns.chwww.naturstein.swisswww.baerlocher.swisswww.eisenring-natursteine.chwww.studer-frick.ch

Für Küchenabdeckungen verwendet

Der Onsernone, manchmal auch Onsergranit genannt, gehört zu den Gneisen. Sein homogenes Gefüge ist fein gekörnt und stark geschiefert. Das dunkel- bis mittelgraue Gestein wird heute in zwei Steinbrüchen im Valle di Vergeletto im Tessin abgebaut. Benannt ist er nach der politischen Gemeinde Onsernone, auf dessen Gebiet die Steinbrüche liegen. Der Stein, der als Platte ab 10 mm Stärke erhältlich ist, lässt sich mit den gängigen Verfahren gut bearbeiten und findet vielfältige Anwendungen in der Architektur, aber auch im Innenbereich etwa für Küchenabdeckungen.

Die Letzten ihrer Art

Der Röt-Sandstein wartet mit zwei Varietäten auf: einer gelben und einer rötlichen (Bild), die lebhaft camouflageartig gezeichnet sind. Beide stammen aus dem Gebiet Röt in Gansingen AG. Das Gestein ist wegen fossiler Einschlüsse auch unter dem Namen Schilfsandstein bekannt. Früher gab es in der Schweiz viele Schilf-sandsteinbrüche. Davon ist nur der Röt-Sandstein übrig. Der Stein ist gut bearbeitbar und wird gerne im Ofen- und Cheminéebau verwendet.

Stilbildendes Grau

Der Berner Sandstein ist ein feiner und homogener Kalksandstein, der in grau-grünlichen, grau-gelblichen und grau-bläulichen Varietäten vorkommt. Die Steinbrüche befinden sich in der Region um Bern. Der Stein ist reich an Poren und kann so viel Wasser (12%) aufnehmen, was ihn wenig beständig macht. Wie viele andere Sandsteine auch, ist er nicht polierbar. Im Innenausbau und für den Ofenbau ist er durchaus geschätzt, heute wird der Stein aber vor allem zum Erhalt historischer Bauten verwendet.

Auch die Römer bauten damit

Mägenwiler Muschelkalk ist ein grobkörniger Kalksandstein mit hohem Anteil an Muschelfragmenten. Der Stein wird gegenwärtig in Hendschiken AG abgebaut, in früheren Zeiten gab es zahlreiche Abbaustätten, darunter Mägenwil und Würenlos.

Der Muschelkalkstein wurde bereits im Römischen Reich gewonnen und für Bauten verwendet, wie das Amphitheater Vindonissa in Windisch AG belegt. Der Stein ist mechanisch gut zu bearbeiten, aber nicht polier- und beflammbar. Er eignet sich für viele Arbeiten im Innen- und Aussenbereich.

Drehte sich lange als Mühlstein

Der Melserstein hat seinem Namen vom Ort seines Vorkommens in Mels SG. Der rotviolette, mehrheitlich feinkörnige und stellenweise leicht geschieferte Sandstein ist sehr kompakt und hart. Deshalb wurde er früher als Mühlstein eingesetzt. Seine Zusammensetzung variiert durchaus, was auch zu farblichen und strukturellen Spielarten führt. Der Stein lässt sich polieren und findet zum Beispiel als Tischplatte Verwendung.

Leider mit Asbest

Serpentinite wie der Poschavio-Serpentin wurden lange Zeit abgebaut und verwendet. Die Gesteine aus der Gruppe der metamorphen Serpentinite sind äusserst dekorativ und weisen verschiedene Farbspiele und unregelmässige Partien auf.

Der Poschiavio-Serpentin ist ein kompakter, geschieferter Stein von dunkelgrün-schwärzlicher Farbe, durchzogen von helleren, grünen Partien. Er nimmt praktisch kein Wasser auf. Abgebaut wurde der Stein am Westhang des Puschlavs. 2013 wurde der Steinbruch auf Anordnung der Suva geschlossen. Der Grund: Asbestvorkommen im Gestein. Der wegen des hohen Anteils an harten Mineralien schwer zu bearbeitende Stein muss wegen enthaltener Asbestfasern unter besonderen Schutzmassnahmen bearbeitet werden. Eine Freisetzung der Asbestfasern kann laut Suva-Merkblatt aber nur im Zuge der Bearbeitung erfolgen.

Fast ein Schweizer Travertin

Er ist nicht so löchrig wie ein römischer Travertin, und doch erinnert die Farbe und die poröse Struktur des Schweizer Kalkgesteins mit dem klangvollen Namen «Pierre Jaune» aus Neuenburg an den berühmten Vertreter. Hellbeige bis ockergelb, zuweilen rotbraun bis grünlichgelb kam der Stein aus den Steinbrüchen vom Neuenburgersee. Der Abbau findet heute nicht mehr statt. Sehen kann man das Gestein in den Altstädten von Neuenburg oder Murten.

War schon Exportschlager

Der Calanca ist ein hell- bis dunkelgrauer Gneis, der in einem Steinbruch im Calancatal GR gewonnen wird. Man unterscheidet drei Qualitäten, die je nach Abbaustelle Farb- und Körnungsunterschiede zeigen. Wegen der regelmässigen Schieferung gilt Calanca als gut spaltbar. Man kann den Stein aber auch bürsten, beflammen, kugel- oder sandstrahlen, polieren, schleifen, punktspitzen oder stocken. Etwa 90 % der Produktion werden in der Schweiz verbaut. Das war in den 1980er-Jahren anders, als bis zu 70 % des abgebauten Calanca exportiert wurden.

Fast ein Marmor

Der Name Rosenlaui-Marmor aus dem gleichnamigen Tal im Kanton Bern ist etwas ungenau. Es handelt sich noch um einen Kalkstein, der zwar marmorisiert ist, aber nur ansatzweise eine Metamorphose durchlaufen hat. Entsprechend gut lässt sich das Gestein bearbeiten und taucht öfter als Abdeckung von Kommoden, als Tischplatte oder auch an Türrahmen auf. Eng verknüpft ist der Rosen- laui-Marmor mit den Berner Werkstätten der Kunsthandwerkerfamilie Funk. Der Rosenlaui-Marmor ist ähnlich dem Grindelwalder Marmor und wird bis heute aus Sturzblöcken gewonnen und oft für Restaurationszwecke eingesetzt.

Auch für die CNC gut geeignet

Rorschacher Sandstein wird bei Staad und in Thal SG am Bodensee abgebaut und ist in der Architektur bestens bekannt. Der hellgraue, feinkörnige Sandstein findet sich an vielen Bauwerken, heute auch in Küche und Badezimmer. Gut spaltbar, lässt er sich mit den gängigen Oberflächenbehandlungen versehen. In grossen Platten verfügbar, eignet er sich auch für die Bearbeitung mittels CNC-Fräse.

Interessante Mischung

Der Guberstein weist unterschiedliche Varietäten auf, ist aber stets sehr kompakt. Er wird im gleichnamigen Steinbruch Guber oberhalb von Alpnach OW gewonnen. Wegen seines hohen Quarzanteils und der dichten Packung der Mineralien wird der Guberstein auch als Quarzsandstein bezeichnet. Er ist äusserst hart und druckfest und lässt sich auch polieren. Der weiche Kalkzement in Kombination mit scharfkantigen Quarzkörnern machen das Gestein rutsch- und abriebfest. Der Guberstein ist für Küchenabdeckungen und Tischplatten geeignet.

Fein, mit sichtbaren Adern

Der Ringgenberger Kalkstein ist ein feiner, dichter und dunkelgrauer Kieselkalk mit hellen Kalzitadern. Der Stein wird in Goldswil BE abgebaut, früher gab es mehrere Steinbrüche in der Gegend am Brienzersee. Der Stein ist maschinell gut bearbeitbar und auch leicht zu polieren. Im Innenbereich bislang kaum eingesetzt, findet er sich vor allem im Baubereich.

Christian Härtel, ch

Veröffentlichung: 29. Februar 2024 / Ausgabe 9/2024

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