Der Herr der Holzringe

Die Trauringe des Schreiners Jan Berger (25) sind, wie könnte es auch anders sein, aus Holz. Bild: Beatrix Bächtold

Mit einem Ring für die Mutter fing alles an. Der Holzring, den diese auf einer Ferienreise erstanden hatte, war in die Brüche gegangen. Daraufhin griff der damals 17-jährige Jan Berger zu einem Stück Holz, einer Lochfräse und einem Astflickbohrer. Das fertige Ringli schliff der damalige Schreinerlernende von Hand und ölte es. Im Prinzip war das der Anfang der Holzringmanufaktur «Bentwood». Das Unternehmen mit Domizil und Werkstatt in der 700-Seelen-Gemeinde Lohn im Kanton Schaffhausen biegt Schmuckstücke aus edlem Furnier. Es verfügt über selbst entwickelte und gebaute Gerätschaften und arbeitet mit einem zwölfköpfigen Team von Experten zusammen, wie zum Beispiel einem Goldschmied und einem Brillantensetzer. Ringe fertigt «Bentwood» nach persönlicher Beratung und auf Mass an. Das macht sie einzigartig, wie das Holz, aus dem sie sind. Jan Berger lernte Schreiner bei der Thalmann Schreinerei AG in Neuhausen SH und machte die Berufsmaturität. Die hölzernen Gene erbte er von seinem Grossvater, der eine eigene Modellbauschreinerei führte. «Als Bub habe ich dort schon rumgebastelt. Das prägte mich in jeder Hinsicht», sagt Berger und erzählt dann die Entstehungsgeschichte seines Unternehmens weiter. Kurz nach dem Ring für seine Mutter machte der Teenager die ersten Schmuckstücke für Kollegen.

Irgendwann bat ihn jemand, ihm Verlobungsringe zu machen. «Nein, das kann ich nicht, die halten doch nicht ein ganzes Leben», antwortete der junge Schreiner reflexartig. «Doch der Kunde war felsenfest davon überzeugt, dass Schreiner immer Lösungen finden und mit Holz Wunder vollbringen können», erzählt Berger. Jedenfalls meinte der Kunde, dass er sich ruhig Zeit lassen dürfe, um zwei Ringe herzustellen, die ewig halten. Berger zog seinen Grossvater zu Rate. Schon bald entwickelten die beiden Tüftler ein Verfahren, um Holzringe herzustellen, die einem Pendant aus Edelmetall in Bezug auf Qualität und Langlebigkeit ebenbürtig waren. Dazu schnitten sie diesen nicht wie bisher aus einem Stück Holz. Vielmehr wickelten, bogen und pressten sie hauchdünne Furnierlagen unter hohem Druck und gesättigt mit Harz zu einer fingerlangen Röhre. Aus diesem Rohling schnitten sie die Ringe. «Soviel ich weiss, sind die Ehe und auch die Ringe meines ersten Auftraggebers immer noch intakt», sagt Berger. Seine Kundschaft besteht zu einem Grossteil aus Schreinern, Holzhandwerkern und sonstigen bodenständigen Menschen, die Freude an der Natur haben. Einmal brachte ein Kunde den Ast eines alten Baumes, auf dem er als Kind geklettert war, um daraus Eheringe anfertigen zu lassen. Die Trauung fand unter dem Baum statt, von dem der Ast stammte. Als i-Tüpfelchen fertigte Bergers Firma aus dem Ast dann gleich die passende Schatulle an. So gibt es einige weitere, bedeutungsvolle Geschichten, beispielsweise jene, bei der die Eheringe der Grosseltern eine Verbindung mit den Holzringen ihrer Enkel eingingen.

Was hobbymässig ohne Businessplan und Bankkredit startete, ist seit 2018 ein etabliertes Unternehmen. «Bentwood» findet auf Hochzeits- und Handwerkermessen Beachtung. Pro Jahr werden im Schnitt 150 Paar Ringe angefertigt. Da fragt man sich natürlich, wie sich Berger denn persönlich beringen werde, falls er einmal den Bund fürs Leben schliessen wolle? Da schmunzelt «der Herr der Ringe» und sagt: «Mit Holz – etwas anderes kommt doch gar nicht infrage.»

«Der Kunde war felsenfest davon überzeugt, dass Schreiner immer Lösungen finden und mit Holz Wunder vollbringen können.»

Beatrix Bächtold

Veröffentlichung: 21. April 2022 / Ausgabe 16/2022

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