Der Mann mit dem alten Werkzeug

Werner Zellweger (86)hat im Seniorenheim eine Ausstellung zum Thema Holzhandwerk eingerichtet. Bild: Caroline Schneider

Ausstellung.  Mit rund 10 000 alten Holzwerkzeugen verfügt der ehemalige Zimmermeister Werner Zellweger wohl schweizweit über die grösste Sammlung zum alten Holzhandwerk. Seine Objekte präsentiert er nun in einem Seniorenheim im appenzellischen Waldstatt.

Der 86-jährige Werner Zellweger steht vor dem Eingang des Seniorenheims Bad Säntisblick in Waldstatt AR. Er observiert aufmerksam den Besucherparkplatz. Sein Blick ist wach und klar, sein Handschlag bei der Begrüssung kräftig, und auf seinem Gesicht breitet sich ein offenes, herzliches Lachen aus. Leidenschaftlich präsentiert er seine über die Jahrzehnte gesammelten Werkzeuge, die früher in den verschiedenen Holzhandwerksberufen verwendet worden sind. Manch einer dieser Berufe ist mit der Industrialisierung verschwunden und in Vergessenheit geraten.

Ausstellung in der Holzhochburg

Rund 10 000 Werkzeuge hat Zellweger im Laufe der vergangenen 60 Jahre gesammelt. «Da kann der Ballenberg zusammenpacken», sagt er mit einem verschmitzten Lachen. Im Dachstock des Seniorenheims findet man auf 150 m2 historische Holztische, Werkbänke, Drechselbänke, handbetriebene Bandsägen und eine alte, geschmiedete Turmuhr von 1780. Darauf stehen, hängen und liegen geordnet Werkzeuge für Berufe, die in irgendeiner Form mit Holzverarbeitung in Verbindung stehen.

Angesichts der vielen Holzbetriebe und Sägereien war Waldstatt einst eine wahre Holzhochburg. Die Nachfrage nach den «Hölzigen» war damals gross. In den letzten 50 Jahren hat sich Waldstatt im neuzeitlichen Holzbau weiterentwickelt.

Identifikation mit dem Handwerk

Der gelernte Zimmermann hat jedem Beruf eine separate Ecke gewidmet. Und jede dieser «Berufsecken» hat er fein säuberlich ausgeschmückt mit ihren typischen Werkzeugen, Maschinen und alten Lehrbüchern. Vor der Zimmermann-Ecke bleibt er stehen und zeigt auf eine Breitaxt. «Damit haben wir früher Balken behauen und aus Rundholz Kantholz gemacht.»

Er geht weiter und macht halt vor dem Tüchelbohrer, den heutzutage wohl nur noch wenige Menschen kennen. Seine Hand fährt über das lange Holzrohr. «Mit diesem Werkzeug hat man früher Trinkwasserleitungen aus Nadelrundholz hergestellt.» Auf dem Rundgang verwendet Zellweger immer wieder die Bezeichnung «Wir Hölzigen». Seine Leidenschaft für das Holz und die hohe Identifikation mit seinem Handwerk sind beinahe greifbar.

Nach seiner Meisterprüfung hatte Zellweger die angehenden Zimmerleute an der Gewerbeschule in Herisau AR unterrichtet. «Ich habe über 600 Lernende ausgebildet», sagt er nicht ohne Stolz. Er mochte den Umgang mit den Jungen. «Die Interessierten habe ich besonders gefördert, indem ich ihnen zusätzliche Aufgaben auftrug.» Noch heute pflegt der Waldstätter Kontakt zu seinen ehemaligen Schützlingen.

Verzierungen als Stolz des Schreiners

Die Schreiner-Ecke umfasst gegen 600 Hobel in allen erdenklichen Variationen, die für die Roh- und Feinbearbeitung eingesetzt worden sind. Auf der Hobelbank liegen einige Handsägen, ein Beil, ein Meissel und verschiedene Bohrer.

«Der Schreiner hat ein gutes Formengefühl», sagt Zellweger und hält einen Stabhobel in die Luft. «Mit diesem wurden schöne Stabprofile angefertigt.» Er greift sich einen anderen Hobel mit Verschnörkelungen. «Das ist mein ältestes Stück. Es datiert aus dem Jahr 1788. Verzierungen waren der grösste Stolz des Schreiners. Bei manchen Werkzeugen findet man sogar Herzchen», sagt Zellweger und lacht.

Nach der Jahrhundertwende schritt die maschinelle Bearbeitung immer weiter voran, womit die klassischen Handhobel aus dem täglichen Gebrauch verdrängt worden sind.

Fast ausschliesslich Einzelanfertigungen

Die meisten Holzwerkzeuge sind aus Buchen- oder Eschenholz hergestellt worden. «Es sind alles Einzelanfertigungen.» Man findet die Werkzeuge des Schindelmachers, aber auch die Arbeiten des Wagners fehlen nicht in der Sammlung. Wagenräder, Schlitten und Skier sind ausgestellt. Daneben ein Tisch, übersät mit Hunderten von Bohrern. In der Ecke des Waldarbeiters findet man Wald-, Laub- und viele Handsägen in allen möglichen Sägezahnformen.

Auf einmal zeigt Zellweger auf die Fädlenmaschine, die nicht so ganz in die Holzverarbeitung gehört. Sie diente einzig und allein dem Zweck, einen Faden einzufädeln. Er dreht an deren Rad und sagt: «Der Computer ist ein ‹Dreck› gegen das, was diese Maschine kann.» Die mechanische Stickindustrie Appenzells ist nach dem Ersten Weltkrieg vor die Hunde gegangen, weil die Firma Saurer die automatische Stickmaschine erfunden hat.»

Wie ist der 86-Jährige zu diesen 10 000 Werkzeugen gekommen? Er zeigt sein offenes Lachen. «Ich bin mir vorgekommen wie ein Lumpensammler. Die Leute stellten mir Harasse, gefüllt mit Hobeln, vor die Tür. Einige waren von Würmern beinahe aufgefressen, andere waren voller Rost. Bei Hausräumungen habe ich die alten Werkzeuge vor der Mulde gerettet. Ich habe alles durchlesen, habe die Werkzeuge geputzt, geflickt, wieder instand gestellt und in einer Scheune gelagert.» Während andere Menschen Bücher lesen, liest Zellweger Werkzeuge. «Ich kann an einem Werkzeug erkennen, wie viele Flüche oder schöne Dinge über es gegangen sind.»

Zellweger zeigt auf ein Stemmeisen und liest die Details vor, die er darin erkennt. «Dieses Stück ist mit sehr viel Sorgfalt hergestellt worden. Der Werkzeugmacher hat eine gute Holzwahl getroffen. Es liegt einwandfrei in der Hand.» Er tippt auf eine Einkerbung. «Und an dieser Stelle musste er das Werkzeug flicken.» Hört man Zellweger zu, so taucht man richtig ein in die Geschichten aus alten Handwerkszeiten.

Zur Ausstellung

Die Ausstellung ist an jedem ersten Samstag im Monat von 13 bis 16 Uhr offen. Führungen sind auf Anfrage möglich bei Werner Zellweger unter der Telefonnummer 071 351 68 14 oder unter wernerzellweger[at]gmail[dot]com. Adresse: Seniorenheim Bad Säntisblick, Bad 30, 9104 Waldstatt.

www.badsaentisblick.ch

cs

Veröffentlichung: 23. Mai 2019 / Ausgabe 21/2019

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