Der Maori mit der Pferdekutsche

Te-Huia Hemopo (66) fährt in Klosters mit seinen Pferdekutschen Touristen aus. Der gelernte Schreiner kam vor knapp 40 Jahren aus Neuseeland in die Bündner Berge. Bild: Franco Brunner

Die Glöckchen-Klänge kommen näher. Irgendwie rufen sie ein wärmendes Gefühl hervor an diesem bitterkalten Dezembertag hier oben in der Bündner Region Prättigau etwas ausserhalb von Klosters. Dann stehen sie plötzlich da, die beiden grossen, schwarzen Pferde Franky und Victor. Die Glöckchen an ihren Zäumen verstummen nach und nach. «Hallo, ich bin Te-Huia, steig ein», sagt der freundliche Mann, der hinten auf der Kutsche die Zügel in seinen von Kälte und handwerklicher Arbeit fast schon ledern wirkenden Händen hält. «Lass uns eine kleine Ausfahrt machen.» Ein Vorschlag, den man nur allzu gerne annimmt. Denn erstens warten dicke, kuschelig-warme Decken auf der Kutsche. Und zweitens: Wann wird man wohl wieder die Chance erhalten, mit einem Schreiner aus Neuseeland auf einer von zwei niederländischen Friesenpferden gezogenen Kutsche durch die Bündner Bergwelt gefahren zu werden? Ja, Te-Huia Hemopo stammt aus Neuseeland. In einem kleinen Dorf in der Nähe von Wellington sei er aufgewachsen, erzählt er während der Fahrt. Nach der Schule habe er dort den Schreinerberuf erlernt, weil einer seiner Brüder Schreiner war und weil ihn das Handwerk fasziniert habe. Und dann, im Alter von 27 Jahren, habe es ihn in die Welt hinausgezogen.

«Ich wollte einfach mal ein bisschen herumreisen.» Aus diesem «Ein-bisschen-Herumreisen» sind mittlerweile 39 Jahre geworden. Den Grossteil davon hat er in Klosters verbracht. Hier hatte er die Möglichkeit, in einer Schreinerei zu arbeiten. Eigentlich habe er nur ein bisschen Geld verdienen und danach wieder weiterziehen wollen. Doch dann kam ihm sozusagen die Liebe in die Quere. Er lernte seine heutige Frau kennen und wurde in den Bündner Bergen sesshaft.

Bis zu seiner Pensionierung vor rund einem Jahr arbeitete er im Sommer in der gleichen Dorfschreinerei wie damals und fuhr in den Wintermonaten die Touristen mit den Pferdekutschen seiner Schwiegereltern. Heute tut er dies während des ganzen Jahres. Bezug zu Pferden habe er schon seit jeher, sagt Te-Huia, als er Franky und Victor vor einer kleinen Alphütte eine Pause gönnt und ihnen Heu aus dem selbst geschreinerten Holztrog gibt. «Als Junge habe ich in Neuseeland Wildpferde eingefangen», sagt er. Und ab und zu habe er seine Arbeit als Zeitungsverträger vor der Schule jeweils auch gleich auf dem Pferd erledigt, ergänzt er. Hier in Klosters vertrage er mit seinen Pferden keine Zeitung mehr, sondern kutschiere vornehmlich Skitouristen durch die Gegend. Und hin und wieder sässen auch prominente Fahrgäste bei ihm in der Kutsche, verrät Hemopo. «Ich habe auch schon Prinz Charles und Prinzessin Diana gefahren», erwähnt er fast schon ein wenig nebenbei. Das sei ganz nett gewesen. «Vor allem waren sie überrascht, dass ein Bündner Bergler so gut Englisch spricht», sagt er und lacht laut.

Wieder am Ausgangspunkt der kleinen Kutschenrundfahrt angekommen, verabschiedet sich Hemopo und erklärt, dass er jetzt nach Hause fahre und die beiden Pferde in den Stall bringe. Ja, sein Zuhause. Das sei es hier nach all diesen Jahren und mit seiner Frau, seinem Sohn und all den Freunden ohne Zweifel geworden. Und mittlerweile habe er sich auch daran gewöhnt, dass man in der Enge des Tales den Kopf nach oben richten müsse, um den Himmel zu sehen, und nicht einfach wie in den Weiten Neuseelands geradeaus an den Horizont blicken könne.

Sagt es, setzt nochmals zu einem herzhaften Lachen an und macht sich unter dem Glöckchengebimmel seiner Pferde auf den Heimweg.

«Als Junge habe ich in Neuseeland Wildpferde eingefangen.»

FB

Veröffentlichung: 15. Dezember 2016 / Ausgabe 50/2016

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