Der Meister und seine Werke

Bernhard Meister (37) kombiniert Metallbau und Holzhandwerk zu kunstvollen Unikaten. Bild: Beatrix Bächtold

Leute. Die besten Ideen finden im Schlaf zu Bernhard Meister. «Mich begeistern diese Eingebungen im Traum. Sie sind ein grossartiges Geschenk», sagt der Künstler. So sei ihm beispielsweise einmal eine mosaikartige Tischplatte aus dem Holz der Fassade eines alten Rinderstalls so richtig danebengegangen. «Vergroote», wie er es in seiner «Schlaatemer» Mundart nennt. 

Weil er es aber nicht übers Herz brachte, sie zu entsorgen, stand sie lange bei ihm in einer Ecke herum. Bis er eines Nachts im Traum die finale Bestimmung dieser Platte als Puzzleteil eines Salontischchens erkannte. Sofort machte er sich ans Werk. Er schweisste einen Rahmen, platzierte darauf die Platte und versah sie mit dem Label «Dä Meister häts gmacht». Auf ihr zeigen sich nun die Farben des Sonnenuntergangs in der Schaffhauser Region Klettgau. «Pure Ästhetik. Orange, Gelb in allen Schattierungen», sagt er. Eigentlich ist Meister gelernter Bauspengler. 2014 hängte er das Metall an den Nagel und wendete sich dem Holz zu. Seitdem hat er einige Hundert Objekte realisiert. Immer sind es Unikate für Menschen, die für das Besondere empfänglich sind. Schliesslich kann so ein spezieller Tisch von Meisters Hand gut und gerne so viel kosten wie ein Mittelklassewagen. Demzufolge besteht seine Kundschaft aus Liebhabern, die es sich bewusst leisten, für lokales Holz in unkonventioneller Form etwas zu investieren. Meisters Kunst kann man über seine Website bestellen. Meisterklasse ist es aber, wenn man den zu Holz gewordenen Eingebungen und ihrem Meister im Atelier in Schleitheim SH einen Besuch abstattet. Der Meister redet und philosophiert nämlich gerne über seine Kunst.

Der Arbeitsprozess bleibt jedoch sein Geheimnis. Wie er das Harz so nuancenreich mit Pigmenten einfärbt? Wie er es so makellos glatt mit Holz kombiniert? Der Künstler hüllt sich lächelnd in Schweigen. Eine Platte hat er gerade erst fertiggestellt. Protagonist ist der Wurzelstock einer uralten Eiche. Einst steckte dieser tief im Boden eines Waldes am Hügel des Schleitheimer Randen. Jetzt schlummert er in Scheiben gesägt in Epoxidharz. Mit einer Lampe leuchtet Meister die bleischwere Platte aus. «Sehen Sie ... Schwarz, Titan, Grau, Silber. Es schillert auch rot glänzend», flüstert er. Gleich daneben, auf einer Staffelei, die er übrigens auch selbst geschreinert hat, erkennt man auf einem grossen Bild die Milchstrasse. Also genau genommen ist es der Gürtel des Orions. Am unteren Bildrand ruht die Skyline des hiesigen Waldes, aus schwarzem Holz geschnitten. Er, der im Traum die besten Eingebungen für seine Arbeit findet, betrachtet das Bild lange und sagt dann: «Für mich gibt es nichts Schöneres, als in der Nacht den Kosmos zu betrachten. Da stellen sich unzählige Fragen. Schliesslich ist die Feinheit der Menschen auf der Erde nicht unbedeutsam. Dieses Bild ist Ausdruck meiner künstlerischen und menschlichen Reise. Sichtbarer Widerhall der Schritte auf dem Weg, den ich beschreite.»

Immer, wenn sich die Fassade gegenüber des Werkstattfensters im Abendlicht rötet, ist Meisters Stunde. Dann schnappt er sich einen Stuhl, geht nach draussen und geniesst in aller Ruhe das inspirierende Farbenspektakel des Sonnenuntergangs. Eingebung und Kreativität seien aber zwei Paar verschiedene Schuhe, sagt er und erklärt den Unterschied so: «Kreativität kann sich bei allen Menschen entwickeln, die sie suchen und daran arbeiten. Eingebung ist ein Geschenk, welches zart und eindrucksvoll zugleich im Schlaf zu einem findet.»

«Für mich gibt es nichts Schöneres, als in der Nacht den Kosmos zu betrachten. Da stellen sich unzählige Fragen.»

Beatrix Bächtold

Veröffentlichung: 18. Dezember 2023 / Ausgabe 50/2023

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