Der Mühlendoktor von Küttigen

Als Mühlendoktor kann Kurt Fasnacht (53) seine Ausbildungen zum Müller und zum Schreiner auf ideale Weise kombinieren. Bild: Christian Bärtschi

Das Leben ist Veränderung. Auf den gelernten Müller und Schreiner Kurt Fasnacht, der in Küttigen eine alte Mühle betreibt, trifft dieser Satz besonders zu. Der 53-Jährige mahlt und verkauft nicht nur diverse Mehlsorten, er ist vor allem als Mühlendoktor bekannt. In dieser Funktion setzt er historische Mühlen instand, die aufgegeben wurden oder wegen defekter Teile nicht mehr funktionieren. Vorwiegend stehen die «alten Damen», wie er sie liebevoll nennt, in der Schweiz. Kürzlich wurde er aber gar nach Rumänien gerufen, um eine alte Mühle in Gang zu bringen. Dank seiner Erfahrung fand Fasnacht die Ursache – ein festgefressenes Lager. Und so mahlt die rumänische Mühle nun wieder für eine Biobäckerei. Bei seiner Tätigkeit als Mühlendoktor profitiert Fasnacht einerseits von seiner Müllerlehre, welche er 1981 in Oberembrach abschloss. Andererseits dient ihm auch seine Schreinerlehre, die er 1993 beendete. Nach seiner Ausbildung zum Müller arbeitete er unter anderem in der heutigen Swissmill am Sihlquai. Mit 28 Jahren, nach mehreren Stellenwechseln, wollte sich Fasnacht beruflich neu orientieren. Da erinnerte er sich an seinen ersten Berufswunsch: Schreiner. Er fand eine Lehrstelle im Jugendheim Schenkung Dapples in Zürich, welche ihn in ein völlig neues Umfeld versetzte. «Neben meiner Lehre durfte ich auch die gestalterische Berufsmatura absolvieren», erinnert sich Fasnacht.

Und dann griff der Zufall ein: Seine Ex-Freundin suchte fürs Museum Mühlerama nach einem Müller, der Führungen für mehrfach Behinderte machen konnte. Der Schreinerlehrling sprang ein – und war als Müller und angehender Schreiner genau am richtigen Ort gelandet. Die Museumsleiterin erkannte das Potenzial des Handwerkers und wollte ihn fest anstellen. Was damals im Wochenendteam neben der Schreinerlehre seinen Anfang nahm, gipfelte kurz nach der Lehre in einer Festanstellung im Mühlerama.

«Meine Arbeit wurde geschätzt, ich hatte viele neue Aufgaben, aber auch Freiheiten; gleichzeitig war ich in den Museumsbetrieb und in ein tolles Team integriert», erklärt Fasnacht. An der vielseitigen Stelle als Museumsmüller und -pädagoge lernte er sehr viel, allerdings spürte er nach fast zwölf Jahren wieder den Wunsch nach Veränderung und machte sich als Mühlendoktor selbständig. Im Jahr 2004 ergriff er die Chance, als in Küttigen die Alte Mühle zum Verkauf stand. Er erwarb das Gebäude: ein idealer Standort für seine schweizweite Arbeit. Kurz darauf renovierte er die Scheune der Alten Mühle, die seit 2008 an den Elternverein Küttigen vermietet ist und richtete drei kleine Getreidemühlen sowie einen Laden ein. Gibt es andere Mühlendoktoren in der Schweiz? «Auf der mechanischen Seite gibt es einige Zimmerleute und Wagner, die sich aufs Herstellen von Wasserrädern verstehen. Doch im Innern der Mühle – vom Wassereinlauf über den Mahlgang bis zur Müllerausbildung – gibt es meines Wissens nur einen Mühlendoktor», sagt Fasnacht. Im Keller wartet bereits das nächste Projekt: eine alte Ölmühle aus Villnachern. Noch ruhen die Mühlsteine, doch der Mühlendoktor wird auch sie zum Rollen bringen. Dann sollen, nebst Mehlen, auch diverse Öle produziert werden.

Und weil Fasnacht nachhaltig denkt, plant er gemeinsam mit dem Verein Schweizerischer Mühlenfreunde (VSM) Kurse für Müller, die auf historischen Mühlen arbeiten möchten. So will er sicherstellen, dass das Wissen um die alten Mühlen nicht verloren geht.

«Im Innern der Mühle – vom Wassereinlauf bis zum Mehlkörnchen – gibt es meines Wissens nur einen Mühlendoktor.»

cb

Veröffentlichung: 30. Oktober 2014 / Ausgabe 43/2014

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