Der Putz ist ab


Farbig lasierte, geschlossene Holzfassade in Zürich-Wollishofen. Sie schafft Struktur, gliedert die Fläche und hinterlässt einen freundlichen Eindruck. Bild: Christian Härtel


Farbig lasierte, geschlossene Holzfassade in Zürich-Wollishofen. Sie schafft Struktur, gliedert die Fläche und hinterlässt einen freundlichen Eindruck. Bild: Christian Härtel
Holzfassaden. In urbanen Räumen wie in ländlichen Gebieten sieht man immer öfter Fassaden in Holz. Das hängt mit dem wachsenden Anteil des Holzbaus zusammen. Doch auch bei Umbauten und Sanierungen zieren am Ende oft Bretter die Fassaden anstelle von mineralischen Flächen.
Auf über anderthalb Millionen Quadratmeter Holzfassaden schaut Andreas Seiz, wenn er vor den Regalen steht, in denen von jeder Fassadenschalung ein Muster mit Nummer abgelegt ist. Denn fast für jedes Projekt werde eine individuelle Fassadenschalung gemacht. Jedes Gebäude habe in der Regel sein eigenes Profil, erklärt der Geschäftsführer der Hartwag Holz AG am Standort in Buchs ZH.
Über die Gesamtheit der Holzfassaden in der Schweiz gibt es keine offiziellen Statistiken. Doch klar scheint, dass sie in den letzten Jahren enorm zugelegt haben und die verputzten Fassaden immer öfter ersetzen. Wird nachträglich gedämmt, erhalten die Objekte nicht selten ein schönes Kleid aus Holz. Wer durchs Land reist, kann sich davon ein Bild machen. Sowohl in den urbanen Zentren als auch in ländlichen Regionen finden sich Beispiele.
Interessant dabei sind die unterschiedlichen architektonischen Ausdrucksweisen zwischen Stadt und Land. «Standard-Holzfassaden werden vor allem im Berggebiet und ländlichen Gebieten im Einfamilienhausbau und bei Umbauten eingesetzt. Individuelle Holzfassaden hingegen sind im Mehrfamilienhausbau und bei Überbauungen gefragt», sagt Hans Peter Schweizer, Bereichsleiter Hobelwaren bei der Olwo AG in Worb BE. Auch Schweizer bestätigt die deutlich gewachsene Bedeutung der Holzfassaden. So würden Lärchenschalungen und Rift- sowie Halbriftbretter aus Schweizer Tannenholz die nordische Ware in der ländlichen Region um das Zentrum Bern herum zunehmend verdrängen.
Grundsätzlich lassen sich Fassadenschalungen in Holz in offene und geschlossene sowie vertikal und horizontal ausgerichtete Varianten unterteilen. Die Möglichkeiten sind schier unbegrenzt, und man scheint diese auch zu nutzen. Unregelmässige Brettbreiten und verschiedene Stärken sorgen für ein strukturiertes, reliefartiges und asymmetrisches Fassadenbild. Und: Sägerohe Oberflächen überwiegen gegenüber den gehobelten Varianten. Darin sind sich beide Experten einig. Bei der Verlegung werde die vertikale Ausrichtung gegenüber der horizontalen Brettanbringung bevorzugt, sagt Schweizer.
Seiz betont vor allem die Bedeutung der richtigen Konstruktion und die Beachtung bauphysikalischer Gegebenheiten. Eine Fassadenschalung ist in der Regel hinterlüftet. Zwingend ist das beim Einsatz von Holz. «Die offene Schalung kann hier kritisch sein, denn die Kaminwirkung ist manchmal nur sehr gering, und damit funktioniert die Hinterlüftung nicht richtig», sagt Seiz. Die Folge: eine Auffeuchtung der Schalung während der kalten Jahreszeit. In die horizontale Konterlattung eindringendes Wasser führe zu stetiger Befeuchtung. Seiz ist deshalb ein Verfechter der geschlossenen Schalung, die mit guter Kaminwirkung Feuchtigkeit abtransportiert – und auch gegenüber einem Schlagregen unempfindlich ist – weil dicht. Da es immer weniger Vordächer und oft geringe Dachüberstände gebe, sei der Blick auf konstruktiven Holzschutz und bauphysikalische Gegebenheiten besonders wichtig.
Experte Seiz sieht die optischen Aspekte bei der Befestigung der Holzfassade durch Architekten und Bauherren oft überbewertet. «Architekten möchten gern und oft eine unsichtbare Befestigung, aber das geht meist nicht gut», sagt Seiz. Die Belastungen sind gross. Ein Brett nimmt Feuchtigkeit auf und gibt sie wieder ab. Es heizt sich in der sommerlichen Sonne auf und trotzt frühwinterlichem Frost-Tau-Wechsel. Wenn dieses Brett nicht richtig mittels kräftiger Schrauben, Nägel oder Schraubnägel fixiert ist, dann wirft es sich, egal welche Klammern es halten sollen. Deshalb sei die Befestigung mittels Klammern auf dem Rückzug. «Bei den Fassaden wird die sichtbare Verschraubung bevorzugt. Zwingend ist der Einsatz von geeigneten Schrauben, denn beim Einsatz von falschem Material kann es zum Bruch der Schrauben und zur Verfärbung des Holzes kommen», sagt Patrick Horrer, Leiter Verkauf Schweiz des österreichischen Befestigungsspezialisten Sihga. Bei den Projekten der Hartwag Holz AG seien es rund 90 Prozent aller Fassaden, die sichtbar befestigt würden, sagt Seiz. Die habe von den Terrassendecks profitieren können. Die Schrauben seien heute hochwertig aus A2- oder A4-Edelstahl, mit kleinen Köpfen und abgestimmter Gewindegeometrie. Die allermeisten Produkte am Markt würden funktionieren.
Schraubnägel sieht Seiz etwas kritischer. «Es gibt wenige schöne Fassaden mit Schraubnägeln, weil sie schwer zu setzen sind. Mal ist es zu viel Druck, dann wieder zu wenig, also macht man eher mehr, und dann gehen sie zu tief rein», sagt Seiz.
Bei der Frage nach der geeigneten Oberflächenbeschichtung für eine Holzfassade ist die Lage deutlich vielstimmiger als bei der Befestigung. Die Beschichtung fängt mit der Konstruktion an. Jede Fassade sollte so konstruiert sein, dass sie möglichst wartungsarm ist. Denn Wartungsarbeiten sind aufwendig und teuer. Zu den herausragenden Eigenschaften von Holz gehört, dass es sich wieder in den natürlichen Stoffkreislauf eingliedert. «Was wir machen müssen, ist, die Phase des Vergehens möglichst hinauszuzögern», sagt Seiz. Wenn man die Holzfassade richtig konstruiert, dann sollte sie zwei Nutzungszyklen halten, also insgesamt 60 Jahre. So sieht es zumindest der Chef der Hartwag Holz AG. Nach 30 Jahren müsse eine substanzielle Ertüchtigung erfolgen und dazwischen eine Überarbeitung der Oberfläche. Der gängigen Lehrmeinung entspräche dies aber nicht unbedingt. Die sieht eher kürzere Wartungsintervalle vor, doch in der Praxis werde dies nicht gemacht.
Auch werde grundsätzlich bei der Oberflächenbeschichtung zu viel versprochen. Die Chance sei gross, dass die Lebensdauer durch eine Beschichtung verringert wird, anstatt sie zu erhöhen, sagt Seiz. Diese Erkenntnis speist sich aus seiner langen Erfahrung. Denn die Sorgfalt in der Planung lasse durch die Konzentration auf die Beschichtung nach. «Man müsste eigentlich so planen, dass es auch ohne Anstrich funktioniert. Dann ist man auf der sicheren Seite», zeigt sich Seiz überzeugt.
Neben dem Verzicht auf eine Beschichtung, wie es etwa bei Lärche oft gemacht wird, gibt es drei gängige Grundsysteme der Oberflächenbeschichtung: das Vorvergrauen, das Lasieren und der deckende Anstrich.
Für welche Beschichtung man sich auch immer entscheiden möge, ein ganz wichtiger Punkt sei dabei, dass der sd-Wert des Produktes gering sein sollte. Dieser beschreibt den Widerstand gegenüber der Wasserdampfdiffusion. Je geringer der Wert, desto besser kann das Holz atmen. «Wenn das Wasser nach einer Befeuchtung nicht raus kann, platzt entweder die Beschichtung auf, oder es beginnt, darunter zu faulen», sagt Seiz. Damit die Aufnahme von Wasser gebremst werden kann, sollte man die Täfer und Bretter auf allen Seiten beschichten. Nicht selten werde nur die Sichtseite behandelt.
«Bei der Oberflächenbehandlung hält der Trend zum Einsatz von Verwitterungslasuren und Vorvergrauungen an», sagt Schweizer. Die Vorvergrauung sei im Grunde eine graue Lasur, die den Alterungsprozess vorwegnehme. Das sei aber nur die ersten Jahre so, danach bekomme das Holz die Farbe, die es auch natürlicherweise bekommen würde, erklärt Seiz.
Wichtig sei, dass man die Umstände vor Ort richtig einschätzt. Neben der Objektlage und seiner Ausrichtung sei vor allem auch der gewünschte gestalterische Ausdruck und der Farbton für die Wahl der Farbe wichtig. Während bei Objekten mit Vordach nach wie vor lasierende Anstriche weitverbreitet seien, würden vorab in urbanen Gebieten mit grossen Gebäuden ohne oder mit nur kleinen Vordächern deckende Farbsysteme auf sägerohem oder strukturgehobeltem Untergrund gewählt. Bei deckenden Farbsystemen sei das Wartungsintervall durch die grössere Schichtstärke markant länger als bei herkömmlichen Lasuren. Der Gebäudeunterhalt sei gerade bei grossen Objekten ein wichtiges Thema, so Seiz. Holz in der Fassade sei gerade deshalb eine Alternative zu den verputzten Fassaden geworden, weil die Dauerhaftigkeit der Anstriche deutlich besser geworden sei, ist sich Seiz sicher.
Veröffentlichung: 13. November 2025 / Ausgabe 46/2025
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