Ein neues Kapitel in Schönenbuch


Die für die Zeit um 1300 ungewöhnlich hohen Räume und die verzierten Balken zeugen von der hohen gesellschaftlichen Stellung des Erbauers. Bild: Regine Giesecke
Die für die Zeit um 1300 ungewöhnlich hohen Räume und die verzierten Balken zeugen von der hohen gesellschaftlichen Stellung des Erbauers. Bild: Regine Giesecke
Historisch. Eine etwas vernachlässigte Liegenschaft entpuppt sich als baugeschichtliches Juwel aus dem Jahr 1316. Die Teamarbeit vieler Fachleute, das Engagement der Bauherrschaft und viel Geduld und Flexibilität schenkten dem uralten Holzhaus bei Ibach SZ ein neues Leben.
«Oha, das könnte sehr alt sein!», entfuhr es dem Architekten bei der ersten Besichtigung. Und das Interesse des Historikers Christoph Bühlmann war geweckt. Denn eigentlich hat ihm das Haus Schönenbuch nie wirklich gefallen. Die Liegenschaft im Weiler Oberschönenbuch oberhalb Ibach SZ ist das Elternhaus seiner Ehefrau Miriam. Sechs Generationen der Familie sind hier aufgewachsen und heimisch gewesen. Doch nachdem Christoph Bühlmanns Schwiegereltern in eine Alterswohnung gezogen waren, stellte sich die Frage «Wie weiter mit dem Haus?»
Das nicht gerade einladende Gebäude mit der aufgeklebten Fassade aus Pseudoklinker, den kleinen Fenstern, den vom Rauch geschwärzten Kammern und den in die Jahre gekommenen Sanitär- und Elektroinstallationen war kein Bräutigam, dem man spontan das Ja-Wort gibt. «Wir wohnten damals in Affoltern am Albis», sagt Bühlmann. Er ist im Bildungsbereich mit eigenem Beratungsunternehmen tätig. Die beiden Kinder sind erwachsen. Auf Anraten des Architekten liessen sie eine Holzprobe entnehmen. «Überraschenderweise roch es sofort nach frischem Holz», sagt Bühlmann. Die Probe ging zur Altersbestimmung mittels Radiokarbonmethode in ein Westschweizer Labor. Und siehe da: Demnach wurde das Holz im Spätherbst 1316 geschlagen und im Frühjahr 1317 verbaut. Die Stämme waren damals schon gut 150-jährig, und die Bäume sprossen Mitte des 12. Jahrhunderts.
«Das Haus stand noch nicht unter Schutz», berichtet Bühlmann. Es war aber registriert und auf das Jahr 1830 datiert. Die Liegenschaft stammt aber vielmehr aus der Gründerzeit der Eidgenossenschaft, wovon es auf dem Gebiet der Gemeinde Schwyz – wozu auch Ibach gehört – noch sehr viele gibt (siehe Kasten Seite 11). Charakteristisch ist die Bauweise als Blockbau, wobei die dicken Bohlen der Böden/Decken bis in die Fassade reichen. Seit der Renovation sind sie nun an der ursprünglichen Fassade wieder von aussen sichtbar. Das Haus Schönenbuch ist kein gewöhnliches Gebäude. Seine Masse und auch die Deckenhöhe waren für die damaligen Verhältnisse sehr gross. Historiker Bühlmann hat dazu geforscht und fand in den Quellen einen Conrad Schönenbucher, der um das Jahr 1300 lebte. Er könnte der Bauherr gewesen sein, das lässt sich aber nicht beweisen, da die Schriftlichkeit damals sehr spärlich war. «Das Haus liegt an der Weggabelung Richtung Schwyz, Muotathal und nach Sisikon, über den Gotthard nach Norditalien. Es muss ein repräsentativer Bau gewesen sein, und der Bauherr musste aus der politischen Führungsschicht stammen.» Nicht nur der Kern ist sehr alt. Der erste Anbau, in dem sich heute die Küche befindet, stammt aus der Zeit um 1500.
Fünf Jahre dauerte es von den ersten Ideen bis zum Bezug am 22. Juni 2022. Das mag lang erscheinen, und doch ist es angesichts des Alters des Hauses von mehr als 700 Jahren eine kurze Zeit. «Wir sind Schritt für Schritt vorgegangen», sagt Bühlmann, denn es galt, auch viel «Verbasteltes» aus der jüngeren Baugeschichte sorgsam zu entfernen. Nebst der verklebten Fassade war auch die mehrfache Übermalung der geschnitzten Deckenbalken und Bohlen eine besondere Herausforderung. Auch hat sich über die Zeit im Gebäude vieles angesammelt. «Wir haben vier grosse Container voller Material entsorgt», berichtet Bühlmann. Einiges habe man noch auf Ricardo verkaufen können. «Eine Bandsäge aus Gusseisen hat ein Käufer aus dem Elsass in seinem kleinen Renault in mehreren Fuhren abtransportiert.» Eine Hobelbank aus dem Fundus des Grossvaters hat ein Abwaschbecken und damit in der neuen Kaffeeküche ein weiteres Leben bekommen – gleich neben dem Kombiherd, der ebenfalls erhalten blieb.
Das Projekt sei doch sehr anspruchsvoll gewesen, auch finanziell, räumt Bühlmann ein. «Die erste Bank hat abgewunken, die zweite zögerte, weil das Bauprojekt recht ungewohnt war, und die dritte war dann bereit, mitzufinanzieren.» Weil die Liegenschaft mittlerweile von regionaler und nationaler Bedeutung war, gab es auch finanzielle Subventionen von Kanton und Bund. Die Zusammenarbeit mit der Denkmalpflegerin Monika Twerenbold bezeichnet Bühlmann als sehr gut. «Wir hatten aber auch eine sehr gute Bauleitung.» «Nein, es gab in der ganzen Zeit keine wirklich grosse Krise», fährt er fort. Man habe beispielsweise keinen Asbest gefunden, allerdings mussten rund 40 Kubikmeter mit Öl belastetes Erdgut ausgebaggert werden. Dieses fand sich im Bereich einer einstigen Garage respektive Werkstatt. «Als es um die Entsorgung ging, habe ich zunächst doch leer geschluckt. Denn wir mussten den Aushub ausserhalb der Schweiz fachmännisch entsorgen», sagt Bühlmann – was teuer zu stehen kam.
Es war ein grosses Projekt mit vielen Fachleuten aus Architektur, Bauleitung, Denkmalpflege, Bauarchäologie und Handwerk. Rund zwei Dutzend Handwerkerinnen und Handwerker aus der Region waren beteiligt. Christoph Stierli als Projektleiter und René Schuler als Bauleiter, beide von der Firma BSS Architekten aus Schwyz, blicken positiv zurück. «Am Anfang mussten Sondierungen gemacht werden, um den Kernbau zu beurteilen und in Zusammenarbeit mit der Bauherrschaft, der Denkmalpflege Bauforscherin Ulrike Gollnick von BAB Gollnick zu planen. Im Bauverlauf wurden laufend Projektanpassungen gemacht. Der alte Blockbau war in einem sehr guten Zustand und wurde weitgehend erhalten», sagt Stierli. Und Bauleiter Schuler zählt aus Sicht des Holzbaus folgende Besonderheiten auf, die das Projekt auszeichneten:
Das «neue» Haus von 1316 stellt eine gelungene Kombination aus Werterhaltung und Erneuerung dar. Das bestätigen die Fachleute Stierli und Schuler. Sie sagen: «Die positive Resonanz in der Öffentlichkeit war nur möglich dank einer Bauherrschaft, die in allen Projektphasen grosses Interesse zeigte und viel Flexibilität bewies.»
Wie Alt und Neu zusammenspielen, zeigt sich etwa im Treppenhaus, das sich im Bereich der früheren, offenen Rauchküche befindet. «Wir haben die Wände bewusst russgeschwärzt gelassen», sagt Bühlmann. Und wer gut hinschaut, entdeckt in die Wände eingeschlagene Holzpflöcke, sogenannte Geisterbanndübel. Damit versuchten die früheren Bewohner, böse Geister zu bannen und Krankheiten und andere Übel von Haus und Hof fernzuhalten. Sogenannte «Verpflöckungen» finden sich noch bis ins 20. Jahrhundert und zeugen vom animistischen Geisterglauben, der trotz Christentum weit verbreitet war. Böse Geister spürt Christoph Bühlmann nun im dritten Jahr nach Bezug weiterhin keine. Seine anfängliche Skepsis ist einer Begeisterung gewichen. «Das Haus hat eine sanfte Atmosphäre», sagt er und schwärmt vom ersten Erwachen bei Kuhglockenklang und dem Duft von frischem Heu. «Das Projekt erfüllt uns mit Stolz.»
Für ihr Projekt erhielten Christoph und Miriam Bühlmann 2024 den Preis «Roter Nagel» des Architekturforums Schwyz. Sie sind die ersten Preisträger. Zur Preisverleihung heisst es: «Sie haben die faszinierende Geschichte des Hauses wieder erlebbar gemacht.» Preiswürdigkeit ergibt sich bei solch komplexen Projekten nicht von selbst. Es setzt auch seitens der Bauherrschaft viel Engagement voraus. Projektleiter Stierli und Bauleiter Schuler sagen: «Wir empfehlen, frühzeitig eine Fachperson zur Beurteilung der Machbarkeit beizuziehen. Die Bauherrschaft muss bereit sein, Kompromisse einzugehen. Es kann nicht immer alles umgesetzt werden in einem Altbau.» Während der Bauphasen komme es immer wieder zu Veränderungen. Bezüglich der Kosten sei eine klare Priorisierung der Teilprojekte über den Zeitverlauf hinweg nötig. «Es ist wichtig, zu wissen, wo und in welchem Umfang Abstriche gemacht werden können, falls das Projekt aufgrund unbekannter Faktoren in Schieflage gerät», sagen die beiden Fachleute. Im Falle des Hauses von 1316 ist nun offensichtlich vieles aufgegangen. «Es ist ein gelungenes Bauprojekt mit einer guten Mischung aus Alt und Neu», sagt Christoph Stierli.
Das Resultat gefällt auch den beteiligten Handwerkerinnen und Handwerkern. «An der Aufrichte brachten wir sie fast nicht mehr aus dem Haus», sagt Christoph Bühlmann.
www.1316.chwww.bss-architekten.chwww.reginegiesecke.ch
IG setzt sich für alte Blockbauten ein
Der Talkessel der Gemeinde Schwyz ist Heimat der ältesten Holzhäuser in Europa. Das Nideröst-Haus, dessen Kern aus dem Jahr 1170 stammte, galt sogar als ältestes überhaupt. Trotz Wider- stand hob die Schwyzer Kantonsregierung nach langem Verfahren den Schutzstatus auf, und das Haus wurde 2001 zurückgebaut. Es war seit 1980 unbewohnt. Der älteste Teil des Hauses steht seit gut zehn Jahren als Rekonstruktion beim Infozentrum zur Schlacht am Morgarten. Als ältestes Haus der Schweiz gilt nun das Haus Bethlehem in Schwyz aus dem Jahr 1287. In der gleichen Liga spielen auch die Liegenschaft Oberschönenbuch und weitere Häuser, die teilweise aus der Gründungszeit der Eidgenossenschaft datieren. Um die Öffentlichkeit und auch die Eigentümer für die Bedeutung dieses kulturellen Schatzes zu sensibilisieren, hat Christoph Bühlmann gemeinsam mit anderen die Interessengemeinschaft (IG) historischer Blockbauten im Kanton Schwyz gegründet. Die IG führt auch Veranstaltungen, etwa Haus- und Baustellenbesichtigungen sowie Fachreferate, durch.
www.ig-hbsz.chVeröffentlichung: 21. August 2025 / Ausgabe 34/2025
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