Im Zickzack zum Ziel


Die ungewohnt 45 Grad angewinkelten Küchenschränke brechen die geradlinige Form der Kücheninsel. Nützlicher Nebeneffekt: Die Geräte bleiben vom Wohnzimmer aus unsichtbar. Bild: 3A Schreinerei AG
Die ungewohnt 45 Grad angewinkelten Küchenschränke brechen die geradlinige Form der Kücheninsel. Nützlicher Nebeneffekt: Die Geräte bleiben vom Wohnzimmer aus unsichtbar. Bild: 3A Schreinerei AG
Umbau. Eine in die Jahre gekommene Wohnung am Bielersee erstrahlt dank einer Renovation in neuem Glanz. Besonderes Highlight dabei: Einbauschränke, die in einer ungewöhnlichen Anordnung geplant, gebaut und montiert wurden.
Das Zuhause ist weit mehr als nur ein Ort zum Schlafen – es ist Rückzugsort, Lebensmittelpunkt und Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. In seinen vier Wänden findet man Geborgenheit, gestaltet Erinnerungen und lebt den Alltag. Doch so wie sich Lebensumstände, Bedürfnisse und Geschmäcker im Laufe der Zeit verändern, wandelt sich auch die Vorstellung davon, wie das ideale Zuhause aussehen soll. Oft führt dieser Wandel zu einem natürlichen Wunsch nach Veränderung. Hier beginnt der Umbau der Wohnung. Sei dies aus praktischen Gründen, zur Steigerung des Wohnkomforts oder zur besseren Raumnutzung: Ein Umbau bietet die Chance, das Zuhause neu zu denken und es den aktuellen Lebensumständen anzupassen.
Ein Ehepaar aus der Region Biel hatte wegen familiärer Veränderungen den Wunsch nach einem neuen Zuhause. Schliesslich fanden sie am Bielersee ein passendes Objekt. Ausschlaggebend sei die Sicht auf den See gewesen. «Als wir die Wohnung kauften, bestand sie aus fünf kleinen Zimmern, bei der man aber nur vom Wohnzimmer aus auf den See sah. Die Küche wie auch der Eingangsbereich waren ein kleiner Schlauch, man fühlte sich richtig eingeengt», sagt die Ehefrau. Konzeptlos und eng sei die Wohnung gewesen. «Weil unsere Kinder nicht mehr bei uns wohnen, war es uns ein Bedürfnis, die Wohnung zu öffnen und eine loftähnliche Situation zu schaffen.» Es sollte eigentlich kein Raum in sich abgeschlossen, sondern alles durchlässig und offen sein. Die Vorgaben waren auch, möglichst die Seesicht zu nutzen und die in die Jahre gekommene, enge Wohnung mit Licht zu durchfluten und zu modernisieren. «Weiter haben wir vorgegeben, dass die Innengestaltung in Grau und Schwarz umgesetzt wird.»
Für den Umbau war Harry E. Egger, Architekt und Inhaber der 115West° Architekten GmbH in Biel, zuständig. Sein Vorschlag war es, die Wand zwischen Küche und Wohnzimmer zu entfernen. Dadurch liess sich die gewünschte Raumgrösse und gleichzeitig der Seeblick von der Küche aus realisieren. Aus-serdem hatte er die Idee, die Wand zwischen Küche und Eingangsbereich zu entfernen und durch einen besonderen Zickzack-Schrank zu ersetzen. «Das hat den Vorteil, dass der Raum nun ganz anders wirkt. Vom Wohnzimmer aus sehen wir so keine Küchengeräte und im Eingangsbereich nicht einfach eine gerade Schrankwand», sagt Meier. Zudem fügen sich die Schränke damit harmonisch in die Struktur des Fischgratparketts ein.
Geplant und realisiert hat den Schrank mit dem besonderen Design die 3A Schreinerei AG in Aegerten BE. Weil beim Umbau die Mauer zwischen Küche und Eingangsbereich wegfiel, musste ein solider H-Träger eingesetzt werden. «Da zum Zeitpunkt der Schrankproduktion aber noch nicht klar war, wie weit der Träger mit der Brandschutzverkleidung von oben in den Raum ragt, waren wir zuerst unschlüssig, ob die Schränke vorgängig mit einem Ausschnitt produziert oder erst vor Ort ausgeschnitten werden sollten», sagt Sandro Rutschi, stellvertretender Geschäftsführer und Projektleiter der Schreinerei. Er war für die technische Umsetzung verantwortlich. Schliesslich habe man sich entschieden, die Schränke normal herzustellen und später vor Ort an die gegebene Situation anzupassen. «Wir wollten natürlich garantieren, dass in den Schränken möglichst viel Platz genützt werden kann.» Wo früher also eine Wand stand, übernimmt nun der doppelseitige Zickzack-Schrank die Funktion eines Raumtrenners. Während die 600 mm breiten Schrankelemente auf der Küchenseite nebst Staumöglichkeit auch die Küchengeräte wie Kühlschrank, Backofen und Weinkühler aufnehmen, bestehen die Elemente auf der gegenüberliegenden Seite teils aus offenen, beleuchteten Nischen, wo Bilder adäquat präsentiert werden. Sämtliche Fronten sind grifflos und lassen sich per «Tip-On» öffnen. Die einzelnen Elemente verschraubte der Monteur jeweils seitlich durch eine schmale Überlappung der Schrankseiten. Wegen der Zickzack-Anordnung stehen die Schränke bis zur Hälfte scheinbar schwebend über dem Sockel. Damit diese genügend stabilisiert sind, wurde eine entsprechend geformte Sockelplatte aus 30 mm starkem MDF gefräst und zuerst auf dem Sockel montiert. Im Deckenbereich fixierte der Monteur die Schränke mit einer ebenfalls passenden Verbindungsplatte in Form einer Zickzack-Schlange. Sie hat die exakten Masse der Schrankzwischenräume, damit sich die Module stabil miteinander verbinden liessen.
Herausfordernd sei auch die Säulenverkleidung zum Wohnraum hin gewesen, wo sich der H-Träger abstützt. «Der Architekt wollte, dass die Verlängerungslinie des Spitzes der Hochschränke auf gleicher Linie wie die der Verkleidung verläuft», erklärt Sandro Rutschi. Deshalb wurde die Verkleidung geplant, aber noch nicht produziert, sondern nach der Montage der Schränke auf dem Boden aufgezeichnet und folglich hergestellt. Dabei musste die Verkleidung auf Gehrung sein, was Auswirkungen auf den Produktionsprozess hatte. «Zwei, drei Gehrungsteile konnten wir in der Werkstatt verleimen und lackieren. Eine Gehrung pro Seite mussten wir zwangsläufig vor Ort verleimen, weil man sonst nicht mehr um den Mauerzapfen hätte einfädeln können», sagt Samuel Rutschi. Als Erstes wurde ein Rost auf der Mauer montiert und daran die halb offene Verkleidung aufgeklebt. Anschliessend mit den erforderlichen Teilen ergänzt, behalf sich der Monteur beim Kleben der Gehrungen eines Klebbandes. Die Seite hin zum Schrank verschraubte er. «Am Ende hat dann alles gut geklappt, es hätte aber auch anders kommen können», sagt Rutschi. Folglich ist die Säulenverkleidung nicht mehr demontabel, jedoch lassen sich die Stromanschlüsse der Geräte und Steckdosen über demontable Rückwände in den Schränken erreichen.
Ein Blick in die Küche lässt sie nicht direkt als solche erscheinen, denn die Kücheninsel steht schlicht als schwarzer Kubus im Raum. Die Korpusse aus Spanplatte mit schwarzem Dekor wurden mit Fronten aus stumpfmatt lackiertem Compact Density Fibreboard (CDF) kombiniert. Eine Granitabdeckung «Nero Assoluto» komplettiert das Möbel. Auf der dem Wohnzimmer zugewandten Seite gibt es zwei Nischen. Sie sollten sich auf Architektenwunsch hin möglichst filigran und mit durchgehenden Linien präsentieren. Darunter befinden sich zwei 1200 mm breite, geräumige Schubladen. Angesichts der Breite der Schubladen sei es wichtig gewesen, dass sie weder bei der Stabilität noch bei den Laufeigenschaften Schwächen zeigen.
Auch sonst wirkt die Küche aufgeräumt, auf einen Oberbau wurde bewusst verzichtet, dafür schwebt ein schlichtes, beleuchtetes Tablar an der Wand. Dazu spitzte der Maurer zuerst exakte Ausschnitte im Backstein heraus, damit anschliessend die Konsolen mittels Injektionstechnik befestigt werden konnten. Wegen des hohen Gewichts des knapp 40 mm dicken und 2500 mm langen CDF-Tablars wurden die Konsolen extra angefertigt. Sie stellen sicher, dass das Tablar weder durchhängt noch nach vorne kippt. Nach der Montage der Spezialkonsolen mörtelte der Gipser diese zusammen mit der Elektrozuleitung ein und verputzte die Wand. Da kein grosser Spielraum für die Tablarmontage war, musste hierbei exakt gearbeitet und kontrolliert werden. Im darunter liegenden Korpus befinden sich unter anderem Waschbecken und Kochfeld, in dem auch die Abluft untergebracht wurde.
Nebst der Küche und den Zickzack-Schränken fertigte die 3A Schreinerei AG auch die Badezimmermöbel aus massiver Eiche und die Schiebetürschränke im Schlafzimmer an. Der Clou hierbei: Hinter ihnen versteckt sich ein Durchgang zum Ankleideraum, der bei zugezogenen Türen nicht ersichtlich ist. Im Zuge des Umbaus wurde ein Durchbruch in der Wand geschaffen, sodass die zwei Räume nun praktisch miteinander verbunden sind. Die Schiebetürschränke wurden im gleichen Farbton wie die Wände gespritzt und schmiegen sich dadurch harmonisch in den Raum ein. Die 3A Schreinerei AG sei angenehm überrascht worden, dass die vom Ehepaar gewünschte, für die Schreinerei vorher unbekannte Spezialfarbe – einem ungewöhnlichen Corbusier-Grauton – ein solch gutes Oberflächenergebnis zeigte. «Man sieht kaum, was Wand und was Schrank ist, weil die Beschaffenheit an beiden Materialien dieselbe ist», sagt die Ehefrau. Dies sei auch das Ziel des Architekten gewesen, die Schränke mit derselben Mattigkeit und Oberflächenbeschaffenheit wie die Wand zu versehen.
Die Bauherrin blickt positiv auf den dreimonatigen Umbau vom letzten Jahr zurück. Dank einer guten Planung und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Gewerken habe es weder unerwartete Probleme noch Verzögerungen gegeben, auch die Gesamtkosten von rund 460 000 Franken blieben im budgetierten Rahmen. «Den Umbau mit allen beteiligten Akteuren verlief professionell. Wir haben ihn als sehr strukturiert und angenehm empfunden.»
Veröffentlichung: 29. Mai 2025 / Ausgabe 22/2025
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