Der Schreiner hängt sich mächtig rein

Sandro Scheibler (20) schwingt sich dank selbst geschreinertem Trainingsparadies von Erfolg zu Erfolg. Bild: Beatrix Bächtold

In der Scheune seiner Familie, am Sonnenhang der Gemeinde Oftringen AG, hat sich Ninja-Athlet Sandro Scheibler in jahrelanger Kleinarbeit ein privates Trainingsparadies eingerichtet. Dass er dadurch so oft trainieren kann, wie er möchte, ist ideal für ihn. Und so erreichte er vergangenen Oktober den dritten Platz bei Ninja Warrior Switzerland, der Schweizer Version des härtesten Hindernisparcours der Welt. Im Schnitt 200 000 Menschen verfolgen am Bildschirm das Spektakel des Senders TV24. Scheiblers Familie unterstützte den Athleten sogar live im Zürcher Hallenstadion. «Dass ich mir beim Wettkampf den Kopf anschlug und eine riesige Beule einfing, bemerkte ich im Eifer des Gefechts erstmal gar nicht gross», berichtet er und bekräftigt dann, dass inzwischen alles bestens verheilt ist. «Holz anfassen!», sagt der Schreiner und lacht. Doch zurück zum Heustock. Hier sind zwei ungefähr sechs Meter lange Holzbanken das zentrale Trainingselement. An ihnen befestigte Scheibler Ringe, Seile, Haken, einen Autopneu und sonst noch allerlei undefinierbare Gerätschaften. «Mit ihnen trainiere ich die Griffkraft, denn die ist für einen Ninja-Athleten matchentscheidend», sagt er. Schaut man sich um, so entdeckt man in der Halle noch andere sportliche «Foltergeräte» wie beispielsweise die selbst geschreinerte Himmelsleiter. Bei diesem Klassiker aller Ninja-Warrior- Hindernisse, klammert man sich an eine Stange und hüpft mit dieser Sprosse für Sprosse nach oben. Um der Erdanziehungskraft auf diese Weise ein Schnippchen zu schlagen, braucht es Muskeln, moderates Kampfgewicht, eiserne Griffkraft und mentale Stärke.

Elementar ist auch die Stabilität des Trainingsgeräts, denn Scheibler bringt immerhin 80 Kilo auf die Waage. «Wenn ich durch die Luft wirble, wirken da schnell mehrere hundert Kilo Belastung. Das Holz und die Verbindungen müssen das aushalten. Beim Bau ist das die grösste Herausforderung. Am Anfang unterschätzte ich das total», sagt er. Und für den Fall, dass die Erdanziehung das Kräftemessen gewinnt, liegen auf dem Boden der Scheune dicke Matratzen. «Cool, dass meine Eltern mir diesen Platz zur Verfügung stellten. Und obercool, dass ich mir die Trainingsgeräte selbst bauen kann.» Scheibler machte ursprünglich Parkour, wo es darum geht, alle Hindernisse zu überwinden, die sich einem auf einer Strecke in den Weg stellen. Eine gute Voraussetzung für den Ninja-Sport. Joel Eggimann, von Beruf Zimmermann und für Scheibler einer der besten Parkour-Athleten der Schweiz, hat ihm geholfen, die Scheune auszubauen. Es sei gut möglich, dass für ihn als 14-Jährigen dieser Erstkontakt mit den kreativen Möglichkeiten des Materials Holz der Grund gewesen sei, um Schreiner zu lernen. Jedenfalls zog er gleich zu Beginn der Lehre im ehemaligen Heustock einen Riemenboden aus Fichte ein und türmte zu Trainingszwecken Holzpaletten aufeinander. Die meisten der Trainingsgeräte sind Marke Eigenbau. Er sagt: «Mein nächstes Ziel ist ein Hängelabyrinth. Da geht es wieder ans Tüfteln und Konstruieren. Aber das macht mir als Schreiner ja gerade so viel Freude.»

Sobald die neuen Geräte fertig sind, werden die Kollegen der Szene, die regelmässig hier trainieren, sie austesten. «Man motiviert sich und liefert sich kleine Wettkämpfe. Das treibt mich mega an», sagt Scheibler. Seit 2012 gehört er zum Pro-Team der Gruppe Free-Z, Parkour und Freerunning, seit 2017 auch als Trainer. Er sagt: «Viele meiner Sportskollegen sind auch gelernte Schreiner. Da kann man sich ja vorstellen, dass hier oben nicht nur sportlich gefachsimpelt wird.»

«Da geht es wieder ans Tüfteln und Konstruieren. Aber das macht mir als Schreiner ja gerade so viel Freude.»

beb

Veröffentlichung: 28. Mai 2020 / Ausgabe 22/2020

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