Der Schreiner mit Musik im Blut

Rolf Lehmann (43) arbeitet als CNC-Maschinist in Zollbrück. In seiner Freizeit stellt er Schwyzerörgeli her. Bild: Christian Bärtschi

Bei Rolf Lehmann sind Hobby und Beruf buchstäblich nur eine Treppe voneinander entfernt. Als CNC-Maschinist bei der Schreinerei Rothenbühler AG im bernischen Zollbrück produziert er hauptsächlich Türen und Schränke. Oft steigt er nach Feierabend an seinem Arbeitsort einfach eine Treppe höher, und schon steht er in seiner Örgelibauer-Werkstatt. «Ich bin dankbar, dass ich hier von meinem Arbeitgeber die Chance erhalte, meine Örgeli herzustellen. So kann ich direkt nach der ‹Büez› noch ein Stündchen an einem Instrument arbeiten», sagt Lehmann. Spezialisiert ist der Schreiner, der einige Jahre auch als angestellter Örgelibauer tätig war, auf Intarsien für Schwyzerörgeli. Die Örgelibau-Firma, in der er früher tätig war, existiert nicht mehr. Doch Lehmann konnte die bestehenden Maschinen und Einrichtungen übernehmen. Auch die Intarsien oder Muster, die er aus sehr kleinen Holzstückchen Schicht für Schicht zusammenstellt, durfte er von einem Intarsienmacher übernehmen, der in Pension ging. Die naturfarbenen Teile der Holzmosaike bestehen meistens aus Kirschbaum, die eingefärbten Teile – zum Beispiel für Blumenmotive – aus verschiedenen Holzsorten. «Mich freut es, dass ich als einer von ganz wenigen die aufwendigen Einlegearbeiten für Örgeli noch in dieser Form von Hand anfertigen kann. Es ist schön, dieses Wissen so erhalten zu können», sagt Lehmann. Die von ihm hergestellten Intarsien verkauft der geduldige Handwerker auch an Dritte. Er ist zudem ein beliebter «Schwyzerörgeli-Doktor», der so manches alte Instrument wieder zum Klingen bringt.

«Natürlich baue ich lieber neue Schwyzerörgeli. Mir ist es wichtig, möglichst viele Teile davon selbst herzustellen», erzählt Lehmann. An einem Örgeli arbeitet er über 100 Stunden. Da versteht es sich von selbst, dass pro Jahr nur einige wenige Musikinstrumente die kleine Werkstatt verlassen. Selber spielt er zwar ein wenig Schwyzerörgeli, sein Hauptinstrument ist jedoch die Bassgeige. Mit der Formation «Signouer Giele» sorgt er seit 25 Jahren schweizweit für gute Stimmung. Die vierköpfige Gruppe – bestehend aus drei Schwyzerörgeli und einer Bassgeige – beherrscht ein beeindruckendes Repertoire von rund 100 Musikstücken. Pro Jahr bestreiten die Musiker zwischen 10 und 20 Auftritte. Wie bei vielen Volksmusikanten üblich, können die «Giele» nicht Noten lesen und spielen alle Stücke auswendig.

Wichtiger als jeden Ton haargenau zu treffen, sei sowieso, dass das Publikum die Freude und Begeisterung der Musiker spüre, sagt Lehmann. Während der Örgeli-Flüsterer Stimmzungen, Lederbälge und weitere Instrumententeile präsentiert, erwähnt er, dass er die bunten Intarsien auch schon an seiner Bassgeige oder für kleine «Geld-Kässeli» verwendet hat. «Ich spiele zwischendurch mit dem Gedanken, die Intarsien auch für andere Zwecke einzusetzen», verrät er. Doch diese Idee müsse noch ein wenig reifen.

Man darf gespannt sein, zu welchem Zweck der Örgelibauer sein Design mit den bunten Blumen künftig einsetzen wird. Doch vorerst widmet sich Lehmann wieder dem Schwyzerörgeli auf seiner Werkbank, das noch auf seine Vollendung wartet.

«Mich freut es, dass ich als einer von ganz wenigen die aufwendigen Einlegearbeiten für Örgeli noch in dieser Form von Hand anfertigen kann.»

cb

Veröffentlichung: 30. Januar 2020 / Ausgabe 5/2020

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