Der Schreiner und sein Eissee

Johannes Lanicca (68) spielt im Winter auf dem Patrutgsee mit seinen Clubkollegen und den selbst gemachten Eisstöcken um Ruhm und Ehre. Bild: Franco Brunner

Johannes Lanicca dreht an diesem bitterkalten Wintermorgen einsam seine Runden über den zugefrorenen Patrutgsee – diesem herrlichen, kleinen Bergstausee in der Bündner Gemeinde Oberurmein am Heinzenberg. Und zwar nicht auf Schlittschuhen oder dergleichen, sondern auf einem zu einer Eisbearbeitungsmaschine umgebauten Rapid-Einachser. Das tut der bald 69-Jährige während der Wintermonate jeden Morgen, manchmal sogar auch in der Nacht. Dann nämlich, wenn es so stark schneit, dass der Schnee möglichst rasch und in kurzen Intervallen vom See weggeräumt werden muss. Schliesslich ist Lanicca Eismeister und eines der Gründungsmitglieder des vor 25 Jahren ins Leben gerufenen Eisstockclubs Urmein. «Wir suchten damals einfach etwas, das man hier in der Gruppe auch im Winter auf dem See machen kann», erklärt der pensionierte Schreiner in einer kurzen Pause. Gekannt habe dieses Eisstockschiessen damals «hier oben» noch niemand. Doch man habe bald gemerkt, dass das noch ganz «glatt» sei und bei den Leuten auch gut ankomme. Mittlerweile hat der Eisstockclub Urmein stolze 200 Mitglieder. Hauptsächlich Pensionäre. Unterdessen stellt Lanicca die Eisstöcke für sich und seine Clubkollegen auch gleich selber her.

«Zu Beginn haben wir die Stöcke noch extern anfertigen lassen, doch dann sagte ich mir, das kann ich als Schreiner doch auch und habe mir eine Drehbank angeschafft und selbst damit begonnen», erinnert er sich schmunzelnd. Seine Clubkameraden scheinen mit dem Spielmaterial zufrieden zu sein, wie die grosse Eisstockauswahl in der Garage des Vereinshäuschens direkt am See erahnen lässt. Lanicca erfüllt auch Spezialwünsche. «Wenn jemand einen schnellen Stock wünscht, dann stelle ich diesen aus Hartholz wie Ahorn oder Esche her», sagt er. Und bei Spielern, welche die langsame Variante bevorzugen, komme Weichholz wie Arve, Linde oder Föhre zum Einsatz. Ja, die Arbeit mit Holz habe ihn schon immer fasziniert, sagt Lanicca. Schon damals, als er sich als Bauernsohn für den Schreinerberuf entschieden habe. Dies weil seine drei älteren Brüder allesamt dem Vater nachgeeifert hätten und ebenfalls Bauern geworden seien. Ein Entscheid, den er nie bereut habe. Nur habe er sich kurz einmal überlegt, als Zimmermann tätig zu werden. Doch dafür sei er etwas zu schmächtig gewesen. So kann der 68-Jährige heute auf eine Berufskarriere mit dem rund 45-jährigen Betrieb eines eigenen Unternehmens blicken, das sich in der Region vor allem im Bereich der Bauschreinerei einen Namen gemacht hat. Ein Unternehmen, das es auch heute noch gibt. Allerdings mache er nur noch kleinere Sachen für seine Stammkunden, relativiert Lanicca. Dies und seine Schlitten. Mit der Produktion seiner «Heinzenberg-Holzschlitten» habe er schon vor vielen Jahren begonnen und diese im Laufe der Zeit stetig weiterentwickelt und verfeinert. Es bereite ihm auch heute noch grosse Freude, hin und wieder ein paar dieser Schlitten «aus einheimischem Holz und in urbündnerischem Design» herzustellen, sagt Lanicca zufrieden.

Zufrieden scheint er auch mit seiner Aufgabe als Urmeiner Eismeister zu sein. So macht er sich nach der Pause gut gelaunt daran, «sein» Eis zu bewässern, damit die Qualität auch weiterhin nichts zu wünschen übrig lässt. Denn auch an diesem Winternachmittag wird er gemeinsam mit seinen Clubkollegen sowie Gästen und Besuchern die Eisstöcke über das Eis des Patrutgsees gleiten lassen.

«Zu Beginn haben wir die Stöcke noch extern anfertigen lassen, doch dann sagte ich mir, das kann ich als Schreiner doch auch.»

Franco Brunner

Veröffentlichung: 28. Januar 2021 / Ausgabe 5/2021

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