Der Zufall strukturiert mit

Nach über 20 Jahren voll im Trend: die strukturierte Oberfläche von Laurameroni. Bild: Laurameroni

Haptische Reize.  Ein fein geschliffenes Finish war lange Zeit Standard bei Holzoberflächen. Inzwischen sind immer häufiger raue und auch tief strukturierte Materialien gefragt. Die SZ hat bei Herstellern und Händlern nachgefragt, wie die Strukturen in die Hölzer kommen.

Über so manch vielversprechende Idee stolpert man eher zufällig. Als sich der italienische Edelausstatter Laurameroni 1999 gründete, sei man zu gleicher Zeit in einem italienischen Steinbruch auf das mehr oder minder zufällig entstandene Muster einer Holzunterlage auf der Formatierungsanlage der Steinplatten aufmerksam geworden. Gewissermassen regelmässig zufällig angeordnet wies die Holzunterlage zahllose Nuten auf. Bei jedem Schnitt durch den Marmor fügte die Säge eine weitere hinzu, so- dass eine reliefartige Oberfläche entstanden sei. Diese Geschichte erzählt Matteo Maggioni von der Geschäftsführung des Unternehmens gerne. Kurz danach fand sich eine so strukturierte Oberfläche an der Front des Sideboards Maxima mit Starkfurnier von Laurameroni wieder und ist bis heute ein Markenzeichen der Firma.

Spur der Struktur

Damit war das Unternehmen mutmasslich Vorreiter beim Einsatz solch deutlich strukturierter Flächen. Ein paar Jahre später war es Schreiner Klaus Wangen, dem nicht minder zufällig beim Spaziergang durchs Grüne in der Eifel in Deutschland die gespaltene Optik der Weidepfähle auffiel.

Kurz darauf präsentierte er seine erste Spaltart-Wandverkleidung in Eiche an der Möbelmesse Köln und initiierte damit den Erfolg der natürlichen Holzoptik.

Erst danach kamen die ersten strukturierten Oberflächen bei Furnieren auf. Die normalerweise glatt geschliffenen Oberflächen bekamen nach und nach fühlbare Spuren. Inzwischen werden rohe, unvollkommene und mit Patina versehenen Oberflächen von Herrn und Frau Schweizer als salonfähig oder sogar als chic empfunden. Die Vielfalt und auch die Perfektion, mit der Strukturen ins Holz eingebracht werden, sind eindrücklich. Das betrifft sowohl Nachbildungseffekte als auch eigenständiges Design. Die Übergänge von mehr oder minder mit dem Zufall arbeitenden Verfahren und regelmässigen Strukturen bis hin zu Mustern, die auch schon mal an Schnitzereien erinnern, sind dabei fliessend.

Evolution zum Unterschied

Die Verlockung, eine haptisch vielversprechende Oberfläche anzufassen, ist gross und auch ein menschliches Bedürfnis. Holz eignet sich in hohem Masse dafür, fühlbare Strukturen zu integrieren. Diese orientieren sich entweder an einem rohen und typischen Muster wie dem Bandsägeschnitt, folgen dem natürlichen Jahrringverlauf des Holzes oder stellen regelmässig ins Holz eingearbeitete Muster dar. Damit eine Struktur ins Holz kommt, sind viele Werkzeuge und ihre manchmal auch zweckentfremdete Anwendung denkbar. In der industriellen Herstellung wird dazu vor allem geprägt, gebürstet, geschliffen und gespant. Wie das im Detail erfolgt und welche Kombinationen davon zielführend sind, das hat sich inzwischen ausdifferenziert. Letztlich muss man das Ergebnis im Blick haben und genau hinsehen, um auch Qualitätsunterschiede ausmachen zu können. «Furnier mit sogenannter sägeroher Oberfläche wird oft geprägt oder quergeschliffen, um eine an den Bandsägenschnitt erinnernde Optik zu erzeugen. Die authentischere Variante ist jedoch, die Struktur bei der Herstellung, sprich beim Messern, direkt zu erzeugen», sagt Tobias Scherg, Geschäftsführer der Roser AG in Birsfelden BL. Dies geschieht mittels modifizierter Schneiden der Messermaschinen bei der Furniererzeugung. Jedes Werk habe dabei seine eigene Art, was die Scharten im Messer angehe, so der Experte. Durch den speziellen Schliff der Messer entsteht Blatt für Blatt die typische Struktur. Dadurch komme man der Optik des Bandsägeschnittes näher als bei den anderen Verfahren.

«Beim Prägen etwa gibt es immer einen Übergangsbereich, den man sieht, während man beim Sägeschnitt oder dem Messern scharfkantige Strukturen hat», weiss Scherg. Durch die Bearbeitung mit einer Kunststoffbürste quer zur Faser lasse sich die Struktur noch verstärken. «Die sägerohen und gebürsteten Furniere haben ihren Platz gefunden, es geht hier nicht um einen Trend», sagt Scherg.

Reize sind prägend

Prägeverfahren haben eigene, andere Stärken. Etwa, wenn es darum geht, die natürliche Struktur des Holzes der Jahrringe hervorzuheben. Dies geschieht mittels hohen Drucks und Zulagen, von denen die Produzenten keine Angaben machen.

Bei Roser kommen Vlies und Furnier plus spezielle Zulage in die Presse, was ein Furnier mit vertieftem Frühholz und hervorstehendem Spätholz ergibt. «Dazu braucht es neben der speziellen Zulage auch eine Presse mit hohem Druck. Das Holz wird dabei etwas verdichtet, wodurch es deutlich härter wird», sagt Scherg.

Deutlich ins Holz arbeitet man auch bei den Prägeprodukten der Herzog-Elmiger AG in Kriens LU. Die Struktur wird dabei über ein Blech und mit hohem Druck ins Holz gebracht. Bis zu drei Millimeter tief wird dabei die Struktur ins Holz geprägt. Das Verfahren kommt auch bei Furnier zum Einsatz. Neben dem Prägen wird die Oberfläche noch gebürstet. Beim Furnier ist die Struktur nicht ganz so tief, weil die Materialstärke von einem Millimeter die Prägetiefe begrenzt. Grundsätzlich gibt es aber die gleiche Oberfläche. Die Prägeboards sind mit einem Kern aus Birkensperrholz oder auch als reine Decklage verfügbar.

«Besonders gerne wird das Material als Altholz-Ersatz verwendet. Das dafür eingesetzte neue Eichenholz wird zunächst gekocht und bekommt dadurch schon eine Altholzoptik», sagt Markus Flüeler, Geschäftsführer Furnier und Schnittholz bei Herzog- Elmiger. Dann wird tief geprägt. Das Furnier wird dagegen zunächst mit einem dunklen Vlies auf der Unterseite versehen. Nach dem Prägen ist das Furnier bereit zur Verarbeitung, man muss also auch keine Risse mehr ausspachteln. Der Verarbeitende kann sich auf das Ölen der Oberfläche beschränken, während echte Alzholz-Oberflächen aufwendig verputzt werden müssen. Vorteil des Materials sind die grossen Flächen, die sich so einheitlich mit einem Altholz-Look realisieren lassen und dabei nicht jedes Budget sprengen. Die Kanten von der Rolle sind in gleicher Weise produziert. «Auch Schnittholz haben wir in gleicher Farbe, so kann der Schreiner frei wählen, mit welcher Bearbeitungstiefe er sein Projekt umsetzt», sagt Flüeler.

Tief ins Material

Auch die Atlas Holz AG in Trübbach SG bietet verschiedene Materialien mit unterschiedlich erzeugten Strukturen an. Neben geprägten Oberflächenmustern sind gefräste Strukturen eine Spezialität des Unternehmens. Dabei werden Massivholzplatten mittels Bearbeitungszentrum spanend bearbeitet, was eine grosse Vielfalt an Mustern und Materialien ermöglicht. Der Aufwand hat natürlich auch seinen Preis, dafür bekommt die Kundschaft aber auch ein aussergewöhnliches Material. «Die gefrästen Oberflächen werden überall im hochwertigen Designbereich eingesetzt. Etwa für Küchen und Möbel, aber auch an der Wand», erklärt Ivo Quirici, Co-Geschäftsführer bei Atlas Holz. Neben den regelmässig profilierten reliefartigen Flächen werden auch solche mit unregelmässiger Wirkung erzeugt. Dazu kommen unterschiedliche Werkzeuge mit variabler Bearbeitungstiefe zum Einsatz. Auch eigene Kreationen sind möglich. Quirici sieht bei den bewegten Flächen noch viel Potenzial. «Der Trend mit Oberflächenstrukturen steht erst noch am Anfang», sagt der Experte. Die Leute hätten die geradlinigen und glatten Oberflächen eher satt, sagt Quirici. Und auch nach über 20 Jahren des Sideboards Maxima freut man sich bei Laurameroni über mehr Interesse als je zuvor.

www.roser-swiss.comwww.herzog-elmiger.chwww.atlasholz.ch

christian härtel

Veröffentlichung: 01. Juni 2023 / Ausgabe 22/2023

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