Dichtung ohne Drama


Produzierte TPE-Dichtungen liegen zur Verarbeitung bereit. Bild: Michi Läuchli


Produzierte TPE-Dichtungen liegen zur Verarbeitung bereit. Bild: Michi Läuchli
Dichtungen. Ob eine Tür dicht ist und auch bleibt, entscheidet – wie der Name schon sagt – vor allem die Dichtung. Doch Profile werden oft unterschätzt. Passender Querschnitt, saubere Nut und korrekte Montage verhelfen zu einem guten Resultat, selbst bei leichtem Verzug der Tür.
Dichtungen gehören zu den unscheinbaren, aber entscheidenden Bauteilen im Fenster- und Türenbau. Sie sorgen für Energieeffizienz, schützen vor Feuchtigkeit, Feuer, Hitze und Kälte, dämpfen den Schall und tragen richtig eingesetzt zur Langlebigkeit der Konstruktion bei. In der Praxis werden sie jedoch häufig unterschätzt – bis die ersten Probleme sichtbar werden.
Dichte Fenster und Türen steigern die Energieeffizienz moderner Häuser, schränken aber den natürlichen Luftaustausch ein. Das kann sich auf das Schliessen einer Tür auswirken, indem beim Auslösen der Absenkdichtung ein Unterdruck entsteht und sich die Tür nur mit mehr Kraft schliessen lässt. Eine zeitverzögerte Absenkdichtung wirkt hier entgegen. Bei der «D5» von CardaTec beispielsweise sorgt ein Dämpfer für eine rund sieben Sekunden verspätete parallele Absenkung.
Während Fenster dank ihrer mehrseitigen Pilzkopfverriegelungen zuverlässig schlies-sen und die Dichtungen so den erforderlichen Anpressdruck erhalten, besteht bei Türen die Schwachstelle, dass sie nur auf der Schlossseite verriegeln – womit auch nur dort der gewünschte Anpressdruck herrscht. Ist die Tür etwas verzogen, kann daher rasch Luft durchziehen.
Welche Dichtung bei der Tür verbaut wird, muss schon bei der Planung klar sein. Was logisch klingt, sieht in der Realität vielfach anders aus. «Probleme wie Undichtigkeiten oder sogar Schimmelbildung lassen sich oft bereits auf planerische Konstruktionsfehler zurückführen», sagt der Experte Peter Liechti von der Tiger GmbH in Gümligen BE. Mit seinem Unternehmen ist er als Sachverständiger vor Ort, wenn es um die Schadenbeurteilung und Inspektion von Objekten geht. «Ein Überschlag von 13 Millimetern bei einer Aussentür ist aus meiner Sicht ungeeignet – das ist schlicht zu knapp bemessen», ist Liechti überzeugt. Hängt die Tür nur leicht – was Türen üblicherweise tun – dichtet sie nicht mehr zuverlässig ab. Erschwerend kommt hinzu, dass beim Einsatz von Dichtungen mit einer langen schrägen Lippe sich der Druckpunkt zu weit im Falzinnern befindet. «Solche Dichtungen haben schon nach kurzer Zeit keinen richtigen Anpressdruck mehr; hier sind Dichtungen mit einer Hohlkammer und einer kurzen Lippe, die mehr im äusseren Bereich drücken, eine deutliche Verbesserung.»
Doch nicht nur die Planung spielt eine wichtige Rolle: In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass Fehler bei der Montage zu den häufigsten Ursachen für Undichtigkeiten zählen. Wird eine Dichtung beim Einbau in die Länge gezogen, zieht sie sich später wieder zusammen und kann aus der Nut fallen. Ein weiterer entscheidender Punkt sei, die von den Herstellern vorgegebenen Nutbreiten exakt einzuhalten und passende Dichtungen zu verwenden. «Wird eine Dichtung in eine zu schmale Nut gepresst, braucht es mehr Kraft. Gleichzeitig wird die Fusslippe zu stark zusammengedrückt, hält dadurch weniger, und die Dichtung fällt nach einiger Zeit wieder heraus», erklärt Liechti. Ausserdem ist darauf zu achten, die Nut vorgängig von Leimresten und Staub zu befreien sowie die Montageschrauben richtig zu versenken. Besonders geblieben ist dem Experten ein Fall, bei dem die Gehrungszange falsch benutzt und die Dichtung aussen angeschnitten wurde. Die Folge waren undichte Türen und Schimmel im Bereich des Türfalzes.
Geht es um die Lösungssuche, ist Liechti überzeugt: «Vielfach muss eine verzogene Tür nicht gleich ersetzt werden, sondern kann vom Schreiner mit einer passenden Dichtung nachgerüstet werden.» Mit der richtigen, umlaufenden, geschlossenen und auf den Türfalz angepassten Dichtung bleibe die Tür auch bei leichtem Verzug dicht und funktionstauglich.
Ein Unternehmen, das sich ganz auf die Entwicklung und Produktion hochwertiger Dichtungen spezialisiert hat, ist die Poesia Holding AG mit Sitz in Unterkulm AG. Hier werden TPE-Dichtungen (TPE = thermoplastische Elastomere) und Silikondichtungen hergestellt. «Wir bieten grundsätzlich Dichtungen aus allen gängigen Elastomeren an, von EPDM, NBR, HNBR, CR über FKM/FFKM bis hin zu Spezial-Compounds», sagt Daniel Kurmann, Marketingleiter bei der Poesia Holding AG. Zur Poesia-Gruppe gehören mehrere Unternehmen: Die PBC Polymer AG extrudiert TPE- und Silikonprofile, die MK Dichtungs AG vertreibt rund 5500 verschiedene Dichtungsprofile, die bereits ab einer Mindestlänge von einem Meter oder palettenweise ausgeliefert werden. Die PK Brändli AG fertigt Formteile aus Zweikomponenten-Flüssigsilikon (LSR) im Spritzgussverfahren, während sich die Herzog Dichtungen AG unter anderem auf statische, pneumatische sowie aufblasbare Dichtungen spezialisiert hat.
In den meisten Fällen hilft der Katalog, das richtige Dichtungsprofil zu ermitteln. «Findet der Schreiner die richtige Dichtung nicht, kann er uns ein Muster oder ein Foto des Querschnitts per Mail oder WhatsApp schicken, und wir suchen dann das passende Profil heraus», sagt Kurmann. So lassen sich Fehlbestellungen vermeiden. Dabei wird das Portfolio des Dichtungsherstellers laufend erweitert: Im Schnitt werden jedes Jahr zwischen 100 und 200 neue Profile ins Sortiment aufgenommen. Sind individuell hergestellte Dichtungsprofile nötig, liegt die Mindestbestellmenge bei 300 Metern. Mit dem firmeneigenen Webshop-Konfigurator lassen sich komplette Dichtungsrahmen online zusammenstellen, bei denen die Ecken geklebt werden.
Entgegen Vermutungen hat die Dichtungsfarbe keinen Einfluss auf deren Eigenschaften – ausser natürlich, dass Dreck an schwarzen Dichtungen weniger stark ins Auge fällt. Auf Wunsch können Dichtungen in jeder gewünschten RAL-Farbe eingefärbt werden. Dichtungen mit Reisssteg oder Hohlkammer reagieren unterschiedlich. Wird der Steg herausgerissen, kann sich die Dichtung kurzzeitig wellen, was sich aber meist wieder normalisiert. Der Hersteller zeichnet Produkte mit einem entnehmbaren Steg als solche aus.
Im Aussenbereich ist Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk (EPDM) der bewährte Klassiker. Das Material ist robust, witterungsbeständig und bleibt über viele Jahre elastisch. Es wird vor allem in Fassaden- und Fensteranwendungen eingesetzt, wo hohe Beständigkeit gegen UV-Strahlung und Ozon erforderlich ist. TPE vereint die Eigenschaften von Kunststoff und Gummi und bietet damit Vorteile in der Herstellung. «Der Vorteil von TPE ist, dass es sich recyceln lässt», sagt Kurmann. Produktionsabfälle werden in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Lenzburg geschreddert und als Granulat wieder der Extrusion zugeführt.
Vergangenes Jahr verarbeitete die Firma rund 250 Tonnen TPE-Material, davon etwa 18,5 Tonnen regeneriertes Material. Insgesamt flossen rund 60 Tonnen Material in die Produktion der Silikondichtungen. Sie werden dort eingesetzt, wo hohe Temperaturen oder chemische Belastungen herrschen. Silikon basiert nicht auf Erdöl, sondern auf Siliziumverbindungen und gehört zu den chemisch vernetzten Elastomeren. Es lässt sich deshalb nicht wie thermoplastische Materialien recyceln. Die Poesia-Gruppe bietet eine Rücknahme alter Silikondichtungen an und sorgt für deren fachgerechte Entsorgung beziehungsweise energetische Verwertung.
Für die Schreiner lässt sich der Unterschied der Materialien einfach anhand des sogenannten Rückstellvermögens erkennen: «Zieht man die Dichtung, dehnt sich TPE aus und verliert seine Form, während Silikon und EPDM elastisch in seine Ursprungsform zurückgeht», sagt Kurmann. Der Grund liegt in der chemischen Materialstruktur. Nach der Vulkanisation des Silikons ist die Molekülstruktur fixiert und damit dauerhaft formstabil. TPE hingegen bleibt thermoplastisch, es verhält sich bei Belastung und Wärme ähnlich wie ein Kunststoff und zeigt daher ein geringeres Rückstellvermögen.
Die Produktion ist materialabhängig: Bei TPE-Dichtungen wird das Granulat in einem Schneckenextruder erhitzt, geschmolzen und durch eine formgebende Matrize gepresst. Nach rund 20 Metern Kühlstrecke wird das Profil auf Länge geschnitten oder aufgewickelt. Bei Silikondichtungen wird das Silikon-Compound in einem Schneckenextruder kontinuierlich gefördert, unter Druck durch eine formgebende Matrize gepresst und anschliessend bei rund 200 Grad Celsius im Ofen vulkanisiert. Zum Schluss werden die Dichtungen mit Talkumpuder oberflächenbehandelt, damit sie nicht aneinanderhaften und sich beim Weiterverarbeiten oder Montieren leichter handhaben lassen.
«Talkumierte Dichtungen dürfen nicht in der Lebensmittelbranche eingesetzt werden», erklärt Kurmann. Damit sie den FDA-Normen (FDA = US-amerikanische Food and Drug Administration) entsprechen, müssen die Dichtungen untalkumiert sein. Dazu durchlaufen sie in einem zweiten Arbeitsschritt nochmals eine Erhitzung im Temperofen, wo sie je nach Profilquerschnitt zwischen zwei und acht Stunden verharren.
Poesia engagiert sich auch in der Entwicklung nachhaltiger Materialien. Gemeinsam mit der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) entwickelte das Unternehmen biobasierte TPE-Dichtungen, die vor drei Jahren auf den Markt gekommen sind. «Die Vorgabe war klar: Die Inhaltsstoffe müssen aus nachwachsenden Materialien stammen», sagt Kurmann. Das Ergebnis sind Dichtungen mit einem Bioanteil von rund 40 Prozent, die nur geringfügig teurer sind als herkömmliche Produkte. Allerdings habe sich trotz des ökologischen Aspekts gezeigt, dass solche Dichtungen nur eine geringe Nachfrage erfahren.
Bei der Verarbeitung bietet Poesia verschiedene Möglichkeiten für Ecken und Rahmen. «Grundsätzlich kleben wir die Dichtungen zusammen – das hält gut, und die Ecken bleiben dicht», erklärt Kurmann. TPE-Dichtungen lassen sich auch schweissen, Silikon- und EPDM-Dichtungen dagegen nicht. Das Vulkanisieren ist technisch die beste, aber auch teuerste Lösung und lohnt sich vor allem bei Serienfertigung, da allein die Formkosten bei rund 20 000 Franken liegen. Kleben lassen sich grundsätzlich alle gängigen Elastomere. Je nach Material und eingesetztem Klebstoff kann eine Vorbehandlung mit Primer erforderlich sein, besonders bei schwer haftbaren Werkstoffen wie Silikon. Alternativ ermöglichen spezielle Systeme wie RTV-Silikonkleber eine zuverlässige Verbindung auch ohne Primer. Sie benötigen jedoch mehr Zeit zum vollständigen Aushärten. Mit etwas Pflege lässt sich ihre Lebensdauer deutlich verlängern. «Warmes Wasser und etwas Seifenmittel genügen, um sie zu reinigen. Aggressive Reinigungsmittel sollten vermieden werden, da sie die Oberfläche angreifen und die Materialeigenschaften beeinträchtigen können», sagt Kurmann. Je nach Beanspruchung und Behandlung beträgt die Lebensdauer von Dichtungen zwischen 10 und 20 Jahren.
Veröffentlichung: 20. November 2025 / Ausgabe 47/2025
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