Die Ausnahme richtig gelöst


Explosiver Inhalt: Hinter der Klappe verbergen sich Gasleitungen und -zähler der beiden Wohnungen auf der jeweiligen Etage. Bild: SchreinerZeitung
Explosiver Inhalt: Hinter der Klappe verbergen sich Gasleitungen und -zähler der beiden Wohnungen auf der jeweiligen Etage. Bild: SchreinerZeitung
Brandschutz. «Wie geprüft, so eingebaut», lautet der Grundsatz im Brandschutz. In Ausnahmefällen muss aber manchmal von der geprüften Konstruktion abgewichen werden. Dann braucht es von den Brandschutzbehörden eine Einzelzulassung – diese gibt es aber nicht ohne Weiteres.
Über 2600 Brandschutzbauteile findet man im Register der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF). Für die meisten Situationen im Alltag sollten sich also auch entsprechend geprüfte und zugelassene Bauteile finden lassen. Dennoch gibt es manchmal Umstände, die durch solche Brandschutzelemente nicht oder nur teilweise abgedeckt werden können.
In so einer Situation fand sich Adrian Bruhin von der Cremer & Bruhin AG aus Horgen wieder, als er die Massaufnahme in einem Altbau in der Stadt Zürich vornahm: «Wir erhielten den Auftrag für Steigzonenverkleidungen mit integrierten Schuhschränken in einem Treppenhaus.» Doch bereits bei der Massaufnahme stellte sich heraus, dass der Fall etwas komplizierter werden könnte. Über die Jahre wurden offenbar weitere Kabel und Leitungen eingezogen. Zudem befinden sich auch Gasleitungen und Zähler in der Steigzone», erzählt Bruhin.
Deshalb schickte der Schreiner den Plan seiner Steigzonenverkleidung zur Sicherheit vorgängig dem zuständigen Brandschutzexperten – und erhielt prompt eine Absage. Also erarbeitete Adrian Bruhin mithilfe von verschiedenen Türenplanern und -lieferanten andere Lösungen. Diese reichten aber den Brandschutzexperten nach wie vor nicht aus. Es zeigte sich, dass die ganze Steigzone in drei Brandabschnitte unterteilt werden musste. Ausschlaggebend dafür waren die integrierten Schuhschränke, die aus brandschutztechnischer Sicht als Lagerraum gelten. Zudem sollten natürlich die Gaszähler und -leitungen separat für Techniker zugänglich sein. Deshalb mussten beide Schuhabteile und der Bereich mit den Gaszählern voneinander abgetrennt werden.
Mithilfe von Fachleuten des Türenproduzenten Riwag fand die Schreinerei dann eine Lösung: Die Riwag schlug die Verbindung einer geprüften EI30-Brandschutztür mit einer genormten EI30-Leichtbauwand vor. Aber nicht die Kombination dieser beiden Elemente war dafür verantwortlich, dass eine Einzelzulassung erforderlich wurde, denn die Kombination von geprüften und genormten Bauteilen, wie sie zum Beispiel in Lignum-Dokumentationen zu finden sind, ist zulässig. «Die Einzelzulassung war hauptsächlich für die Klappe mit den oben liegenden Bändern nötig», sagt Peter Barmet von der Riwag. Ein Türelement wird normalerweise mit seitlich angebrachten Bändern einem Brandtest unterzogen. Durch den Anpressdruck der Intumexbänder, die im Brandfall aufschäumen, wird das Türblatt zusätzlich im Rahmen festgeklemmt.
Sollte also aus irgendeinem Grund das Schloss oder das Schliessblech versagen, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass sich die Tür öffnet. Anders bei einer oben gebandeten Klappe: Hier besteht die Gefahr, dass sie sich durch die Schwerkraft wenige Zentimeter öffnet. «Deshalb klärten wir diese Situation mit der zuständigen Brandschutzbehörde ab und erhielten eine Einzelzulassung», fügt Peter Barmet an. Man kam zum Schluss, dass die Klappe keine Schwachstelle darstellt, weil der Anpressdruck der Intumexbänder ausreichend gross ist. Wichtig dabei ist: Bis auf die Bandung entspricht die Klappe exakt dem geprüften Bauteil. Zu viele Abweichungen würden eine objektive brandschutztechnische Beurteilung erschweren – und somit würde auch die Wahrscheinlichkeit sinken, eine Einzelzulassung zu erhalten.
In solchen Fällen kommt der Artikel 11 «Normalfall und Abweichungen» der Brandschutznorm zum Tragen. Absatz 1 macht hier nochmal deutlich: «Im Normalfall wird das Schutzziel mit vorgeschriebenen Standardmassnahmen erreicht.» Im Absatz 2 heisst es dann: «Anstelle vorgeschriebener Brandschutzmassnahmen können alternativ andere Brandschutzmassnahmen als Einzel- oder Konzeptlösung treten, soweit für das Einzelobjekt das Schutzziel gleichwertig erreicht wird. Über die Gleichwertigkeit entscheidet die Brandschutzbehörde.» In Ausnahmefällen können also die zuständigen Brandschutzbehörden sogenannte objektbezogene Einzelzulassungen bewilligen. Dazu gehören Spezialfälle wie Übergrössen oder besondere Einbaubedingungen, wie sie insbesondere bei Sanierungen und Umnutzungen anzutreffen sind.
Gemäss dem Stadtzürcher Brandschutzexperten Albert Kunz sind solche Zulassungen im Türen- und Fassadenbereich vermehrt ein Thema. Er mahnt: «Vielen Planern und Handwerkern ist aber nicht bewusst, dass sie mit Einzelzulassungen nicht einfach den Einsatz zugelassener Bauteile umgehen können, nur weil sie gerade keine entsprechenden Elemente zur Hand haben oder kennen.» Praktisch chancenlos sind vor allem Anträge für Bauteile und Objekte, die aufgrund ihrer optischen Gestaltung eine Zulassung benötigen würden, also wenn es keine praktischen Gründe dafür gibt wie im vorliegenden Beispiel, wo verschiedenste Nutzungsansprüche auf kleinstem Raum abgedeckt werden mussten und wofür es keine geprüften Elemente gibt.
«Immer häufiger kommt es aber vor, dass ein Antrag auf Einzelzulassung sogar erst nachträglich eingereicht wird», erzählt Albert Kunz. Das sind dann denkbar schlechte Voraussetzungen für einen positiven Entscheid der Behörden. Es komme sogar vor, dass montierte Bauteile nachträglich wieder ausgebaut und ersetzt werden müssen, weil die Behörden das aus brandschutztechnischer Sicht schlicht nicht verantworten können. «Und dann wird es erst richtig teuer», ergänzt Kunz.
Aus diesen Gründen empfiehlt es sich, frühzeitig mit den zuständigen Brandschutzbehörden in Kontakt zu treten. Um eine speditive Abwicklung zu gewährleisten, muss das Projekt sauber geplant und dokumentiert sein. Dazu gehört auch eine schriftliche Begründung für den Antrag, in der Situation und Überlegungen aufgezeigt werden. Ebenfalls beigelegt werden muss eine Stellungnahme des Zulassungsinhabers (siehe Box rechts) des abgeänderten Bauteils. Dieser liefert damit eine Erklärung, weshalb das vorliegende Element die geforderten Brandschutzeigenschaften aufweist. In diesem Fall erstellte also die Firma Riwag als Zulassungsinhaberin der Brandschutztür ein entsprechendes Gutachten.
Mit einer seriösen Dokumentation vermittelt der Antragsteller den Behörden, dass er sich intensiv mit der Thematik und der vorliegenden Situation befasst hat. Das erleichtert die prüfende und beratende Rolle der Brandschutzbehörden, denn die Planung muss nach wie vor der Antragsteller durchführen und ist nicht die Aufgabe der Behörden. «Leider geschieht die erste Kontaktaufnahme manchmal zu spät. Gerade bei grossen Projekten gehören solche Überlegungen von Beginn an zum Brandschutzkonzept», erzählt Albert Kunz.
Insgesamt konnte die Schreinerei Cremer & Bruhin AG vier solche Fronten im Treppenhaus montieren. «Das Ganze wurde zwar etwa vier Mal so teuer und dauerte länger, als ursprünglich geplant. Aber die Bauherrschaft zeigte Verständnis dafür, die Lösung funktioniert und wir haben wieder etwas gelernt», bilanziert Adrian Bruhin.
www.cremerbruhin.chwww.riwag.chAb nächstem Jahr treten in der Schweiz neue Brandschutzvorschriften in Kraft. Die VKF wie auch der VSSM werden entsprechende Informationsveranstaltungen und Schulungen durchführen. Die neuen Vorschriften können bereits auf der Website des VKF vorbestellt werden, die Auslieferung erfolgt Ende Oktober.
www.vkf.chwww.vssm.chDie brandschutztechnische Analyse muss klären, wie sich die Abweichungen zu geprüften Konstruktionsdetails auf die relevanten brandschutztechnischen Eigenschaften, beispielsweise die Kriterien des Bauprodukts, auswirken (Tragfähigkeit R, Raumabschluss E, Wärmedämmung I, Brandverhalten usw.)
Über die Plausibilität der Stellungnahme des Systeminhabers entscheidet die Brandschutzbehörde, unter Umständen wird zusätzlich eine gutachtliche Stellungnahme durch ein akkreditiertes Prüfinstitut verlangt.
Veröffentlichung: 10. Juli 2014 / Ausgabe 28-29/2014
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