Die besondere Magie von Sägemehl

Seit 30 Jahren führt Silvio Rüfenacht (57) sein eigenes Holzbauunternehmen. Bild: Stefan Hilzinger

Leute. Silvio Rüfenacht hat schon in der fünften Klasse gewusst, dass er Zimmermann werden will. Doch mit Sägemehl kam er noch viel früher in Kontakt. «Als Siebenjähriger ging ich mit zwei älteren ‹Giele› aus dem Dorf zum ersten Mal in den Schwingkeller», sagt der Schwingerkönig von 1992.

Aufgewachsen ist Rüfenacht in Hettiswil, einem Dorf im unteren Emmental, das zur Gemeinde Krauchthal gehört. Sein Vater arbeitete beim Staat und hat ebenfalls geschwungen. Die korrekten Schwünge und die Kraft angeeignet hat sich Silvio Rüfenacht beim benachbarten Schwingklub Burgdorf, der verbandstechnisch zwar zum Emmental gehört, in dem sich viele Schwinger aber auch zum Oberaargau zugehörig fühlen. «Als Schwinger bin ich ein Oberaargauer», sagt Rüfenacht von sich. In der Burgdorfer Schwinghalle hat er erfahren, was jeder Schwinger lernen muss: zu verlieren. «Ich war mit zwei Jahren Abstand der Jüngste, und folglich landete ich halt oft auf dem Rücken», sagt er mit entspanntem Lachen im Büro seines Holzbaubetriebes, wo er seinen Gast mit offenem Blick und festem Händedruck begrüsst, wie früher die Gegner im Ring. «Ich habe immer viel Sport gemacht, auch Leichtathletik, Nationalturnen oder Orientierungslauf», sagt er. Im Schwingen und parallel dazu auch im Ringen zeigte sich bald das stärkste Talent. Während der Lehre zum Zimmermann ist er nicht wie manche andere ausgestiegen. «Ich bin drangeblieben. Ich kannte nichts anderes und hatte zum Glück keine Probleme in der Berufsschule», blickt der heute 57-Jährige zurück.

«Mit 27 habe ich den Betrieb übernommen, innerhalb von sechs Wochen, mit fünf Angestellten und ohne Businessplan.»

73 Kränze hat er erschwungen, wovon sechs eidgenössische, den ersten 1986 mit 18 Jahren in Sitten und den letzten 2001 in Nyon. Doch der unbestrittene Höhepunkt war der Gewinn des Siegerkranzes am Eidgenössischen in Olten im Jahr 1992. «Es war ein schöner Tag», sagt er. Vieles sei in den Jahren seither doch verblasst. Die Umstände sind aber besonders gewesen: «Ich war damals in der Offiziersschule und hatte, soviel ich mich erinnern kann, vom Mittwoch bis zum Montagabend nach dem Schwingfest Urlaub erhalten.» Es kam ihm ganz recht, dem Trubel entfliehen zu können, denn heute sagt er: «Die Schwingerfamilie ist noch immer meine Familie. Aber es ist schön, nicht mehr im Zentrum zu stehen.» Im Zentrum steht dagegen seit 30 Jahren die eigene Firma, eine Zimmerei in Rüegsbach. «Jeder Tag hier bringt neue Herausforderungen. Und die Arbeitstage dauern länger als bis fünf Uhr nachmittags», sagt er. Eigentlich sei geplant gewesen, dass er seinen Lehrbetrieb hätte übernehmen können. «Dann kam der Junior dort wider Erwarten doch zurück.» Auf die Enttäuschung folgte ein überraschender Anruf. «Mit 27 habe ich dann den Betrieb hier übernommen, innerhalb von sechs Wochen, mit fünf Angestellten und ohne Businessplan.» Derzeit beschäftigt die Firma sieben Angestellte, darunter ein Lernender. Auch sein ältester Sohn arbeitet im Betrieb mit. «Er ist Holzbaupolier, und wir beabsichtigen, dass er mein Nachfolger wird.»

Als Ehrengast durfte Schwingerkönig Rüfenacht auch das Eidgenössische Ende August in Mollis mitverfolgen. «Ein ganz toller Anlass», sagt er. Schade sei es, dass Zimmermann Samuel Giger vom befreundeten Schwingklub Ottenberg nicht mehr für einen Sieg getan habe im Schlussgang. Doch König Armon Orlik sei ja auch ein «Hölziger». Bis zu einem Drittel aller Aktiven hätten Holzbauberufe. Ob es mit dem Sägemehl zusammenhängt? Rüfenacht lacht: «Berührungsängste damit kennen wir jedenfalls nicht.»

 

Stefan Hilzinger

Veröffentlichung: 29. September 2025 / Ausgabe 39/2025

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