Die CNC vor Ort im Griff

In Zukunft brauchen Maschinisten nach wie vor die Möglichkeit, an der Maschine zu programmieren. Bild: Noah J. Gautschi

CNC-Programmierung.  Die Werkstattoptimierte Programmierung (WOP) hat die Bedienung von CNC-Maschinen massentauglich gemacht. Auch wenn sich die WOP-Programme immer mehr den CAD-CAM-Systemen annähren, bleiben sie eigenständig und haben im Alltag ihre Berechtigung.

Wer weiss noch, was «G00» und «G02» in Zusammenhang mit der Programmierung von CNC-Maschinen bedeuten? Oder sind vielleicht eher Begriffe wie «Objektfang» und «Extrudieren» bekannt?

Während es durchaus noch CNC-Maschinisten gibt, die in schon fast grauer Vorzeit gelernt haben, ihre Maschine von Hand mit den G-Codes «Verfahren im Eilgang» (G00) oder «Kreisinterpolation im Uhrzeigersinn» (G02) zu programmieren, lernen angehende Schreiner heute von Grund auf die Grundsätze im CAD-Zeichnen.

CAD-CAM als Vorbild

Diese Veränderung zeigt sich immer mehr auch im Bereich der Werkstattoptimierten Programmierung (WOP). Die Entwicklung der WOP-Programme begann etwa in den 80er-Jahren. Damals wollte man insbesondere die umständliche Programmierung von Hand vereinfachen. Mithilfe von festgelegten Eingabefenstern konnte eine bestimmte Bearbeitung erfasst werden, und der Computer errechnete im Hintergrund den G-Code für die Maschine.

Heute unterscheiden sich moderne WOP-Programme auf den ersten Blick kaum noch von CAD-CAM-Programmen. Zum Beispiel beim «Maestro» des italienischen Maschinenherstellers SCM hat man sich ganz bewusst an einem parametrischen CAD-System orientiert. «Das Programm gleicht deshalb sehr einem ‹AutoCAD›», sagt Max Stirnimann. Er ist Servicetechniker bei der Arthur Bründler AG und schult Anwender auf dem «Maestro». Insbesondere junge Maschinisten kämen damit sehr gut zurecht, weil die meisten schon Erfahrungen mit CAD-Programmen gesammelt hätten. Man kann also zum Beispiel einfach mithilfe von Fangpunkten eine Bearbeitung auf ein Werkstück zeichnen. «Aber auch bei CAD- unerfahrenen Anwendern kommt ‹Maestro› gut an, weil man nicht nur Zahlen eingibt, sondern ein konstruiertes Werkstück vor sich hat und sieht, was passiert», erklärt Stirnimann. In der ganzen Entwicklung ist es denn auch nicht verwunderlich, dass im «Maestro» nicht mehr von Makros oder Bearbeitungskomponenten, sondern von Apps die Rede ist.

Diese kann der Anwender selber erstellen und auch parametrisieren. Nebst der klassischen Eingabe über Zahlen und Formeln kann man im WOP gezeichnete Bearbeitungen ebenfalls bis zu einem gewissen Grad einbinden.

Geschlossenes oder offenes System

Selbstverständlich sind auch andere WOP-Programme nicht stehen geblieben. In der Schweiz weit verbreitet sind «WoodWOP» von der Homag-Gruppe und «NC-Hops» von der Direkt CNC-Systeme GmbH. Im Herbst 2016 wurde das «NC-Hops 7» mit dem Namen «Nero» veröffentlicht und Anfang 2017 kam das «WoodWOP 7.1» auf den Markt. Beide Anbieter entwickeln ihre Produkte also stetig weiter. Hat das eine Programm eine neue Funktion, zieht das andere meistens nach. «Grundsätzlich kann man aber sagen, dass das ‹Hops› nach wie vor offener gestaltet ist als das ‹WoodWOP›», sagt CNC-Spezialist Erich Amgwerd von der Höheren Fachschule Bürgenstock (HFB). So lassen sich beispielsweise im «WoodWOP» die Menüs und Buttons nicht einfach so beliebig ändern oder verschieben.

Die Situation lässt sich gut mit den Smartphone-Betriebssystemen vergleichen: Das «WoodWOP» ist wie das iOS von Apple ein geschlossenes System, welches nur auf Apple-Geräten installiert werden kann und dem Benutzer etwas weniger Einstellmöglichkeiten bietet. Dafür weiss man genau, was einen erwartet und kann nicht allzu viel falsch machen.

Das «Hops» lässt sich mit Android von Google vergleichen, welches auf verschiedenen Geräten läuft und dem Anwender mehr Möglichkeiten zum Einstellen bietet, sofern man diese überhaupt nutzt. Allerdings braucht es dazu etwas mehr Know-how, damit keine Fehler passieren. Es ist also auch eine Frage der Philosophie. «In den Kursen stellen wir aber ohnehin immer wieder fest, dass die Teilnehmer in beiden Programmen oft nur einen Bruchteil des Funktionsumfangs ausnutzen», sagt Erich Amgwerd. Er empfiehlt deshalb, zuerst die Grundschulung des jeweiligen Anbieters zu besuchen und sich etwa nach einem halben Jahr Praxis weiterzubilden.

Entwicklungstrends

Alle WOP-Programme im Detail gegenüberzustellen, ist aufgrund des mittlerweile riesigen Funktionsumfanges eine gewaltige und auf drei Seiten nicht zu bewältigende Aufgabe. Es lassen sich aber verschiede- ne Trends und Entwicklungen festhalten: Während früher vor allem mit Tabulator und Zahleneingaben gearbeitet wurde, erfolgt die Bedienung heute aufgrund der vielen Auswahlmöglichkeiten per Mausklick oder teilweise sogar Touch. Ob dies wirklich schneller ist als mit der Tastatur, sei mal dahingestellt. Tatsache ist aber, dass sich der Anwender Maus und Touchscreen aus dem Alltag gewohnt ist. Smart-Goggles und die Steuerung mittels Sprache oder Gesten sind in anderen Branchen schon Realität; es ist also nur eine Frage der Zeit, bis solche Möglichkeiten auch das Handwerk erreichen.

Das Importieren und Verarbeiten von 3D-Daten wird immer wichtiger. Je nach WOP-Programm können unterschiedliche Formate verwendet werden. Bezugspunkte lassen sich wie in einem CAD einfach bestimmen oder verschieben. Ebenso können Bearbeitungen durch Anwählen einer Fläche platziert werden, das WOP generiert im Hintergrund die nötigen Daten wie beispielsweise die Ausrichtung des Werkzeugs. Mithilfe von Bedingungen kann der Anwender komplexe und variable Programme selber erstellen.

WOP auch in Zukunft gefragt

Ein weiteres grosses Thema sind 5-Achs-Bearbeitungen. Will man beispielsweise auf einer Kugel eine Schrift oder ein Bild eingravieren, müssen alle fünf Achsen interpolierend bewegt werden. Bei den meisten WOP-Programmen muss dafür ein zusätzliches Modul gekauft werden, welches stark an CAD-CAM-Systeme angelehnt ist. Max Stirnimann und Erich Amgwerd raten beide, sich genau zu überlegen, ob man solche Funktionen wirklich benötigt. «Mit dem Basisprogramm und der fünften Achse als Stellachse kann man schon sehr viel machen», sagt Stirnimann. Mit einem Kugelfräser lassen sich beispielsweise so auch Schüsseln oder Becken fräsen. «Für einmalige, spezielle Programmierungen lohnt es sich zu überlegen, ob man die Programmierung extern von einem Spezialisten auf einem CAD-CAM-System erstellen lassen will», gibt Amgwerd zu bedenken.

Denn diesbezüglich sind sich die Experten ebenfalls einig: WOP-Programme sind trotz erweitertem Funktionsumfang kein Ersatz für professionelle, aber auch sehr teure und komplexe CAD-CAM-Systeme. Genau darum ist allerdings auch nicht damit zu rechnen, dass WOP-Programme bald zugunsten von CAD-CAM verschwinden werden. «Die Möglichkeit, direkt an der Maschine mit ein paar einfachen Befehlen ein Programm anzupassen oder zu erstellen, bringt viel Flexibilität, die auch in Zukunft gefragt ist», sagt Max Stirnimann.

Dennoch dürfte sich in den nächsten Jahren insbesondere im Software-Bereich noch einiges bewegen. Denn mit der 5-Achs-Technik haben die CNC-Maschinen die Spitze der Entwicklung vorerst weitestgehend erreicht.

www.bruendler.chwww.hfb.chwww.scmgroup.comwww.homag.comwww.direkt.net

ph

Veröffentlichung: 05. Oktober 2017 / Ausgabe 40/2017

Artikel zum Thema

02. November 2023

Digitalisierung aus neuer Perspektive

Digitale baustellen.  Nicht nur die Schreinerbranche beschäftigt sich mit der Digitalisierung und sucht praxistaugliche Umsetzungsmöglichkeiten. Auch im Hoch- und Tiefbau ist die Entwicklung in vollem Gange und bringt spannende Möglichkeiten hervor.

mehr
17. August 2023

Noch reichlich Platz zum Auftischen

Webshops.  Schreinereien bieten ihre Produkte bislang eher selten zum Online-Einkauf an. Dabei könnte das Schreinerhandwerk digital noch reichlich auftischen, zumal die wichtigste Voraussetzung dafür praktisch in der DNA verankert ist: Einzigartigkeit.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Digitalisierung