Die Entdeckung eigener Möglichkeiten

Interzum.  Die internationale Zulieferbranche der Möbelindustrie und des Innenausbaus hat vergangene Woche in Köln ihre Neuheiten vorgestellt und teilweise sogar den Vorhang zukünftiger Projekte etwas gelüftet. Zu entdecken gab es einiges.

Es gibt verschiedene Gründe, einige Hundert Kilometer Anreise in Kauf zu nehmen, um eine Fachmesse zu besuchen. Zulieferteile sind bezahlbare Bauteile, mit denen jedes Angebot eines Handwerkers erst in die Realität umgesetzt werden kann. Das heisst: Wer die erhältlichen Serienteile, deren Möglichkeiten und Bezugsquellen früh kennt, kann seinen Kunden bessere Offerten machen. Eine so grosse Messe wie die Interzum bietet zudem die Chance, über den eigenen Tellerrand zu blicken, was vielleicht zu einer interessanten Ausweitung des eigenen Angebotes führt.

Vom 5. bis 8. Mai haben auf über 160 000 m2 mehr als 1561 Aussteller aus 57 Ländern – darunter 19 Firmen aus der Schweiz – alles gezeigt, womit auch Schreiner Kundenprodukte zaubern. Neben dem Innenausbau war der gesamte Möbelbereich angesprochen. Das betrifft auch komplexe Bauteile im Büro- und Polsterbereich. Auch wenn der textile Bereich den meisten Schreinern eher fremd sein dürfte, sind doch die entsprechenden Beschläge und Unterkonstruktionen ergänzend durchaus interessant.

Die 4. industrielle Revolution

Im Rahmen der Messeveranstaltungen wurde auch das 3D-Drucken vorgestellt, welches sich immer mehr auch für Schreinerbereiche eignet. Im Rahmen einer Sonderschau bekam der Besucher einen Einblick in die Maschinenwelt und die Produkt- möglichkeiten. Wie der Hocker auf dem Bild oben zeigt, gibt es durchaus ansprechende, reale Produkte, die einfach reproduzierbar sind und zu neuen Konstruktionen führen. Auf verhältnismässig günstige Weise lassen sich sehr komplexe Formen in immer besseren Qualitäten realisieren und auch überprüfen.

So richtig wertvoll ist dieses Produktionsverfahren bisher aber vor allem bei der Entwicklung oder Verbesserung von Produkten. Können doch so grundsätzlich auch komplizierte mechanische Elemente ohne Formkosten ausprobiert werden.

Interzum Award

Ein wichtiger Bestandteil ist mittlerweile auch der zum achten Mal im Vorfeld der Messe vergebene «Interzum Award». Unter dem Motto «Intelligent Material & Design 2015» haben 269 Produkte aus 21 Ländern dem sehr kritischen Blick der Jury stand- gehalten, und auch drei Firmen aus der Schweiz gehören zu den Preisträgern: die Lamello AG, die Novorit AG und die No Tool System AG. In den Verbindungszonen der Messehallen konnten alle prämierten Produkte auf verschiedenen kleineren Präsentationen betrachtet werden.

Zusammenspiel der Komponenten

Was aber zeigt sich für den planenden Handwerker Neues? Wie schon an den Möbelmessen ersichtlich war, sind natürliche Materialien und bestimmte Grundfarben ein wichtiges Thema, Anthrazit als Beschlagsfarbe für den Möbelinnenbereich kommt als Zusatz bei vielen Herstellern vor. Der dunkle Ton bietet die edle Grundlage, wodurch gerade naturfarbene Hölzer eine herausragende Wirkung erhalten. Entsprechend werden dann auch ergänzend Normelemente aus Holz angeboten.

Es geht nicht nur um technische Neuheiten, sondern um das perfekte Zusammenspiel bestehender und neuer Komponenten. Die Peka System AG hatte dazu Beispiele auf der Messe, womit die Wirkung und das Zusammenspiel ihrer Linien begreifbar gemacht wurden. Neuheiten, wie ihr Abfall-auszugssystem, boten dabei die gleiche Eleganz wie die edel wirkenden Teile im Kleiderschrankbereich.

Der Schreiner steht im Vordergrund

Ein grosses Thema ist bei vielen Anbietern auch die Modellpflege. Dabei gilt es, nicht nur auf optische Verbesserungen zu achten, sondern auf deren Funktionen. Stark vereinfachte Montagen, bessere Einstellbarkeiten und Zugänglichkeiten sind die Folge. Die Eku AG kann in Zukunft einen Schiebetürbeschlag anbieten, der es erlaubt, Innenschubladen ohne seitliche Aufdoppelungen zu verwenden, und der Türdicken von 16 bis 36 mm zulässt. Der Schreiner soll ein stark vormontiertes Produkt erhalten, welches in 15 Minuten fertig montiert werden kann. Überhaupt bieten viele Beschlägehersteller Systeme an, die besser aufeinander abgestimmt sind und dem Handwerker durchgängigere Möglichkeiten bieten. Das vereinfacht sehr oft die Planung und anschliessend die Montage. Der italienische Hersteller O.M.M. s.a.s bietet beispielsweise ein extra flaches Aufhängesystem für Korpusse, welches auf einfache Weise mit einem Imbusschlüssel verstellt werden kann.

Professionelles Spezialwissen

Vereinfachungen gibt es aber auch auf ganz anderen Gebieten. Um der Kundschaft immer optimale Vorschläge unterbreiten zu können, braucht es spezialisiertes Fachwissen. Die Vertiefung in jede Schattierung eines Angebotrahmens ist für kleinere Betriebe aber schlicht nicht möglich. Die Firma Häfele hat sich in der Vergangenheit schon stark mit Planungshilfen, beispielsweise im Schrankbereich, befasst und bietet neu den Bereich Büro in seiner ganzen Vielfalt an. Auch ein kleiner Schreinerbetrieb soll befähigt werden, Betriebe bezüglich ihrer Büroausstattung kompetent zu beraten.

Das fängt bei Gesprächsvorbereitungen an, die klarstellen, wie der Nutzungsverlauf in einem Betrieb ist. Ob die Arbeitsplätze beispielsweise fixen Personen zugeteilt oder eher mobil genutzt werden. Das hat dann Auswirkungen auf die erforderlichen Korpusse. Es betrifft auch die elektronischen Möglichkeiten, wie Ladestationen oder die zentrale Entriegelung verschiedener Komponenten durch einen Chip am Schlüsselbund, der bei Anwesenheit auf eine Kontaktstelle gelegt werden kann.

Etwas weiter als normal

Die Messe bot verschiedenste Möbelkomponenten wie Tisch- und Stuhluntergestelle. Die Vielzahl an höhenverstellbaren Komponenten im Tischbereich ist sehr gross, denn eine rein sitzende Haltung entspricht nicht mehr dem aktuellen Stand ergonomischen Arbeitens.

Die Nähe zu den Polstermöbeln bot aber auch einen Einblick in Funktionsbeschläge, die dem Schreiner nicht geläufig sind, da sie für bestimmte Funktionen gebaut werden. Es tut aber dennoch gut zu wissen, was wo erhältlich wäre, denn mancher Kundenwunsch könnte dadurch etwas einfacher erfüllt werden. Das gilt im Besonderen bei den Stühlen.

Theoretisch ist jede Schreinerei bei Bedarf in der Lage, einen individuellen Bürostuhl zu fertigen. Dabei geht es um Stühle mit den gängigsten Grundfunktionen, denn die Sitzmechanik mit Gasfeder und Fusskreuz ist in vielen Ausführungen in kleinen Mengen erhältlich und einfach zu montieren. Fusskreuze können mit Gleitern oder Rollen, aber auch für Korpusmöbel verwendet werden. Gerade moderne Modelle mit nur vier oder drei Auslegern bieten ein hohes Gestaltungspotenzial, denn auch die Verbindungselemente nach oben sind dazu erhältlich.

Normteile für ganz Spezielles

Ähnlich wie bei den Beschlägen gab es natürlich auch Halbfabrikate aus Holz, die Chancen bieten. Eine Möglichkeit, die sonst vor allem industriell genutzt wird, sind Formsperrholzschalen. Verschiedene Stände wiesen auf die immensen Möglichkeiten mit diesem Material hin. Interessant zu wissen ist: Jeder Hersteller hat auch Pressformen, die nicht einem bestimmten Kunden gehören und somit frei verwendbar sind. Die Firma Hess + Co. AG ist beispielsweise in der Lage, auch kleine Stückzahlen mit individuellen Abschlussfurnieren, entsprechend dem Kundenwunsch, zu verpressen. Die weitere Bearbeitung kann durch Aussägen und Einschleifen erfolgen oder auch gleich im Werk vorgenommen werden. Dass Hess auch geprüfte, schwer entflammbare Sperrhölzer fertigen kann, ist dabei noch ein positiver Zusatz.

Subtile Wirkungen

Bei HPL-Oberflächen waren neben immer besseren Holzimitaten hochglänzende und sehr matte Oberflächen ein wichtiges Thema. Gerade die Kombination dieser Glanzgrade schafft auf subtile Weise eine Wertigkeit bei ansonsten schlichten Elementen.

Wer mit offenen Augen und einem Rucksack voller Produktionswünsche an diese Messe kam, hat mit Sicherheit die eine oder andere Entdeckung gemacht, die das eigene Angebot beeinflussen wird.

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Veröffentlichung: 14. Mai 2015 / Ausgabe 20/2015

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