Die Holzdetektive


Die Mitarbeiter untersuchen Holz-proben zunächst mit der Lupe. Hier erhalten sie erste wichtige Hinweise über die Herkunft des Holzes. Bild: Martin Egbert
Die Mitarbeiter untersuchen Holz-proben zunächst mit der Lupe. Hier erhalten sie erste wichtige Hinweise über die Herkunft des Holzes. Bild: Martin Egbert
Holzdeklaration. Das Kompetenzzentrum Holzherkünfte in Hamburg deckt illegale Machenschaften im globalen Handel mit Holz auf - und das mit zunehmendem Erfolg. Mittlerweile erkennen die Forscher einzelne Hölzer sogar in Faserplatten oder Holzkohle.
Gerald Koch eilt durch den schmalen Gang in Richtung Prüflabor, vorbei an einem Sammelsurium sichergestellter Gegenstände und alltäglicher Prüfmuster. Da sind Anrichten aus Palisander, aufgesägte Musikinstrumente, Skateboards, Obstmesser, ein Backgammon-Spielbrett, pinke Holzenten und eine Fischskulptur aus Teak. «Gartenmöbel und hölzerne Osterhasen haben wir gerade hinter uns, nun erwarten wir die für das Frühjahr übliche Flut an Holzspielzeug für Weihnachten – wir prüfen ja antizyklisch.» Koch leitet das Kompetenzzentrum Holzherkünfte im Thünen-Institut in Hamburg-Bergedorf (siehe Kasten). Gemeinsam mit seinem 15-köpfigen Team überprüft er die Deklarationen international gehandelter Hölzer und Holzprodukte. Mithilfe des Institutes wurde schon so einiges aus dem Verkehr gezogen, ob Gitarrengriffbretter aus geschütztem Rosenholz oder Gartentische aus 20 verschiedenen Arten Tropenholz anstatt aus Eukalyptus, wie vom asiatischen Lieferanten angegeben. Wie vielseitig und umfassend uns der nachwachsende Rohstoff Holz durch das Leben begleitet, verdeutlicht im Labor der Blick auf den Tisch mit den Proben des Tages.
In flachen Kästen warten Gläser mit Spanplatten-Bröseln, zerquetschte Kaffeebecher aus Pappe, buntes Kindergeschirr aus Bambus, Tüten mit Holzkohle oder Parkettbretter aus Nussbaum. Koch nimmt ein würfelgrosses Klötzchen aus Schichtholz zwischen Daumen und Zeigefinger. «Dieses Stück aus 19 Lagen kann bis zu zehn verschiedene Sorten enthalten, die Hersteller sind mittlerweile in der Lage, gerade einmal 0,2 Millimeter dicke Hölzer aufeinander-zuleimen.»
Die Tür geht auf. Ein bekannter Holzhändler geht auf Koch zu, mit einen Jutebeutel in der Hand, worin Abschnitte von rötlichen Hölzern für Terrassendielen klappern. Der Händler ist skeptisch, ob es sich bei den Mustern einer grossen Lieferung um Bangkirai-Holz handelt. Zumindest hatte er das so geordert. Und angeblich auch bekommen. «Die Dokumentation des Lieferanten wies die Ladung korrekt und eindeutig als solches aus», sagt der Händler, der regelmässig Holzimporte am Thünen-Institut prüfen lässt. Nach dem Aufsägen aber stieg ein säuerlicher Geruch aus dem Holz. Bangkirai ist geruchsneutral. Mit einem Cutter schneidet Koch einen Span aus der Probe, schnuppert und setzt eine Lupe ans Auge. Schnell ist er sich sicher. «Das Holzgewebe zeigt beste Übereinstimmung mit Kapur, zu erkennen unter anderem an den solitären Gefässen, die kommen in Bangkirai gruppiert vor.» Kapur hat zwar ähnliche Eigenschaften wie Bangkirai, kostet aber 300 bis 400 US-Dollar (300 bis 400 Franken) pro Kubikmeter weniger. «Früher wäre das wohl so verbaut worden», sagt der Holzhändler. Seit Inkrafttreten der EU-Holzhandelsverordnung EUTR vor rund fünf Jahren aber sind sowohl er als auch der Verarbeiter nun in der Pflicht. Lückenlos müssen sie Art und Herkunft des Holzes nachweisen. Gerald Koch verspricht, bis zum Abend ein gerichtsfestes Gutachten zu erstellen. Nicht zufällig wurde das Kompetenzzentrum mit Inkrafttreten der europäischen Holzhandelsverordnung gegründet. Diese verbietet Import und Handel mit illegal geschlagenem Holz oder Produkten daraus und verpflichtet einführende und verarbeitende Unternehmen zur Sorgfalt. Die Verordnung hat auch für aus der Schweiz in die EU exportiertes Holz und Holzprodukte Gültigkeit (siehe Kasten Seite 20).
Der globale Handel mit dem nachwachsenden Rohstoff ist immer unübersichtlicher geworden. Die Menge des verbrauchten Holzes hat sich innerhalb der letzten 50 Jahre verdoppelt. Mit ihr gewachsen ist der illegale Holzeinschlag. Bis zu 17 Prozent der globalen Holzernte stammt nach einer Studie des Thünen-Instituts aus illegalen Quellen. Ein Milliardengeschäft mit katastrophalen Folgen für Klima, Umwelt und Artenvielfalt. Die Bilanz des Kompetenzzentrums im Kampf dagegen kann sich sehen lassen. Jedes Jahr seit der Gründung haben die Prüfaufträge um 30 Prozent zugenommen. 2018 erstellten Koch und sein Team 1400 Gutachten, auf der Grundlage von etwa 24 000 Einzelproben. Viele Anfragen kommen aus anderen europäischen Ländern, wie Grossbritannien, Österreich, den Beneluxstaaten oder der Schweiz. «Wir sind in Europa führend, was die geprüfte Menge sowie die Kompetenz angeht.» Auftraggeber sind Zoll- und Umweltbehörden sowie die deutsche Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, die für die Kontrolle von Unternehmen zuständig ist, die Holz oder Holzprodukte in Deutschland einführen. Vier Fünftel der Prüfungen aber werden freiwillig in Auftrag gegeben, vor allem von Möbelhändlern, Discountern, Baumarktketten, aber auch von Privatpersonen oder Umwelt- und Konsumentenschutzorganisationen.
Und traditionell von Holzhändlern – so wie heute. Eine Mitarbeiterin sägt die Proben des Hamburger Händlers in Würfel und kocht sie weich. Erst dann lässt sich das Holz in hauchdünne Scheiben hobeln, die man unter dem Mikroskop auf anatomische Strukturmerkmale prüfen kann. Um die dafür erforderlichen 0,02 Millimeter in einem Stück zu erhalten, braucht es einen klobigen Spezialschneider sowie viel Fingerspitzengefühl und Geduld. Am Ende kann man wirklich durch das Holz hindurchschauen und die Strukturen klar erkennen. «Die Vorbereitung der Proben ist eine wichtige Voraussetzung und erfordert zumeist den grösseren Aufwand, die mikroskopische Bestimmung der Hölzer dauert dann häufig nur wenige Minuten», erklärt Gerald Koch.
Erst am späten Nachmittag wird er deshalb die Probe vergleichen können, mithilfe der etwa 50 000 mikroskopischen Dauerpräparate des Institutes sowie einer digitalisierten Datenbank. Mit wenigen Klicks am Computer kann der Wissenschaftler die wichtigsten der 100 anatomischen Merkmale abrufen beziehungsweise eingrenzen. Schnell lässt sich anschliessend die Anzahl der möglichen Gattungen und Arten auf einige wenige reduzieren. «Manchmal dauert die Bestimmung aber auch Stunden oder in seltenen Fällen gar Tage.» Dann muss Koch mithilfe internationaler Datenbanken recherchieren oder in der Xylothek des Hauses, eine der grössten Sammlungen der Welt. In langen Schieberegalen lagern um die 35 000 Muster von 12 000 Holzarten.
In den fünf Jahren seit seiner Gründung hat das Kompetenzzentrum aber auch Methoden weiterentwickelt. Etwa mithilfe von Genmarkern können die Wissenschaftler mittlerweile die genaue Herkunft von Holz ermitteln – vorausgesetzt, sie verfügen über Referenzproben aus der betreffenden Region. Diese zu sammeln, ist eine schwierige Aufgabe und wird noch viel Zeit in Anspruch nehmen. Derzeit liegen sie schon flächendeckend für die Herkunftsgebiete von Weisseiche aus Nordamerika, Europa und Asien sowie von Europäischer und Sibirischer Lärche vor, die zu den Boomhölzern der letzten Jahre zählen.
Neue Möglichkeiten entwickelten die Wissenschaftler unter anderem bei der Untersuchung von Faserplatten wie MDF und Papier. In den sehr kleinen Bestandteilen der Faserplatten und in den stark zerkleinerten und erhitzten Holzfasern im Papier sind die meisten der 100 diagnostischen Strukturmerkmale zerstört. Die daraus gezogenen Proben sind kaum mehr als ein paar Fussel, die für einen verbesserten Kontrast dunkel gefärbt werden.
Die Wissenschaftler können in ihnen noch erstaunlich viel entdecken. Mittlerweile sind sie in der Lage, ein grosses Spektrum an Laubhölzern aus temperierten und tropischen Verbreitungsgebieten allein anhand der individuellen Gefässtypen zu bestimmen, die in diesen Produkten noch zu erkennen sind. So können sie zum Beispiel geschützte Tropenhölzer in Papier nachweisen und sich damit in eines der dringendsten Probleme der weltweiten Holznutzung einmischen. Zwar ist das papierlose Büro in aller Munde. Der Verbrauch von Papier aber ist nicht zuletzt durch den stark wachsenden Versandhandel oder die To-Go-Kultur enorm gestiegen. Die Angaben über das im Papier enthaltene Holz dagegen sind sehr oft fehlerhaft. Das Kompetenzzentrum konnte zum Beispiel der Umweltschutzorganisation Greenpeace helfen, einem chinesischen Papierhersteller in Indonesien die Verarbeitung von Ramin nachzuweisen. Das Tropenholz unterliegt den Bestimmungen des Washingtoner Artenschutzabkommens Cites. Die Orang-Utans von Borneo und Sumatra leben in Sumpfwäldern aus Ramin-Bäumen. Schon seit 2001 gilt in Indonesien ein Exportverbot für das Holz.
Der Arbeitstag im Kompetenzzentrum Holzherkünfte neigt sich langsam seinem Ende entgegen. Gerald Koch setzt sich an ein Mikroskop. Das Gutachten für den Hamburger Holzhändler muss noch erstellt werden. Die vier Präparate des angeblichen Bangkirai liegen vor ihm, hauchdünn geschnitten und zwischen gläserne Objektträger gepresst. Schnell sieht der Wissenschaftler seine Vermutung vom Morgen durch den eindeutigen mikroskopischen Beweis bestätigt. Das kann dem Händler helfen, sich erfolgreich gegen die falschen Angaben des Vorlieferanten zu wehren. Mit der selben Methode können Koch und sein Team die Einfuhr von illegal geschlagenem Holz verhindern. Wenn es denn zu einer lückenlosen und flächendeckenden Kontrolle kommt. Angesichts der komplexen globalen Handelswege sowie der grossen Mengen ist dies noch ein langer Weg.
Koch schätzt die Wirkung seiner Arbeit für den Schutz natürlicher Wälder trotzdem hoch ein. «Wir merken an den Aufträgen eine zunehmende Sensibilisierung vor allem des Handels», sagt er. «Das hat Auswirkungen auf die Holzproduzenten in der ganzen Welt.» Und dann eilt Gerald Koch über den engen Flur mit dem bunten Sammelsurium geprüfter Gegenstände zurück in sein Büro. An der Tür hängt ein Schild: «Holzdetektei Koch. Kenne ich nicht, gibt es nicht, und wo Eiche drauf steht, muss auch Eiche drin sein.»
Das Kompetenzzentrum Holzherkünfte ist Teil des Thünen-Instituts für Holzforschung in Hamburg-Bergedorf (D). Das Thünen-Institut ist ein Verbund von Forschungseinrichtungen aus den Bereichen ländlicher Raum, Wald und Fischerei. Der Verbund ist Teil des deutschen Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Vergleichbar in der Schweiz sind etwa die Forschungseinrichtungen Agroscope (Landwirtschaft) oder WSL (Wald). Das Thünen-Institut oder vielmehr die Thünen-Institute forschen fachübergreifend mit dem Ziel einer nachhaltigen Weiterentwicklung von Land-, Forst- und Holzwirtschaft sowie der Fischerei.
www.thuenen.deEin wahrer Coup gelang in Hamburg-Bergedorf in den letzten beiden Jahren mit dem Nachweis von Tropenholz in Grillkohle, das als heimisches Laubholz ausgezeichnet war. Die Umweltschutzorganisation WWF sowie Schweizer und österreichische Konsumentenschutzorganisationen hatten die Untersuchung der Holzkohle-Sortimente in Auftrag gegeben. Ein Drittel war falsch deklariert. Das Ergebnis sorgte für Aufsehen. Einem der grössten Produzenten wurde das FSC-Siegel für nachhaltige Forstwirtschaft entzogen.
Tropenholz in Grillkohle ist nicht ver- boten, solange das korrekt ausgezeichnet ist und die Kohle keine geschützten Arten enthält.
Grillkohle unterliegt bisher nicht der europäischen Holzhandelsverordnung, ebenso wenig wie Gartenstühle. Gartentische dagegen schon. «Ein Paradoxon, das hat irgendeine Lobby durchgesetzt, diese Lücken müssen dringend geschlossen werden», sagt Gerald Koch und schüttelt den Kopf. Fast ein Fünftel des weltweit genutzten Holzes wird zu Kohle verarbeitet. Wie aber lässt sich das Holz von Grillkohle überhaupt bestimmen? Das brüchige und spröde Material kann man nicht wie normales Holzgewebe in dünne Scheiben schneiden. Stattdessen brechen die Wissenschaftler die Kohle und legen die Bruchkante unter ein erst vor einigen Jahren entwickeltes 3-D-Mikroskop. Dieses scannt die unterschiedlichen Höhen der Bruchebenen und setzt sie zu einem Bild zusammen. «Das geht so schnell, dass man in wenigen Sekunden eine hochwertige Aufnahme erhält.»
Volker Haag, wissenschaftlicher Mitarbeiter und spezialisiert auf Holzkohle, zeigt auf den Bildschirm, auf dem schwarze und grüne Zellstrukturen zu sehen sind. «Den Unterschied zwischen heimischem und tropischem Holz erkenne ich sehr schnell an der unterschiedlichen Anordnung der Poren und an den Speicherzellen.» Tropenholz wächst das ganze Jahr über und hat überwiegend zerstreut angeordnete Poren mit markanten Speicherzellen. Heimische Laubhölzer dagegen zeichnen sich durch ringporige Strukturen mit grossen Frühholz- und kleinen Spätholzgefässen aus. Mit der Analyse weiterer anatomischer Unterschiede lassen sich dank des 3-D-Mikroskops auch bei Holzkohle die Gattungen der Hölzer ermitteln.
In der Schweiz gilt seit 2010 die Deklarationspflicht für Holz und Holzprodukte. Sie verpflichtet den Verkäufer von Holz und Holzprodukten, die Konsumenten transparent zu Holzart und -herkunft beim Kaufentscheid zu informieren.
www.konsum.admin.chwww.vssm.ch/holzdeklarationVeröffentlichung: 18. Juni 2020 / Ausgabe 25/2020
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