Der moderne Klassiker für die Schreinerei


Noch gibt es erst wenige Weissleime mit biobasierten Rohstoffen. Doch die Hersteller investieren in deren Entwicklung, um weg vom Erdöl zu kommen. Bild: Jowat Swiss AG
Noch gibt es erst wenige Weissleime mit biobasierten Rohstoffen. Doch die Hersteller investieren in deren Entwicklung, um weg vom Erdöl zu kommen. Bild: Jowat Swiss AG
Dispersionsklebstoffe. Auch beim Weissleim wird das Thema Nachhaltigkeit immer wichtiger, und moderne Produkte punkten mit ökologischen Inhaltsstoffen. Grund genug für den Schreiner, die neusten Entwicklungen und Produkte zu kennen.
Viele Schreinereien bevorzugen seit Jahrzehnten Dispersionsklebstoffe für Innenausbauarbeiten, sei es zum Furnieren, Belegen oder zum Verleimen von Massivholz. Dies hat gute Gründe, denn auch der klassische Weissleim punktet bereits mit vielen Vorteilen. Der Leim ist sehr einfach in der Anwendung und muss nicht angemischt werden, Werkzeuge wie Leimrollen lassen sich mühelos mit Wasser reinigen nach Gebrauch. Die Verarbeitung ist denkbar einfach, und die Anwendungen sind breit: Mit kurzen Presszeiten ab zehn Minuten bei Raumtemperatur und der flexiblen Anwendung in Kalt-, Warm- und Hochfrequenzpressen bleiben in der Produktion praktisch keine Wünsche offen. Auch bei den Eigenschaften müssen wenige Abstriche gemacht werden, viele Produkte erreichen durch Beimischen von Härtern die höchste Wasserbeständigkeitsklasse D4 für den Innenbereich. Nur bei der Hitzebeständigkeit und für Anwendungen, wo allgemein sehr hohe Anforderungen vorhanden sind, sind Harnstoff-Formaldehyd- oder PUR-Kleber die bessere Wahl.
Ebenfalls ein zentraler Punkt ist, dass Dispersionskleber sehr emissionsarm sind, sie geben kein gesundheitsschädliches Formaldehyd ab und weisen je nach Produkt keine oder nur geringe Anteile an flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) auf. Dies ist nicht nur für die Gesundheit der Mitarbeitenden wichtig, auch die Kundschaft, welche die Produkte des Schreiners über Jahre nutzt, profitiert von einer schadstofffreien Raumluft.
Argumente, die aktuell stark an Bedeutung gewinnen, sind Ökologie und Nachhaltigkeit. Kunden verlangen vermehrt nach ökologischen Produkten, und traditionell kann sich der Schreiner mit seinem nachwachsenden Rohstoff Holz in diesem Bereich gut positionieren. Viele Firmen haben daher Begriffe wie Ökologie und Nachhaltigkeit in ihren Leitbildern längst als zentrale Leitmotive etabliert. «Ökologie ist heute ein wichtiges Verkaufsargument und daher verfolgen grössere Firmen heute klare Nachhaltigkeitsstrategien», sagt Simone Kaiser von der Jowat Swiss AG mit Sitz in Buchrain LU. Jowat Swiss ist eine Tochtergesellschaft der Firma Jowat SE mit Sitz in Detmold (D). Jowat bietet als einer der ersten Hersteller einen Klebstoff mit einem Anteil an nachwachsenden Rohstoffen (Produktlinie «Green Adhesive»).
Es gilt jedoch zu beachten, dass sich das ökologische Denken inzwischen über sämtliche Bereiche der Herstellung erstreckt und nicht nur die Auswahl der primären Rohstoffe umfasst. Die Produktionstechnik rückt vermehrt in den Fokus, und somit werden anteilsmässig geringe Komponenten wie Klebstoffe auch zum Thema. Wer ein ökologisch produziertes Möbel wünscht, macht sich auch Gedanken, welche Klebstoffe bei der Herstellung eingesetzt werden und welche Rohstoffe dort zum Einsatz gelangen. «Die Nachfrage nach ökologischen und nachhaltigen Klebstoffen steigt konstant. Der Impuls kommt oft von Schreinereien selbst, die ihr Unternehmen nachhaltiger aufstellen wollen», sagt Kari Huber von der Collano AG. Die Firma mit Sitz in Sempach LU gehört zu den führenden Herstellern von Klebstoffen in der Schweiz. Sie hat emissionsarme Klebstoffe im Angebot (z. B. Collano FL 330) und arbeitet aktuell an der Entwicklung von biobasierten Klebstoffen.
Kunden erwarten heute also nicht nur zertifizierte Hölzer, sondern legen zunehmend Wert darauf, dass auch die eingesetzten Klebstoffe höchsten Umweltstandards entsprechen. Nebst der Emissionsarmut ist vor allem der Begriff der Nachhaltigkeit hier prägend. Traditionell basieren Weissleime auf Polyvinylacetat (PVAc). Für die Herstellung von PVAc werden heute in der Regel fossile Rohstoffe, also primär Erdöl verwendet. Da Erdöl eine endliche Ressource ist, sind klassische Weissleime nicht nachhaltig, weil sie nicht auf nachwachsenden Rohstoffen basieren. Wird also ein klassischer Weissleim bei einem Möbel verarbeitet, ist der Grundgedanke der Nachhaltigkeit im Prinzip infrage gestellt. Der Ersatz von erdölbasierten Produkten durch nachhaltige Möglichkeiten wird in sehr vielen Bereichen diskutiert, wo die Materialeigenschaften wichtig sind, beispielsweise bei Verpackungen, Kleidung oder Baumaterialien. Um Kundenanforderungen zu erfüllen, versuchen Hersteller, diese Lücken zu schliessen. Auch bei der Klebstoffherstellung sind daher Bestrebungen im Gange. Neuere Entwicklungen fokussieren sich verstärkt auf die Reduktion von umwelt- und gesundheitsbelastenden Inhaltsstoffen. Innovative Hersteller setzen auf formaldehydfreie Rezepturen, den Verzicht auf Lösemittel und die Nutzung nachwachsender Rohstoffe.
Ökologische und nachhaltige Weissleime sind zwar grundsätzlich sinnvoll, doch was können diese Produkte leisten, und wo liegen die Unterschiede zu den bewährten Klassikern? «Es tut sich einiges. Die grösste Entwicklung betrifft die Rohstoffe», sagt Huber. Immer mehr Hersteller steigen von fossilen auf nachwachsende, also biobasierte Rohstoffe um. Das heisst, die Grundstoffe für moderne Klebstoffe kommen zunehmend aus Pflanzenölen, Holz, Zucker oder sogar aus Proteinen wie Kasein. Als Rohstoffquelle können Abfälle oder Nebenprodukte der Industrie genutzt werden. Ein Beispiel dafür kann Lignin sein, das bei der Papierherstellung anfällt. Diese werden dann chemisch so umgewandelt, dass sie als Basis für neue, leistungsfähige Klebstoffe dienen. Das bringt Vorteile: Die neuen Bio-Kleber sind oft nicht nur umweltfreundlicher, sondern können auch technisch mithalten oder sogar besser sein als die alten, auf Erdöl basierenden Produkte, zum Beispiel mit kürzeren Presszeiten, besserer Wasserfestigkeit oder besserem Verhalten bei der Verarbeitung. «Beim Umstieg auf unseren biobasierten Weissleim muss nichts beachtet werden, die Eigenschaften sind gleich», bestätigt Simone Kaiser. Hat der gewünschte Hersteller ein biobasiertes Produkt im Angebot, muss der Schreiner meist nicht mehr zwischen «ökologisch» und «funktional» entscheiden; mit den richtigen Bio-Klebstoffen geht beides.
Der Umstieg auf ein neues Produkt ist immer mit Unsicherheiten verbunden, besonders bei Klebstoffen. Der Schreiner muss sich darauf verlassen können, dass eine Verbindung jahrzehntelang hält und die Verarbeitung in der Produktion effizient funktioniert. Hier bieten die Hersteller in der Regel einen guten Support, indem sie den Kunden vor und nach dem Wechsel mit Mustern und Tests unterstützen und auch vor Ort in der Produktion bei der Umstellung helfen.
Biobasierte Weissleime bieten zwar grosse Chancen für mehr Nachhaltigkeit im Schreinerhandwerk, bringen aber auch spezifische Herausforderungen mit sich.
Trotz der Einschränkungen und Unsicherheiten, die heute noch existieren, lohnt es sich, den ökologischen Weg einzuschlagen. Die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten wächst, getrieben von Kundennachfrage, Gesetzgebung und neuen technischen Möglichkeiten. Schreinereien, die früh auf diese Entwicklung setzten, können sich im Wettbewerb von der Konkurrenz abheben. Wer offen für Innovationen ist, hat die Chance, zu profitieren, sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich.
Datenblätter genau prüfen
Wer nachhaltige Klebstoffe für die Schreinerei sucht, muss darauf achten, nicht auf Greenwashing hereinzufallen. Der Begriff bezeichnet den Versuch von Unternehmen, Organisationen oder auch Regierungen, sich durch gezielte Marketingmassnahmen ein umweltfreundliches und nachhaltiges Image zu verschaffen, ohne entsprechende Massnahmen zu ergreifen. Da konkrete gesetzliche Vorschriften aktuell meist noch fehlen, ist der Spielraum für irreführende Bezeichnungen, erfundene Labels und Zertifikate besonders hoch.
Das Hauptziel von Greenwashing ist es, Wettbewerbsvorteile zu gewinnen und die Kaufentscheidungen von Kunden zu beeinflussen. Meist hilft es, Datenblätter und Detailinformationen zu studieren, um Sicherheit zu den tatsächlichen Produkteigenschaften zu erhalten.
Nachhaltigkeit bedeutet, Ressourcen so zu nutzen, dass die Bedürfnisse der heutigen Generation erfüllt werden, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zu gefährden. Ein zentrales Prinzip dabei ist, dass nicht mehr konsumiert werden darf, als der Planet natürlich regenerieren kann. Nachhaltigkeit umfasst ökologische, ökonomische und soziale Aspekte und strebt ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft an. Praktisch bedeutet das, umweltfreundlich zu produzieren, Energie effizient einzusetzen, Abfall zu minimieren und faire Arbeitsbedingungen zu schaffen, mit dem Ziel, eine lebenswerte Welt dauerhaft zu erhalten.
Veröffentlichung: 12. Juni 2025 / Ausgabe 24/2025
Linoleum. Bei Schreibtischen und Sekretären wird Linoleum aufgrund seiner angenehmen Haptik besonders gerne eingesetzt. Dank seiner natürlich antibakteriellen und pflegeleichten Eigenschaften macht das Material aber auch in der Küche eine gute Figur.
mehrForschung. An der Tagung des Netzwerkes S-Win am Donnerstag vergangener Woche in den Räumlichkeiten der BFH in Biel BE, präsentierten Forschende die Ergebnisse ihrer Arbeit. Unter anderem standen der Einsatz von Tannenholz sowie Unterhaltssysteme von Fassaden im Fokus.
mehrPaidPost. Der erste Argolite Montage-Leitfaden ist da. Mit dessen Hilfe können Schreinerinnen und Schreiner individuelle Wandverkleidungen im Badezimmer spielend leicht realisieren.
mehr