Die innere Haltung entscheidet

Der Tisch «Tense» von MDF Italia ist 35 mm dünn und bis zu 4 m lang – dank rahmenverstärkter Platte mit Waben aus Aluminium. Bild: MDF Italia

Leichtbauplatten.  Gewichtsreduktion ist nur ein Aspekt bei Werkstoffen. Aber ein gewichtiger, wenn es um Bauteile wie Türen geht, die immer grösser werden. Und leichte Werkstoffe haben weitere besondere Eigenschaften, wie so manch jüngere Beispiele zeigen.

Würde man Holz so weit verdichten, dass keine Hohlräume mehr vorhanden sind, wären alle Holzarten annähernd gleich dicht. Die reine Holzmasse der Zellwandsubstanz liegt bei etwa eineinhalb Tonnen je Kubikmeter – egal ob Fichte oder Eiche. Doch Hölzer sind eben ziemlich optimierte Leichtbaukonstruktionen. Verantwortlich dafür ist ihre innere Struktur, durchsetzt mit zahlreichen Hohlräumen, die von Wandungen umgeben und in arttypischer Formation angeordnet sind. Solche zweckmässige Strukturen, die viel Luft enthalten und damit Rohstoffe einsparen, suchen auch die Produktentwickler für leichte Werkstoffe und verfolgen dabei ganz unterschiedliche Ansätze.

Struktur heisst Luft geben

Dabei kommen vor allem zwei Prinzipien zum Einsatz: leichte, meist poröse, aber ausfüllende Materialien in der statisch neutralen Mittellage einer Platte oder aber das Überbrücken dieser Zone mittels Stegen, gröberer Strukturen und deutlich sichtbarer Hohlräume. Sehr vereinfacht ausgedrückt – entweder mit einer Schaum- oder mit einer Wabenstruktur. Was oft vergessen wird: Auch Span- und Faserplatten weisen ein Rohdichteprofil auf. Im Zug- und Druckbereich der äusseren Schichten sind die Späne und Fasern feiner als im mittleren Bereich einer Platte, sonst wären diese Werkstoffe deutlich schwerer, ohne besondere, weitere Effekte damit erzielen zu können. Denn intelligente, sprich effiziente und zweckmässige Tragstrukturen sind nicht homogen, sondern optimiert und strukturiert.

Schäume stossen auf Skepsis

Während Verbundmaterialien mit geschäumter Mittellage in vielen hochtechnisierten Branchen wie der Windenergie, der Luftfahrt, dem Automobil- oder Eisenbahnbau unverzichtbar sind, werden solche Werkstoffe von Schreinern kaum nachgefragt. «Schreiner und Holzbauer wollen mit Holz arbeiten. Unsere Kunden sind andere», sagt Philipp Zurflüh, Geschäftsleiter der Coratec AG in Gunzgen SO. Das Unternehmen produziert leichte Werkstoffe, überwiegend im Sandwichaufbau mit geschäumter Mittellage.

PUR-, EPS- oder XPS-Schäume liegen bezüglich der Rohdichte meist zwischen 150 und 250 kg/m3 und sind damit nochmals deutlich leichter als die hölzigen Fliegengewichte wie etwa das bekannte Balsaholz. Grosser Vorteil der Schäume ist ihre Einstellfähigkeit. Nicht nur das Gewicht kann sehr variabel sein, auch Brand-, Schall- oder Wärmeschutzeigenschaften können durchaus gleichzeitig erreicht werden.

Oft mit Aluminium, aber auch Kunststoff, HPL, Fasern- oder Spandecks belegt, sind solche Verbundmaterialien punkto Wiederverwertung aber schwierig und hinterlassen einen grossen ökologischen Fussabdruck. Nachhaltigere Varianten solcher Werkstoffe rücken deshalb immer wieder in den Mittelpunkt.

Popcorn bislang ohne Biss

Ein Forschungsprojekt der Universität Göttingen hat es vor zwei Jahren aufgezeigt: Sandwichplatten mit einem Kern aus Popcorn, also extrudierten Maiskörnern, sind möglich und zielführend als Ersatz für die nicht zukunftsfähige Herstellung von erdölbasierten Schäumen. Bei der Prüfung der mechanischen Kennwerte zeigte sich, dass solche Platten trotz ihres deutlich geringeren Gewichtes ähnliche Eigenschaften wie handelsübliche Spanplatten haben. Je nach Art der Deckschicht können solche Popcorn-Sandwichplatten auch deutlich höhere Steifigkeitseigenschaften erreichen.

Zuvor wurden Verbundplatten aus Holzspänen und Maisgranulat entwickelt, die vom Hersteller Pfleiderer heute unter dem Namen «Balance Board» verkauft werden. Das Unternehmen hat nach Auskunft von Branchenkennern auch die Verwertungslizenz für die patentierte, stoffreine Leichtbauplatte aus Mais erworben. Ein Produkt in dieser Form ist aber bis heute nicht am Markt. Der Platzhirsch ist und bleibt vorerst das erdölbasierte Styropor, das vor einiger Zeit – ein Schelm, der Böses dabei denkt – in «Airpop» umgetauft wurde.

Massiv leichter als Gips

Auch im Ausbau zur Beplankung von Ständerkonstruktionen gibt es zu den Gipskartonplatten Alternativen. Etwa die zu 96 % aus Blähglas bestehende Platte «Vero Board Rapid». Die Leichtbauplatte bringt mit 5 kg/m2 etwa nur die Hälfte der Gipsvariante auf die Waage, lässt sich aber genauso verarbeiten. Laut Hersteller schadstofffrei und diffusionsoffen, soll diese zu einem guten Wohlfühlklima im Raum beitragen.

Waben an der Wand

Die Alternative zu leichten Vollplatten stellt ein Tragwerk aus Waben- oder Stegplatten dar. Dieses macht auch vor dem Ausbaugewerbe nicht halt, auch wenn solche Platten bislang eher weniger üblich und bekannt sind.

Die Dämmplatte «Warm Healthy Wall» etwa besteht aus einer Kombination aus Biopolymer und Zellstoff mit beidseitig aufkaschierten Ligninplatten. Bei 18,6 mm Stärke hat sie nur ein Zehntel des Gewichtes einer Spanplatte und kann auch im Trockenbau sowie für die Innenraumdämmung eingesetzt werden. Das Produkt von 4 Floor soll in Kürze auch in der Schweiz erhältlich sein und bietet gegenüber Gipskartonplatten somit einige Vorteile, auch in ökologischer Hinsicht.

Aluminium trägt dünn auf

Eine Leichtbauplatte mit Wabenkern wird durch die Verklebung mit den Deckschichten zum Tragwerk, ähnlich dem Prinzip eines Doppel-T-Trägers aus Stahl. So konstruiert, erreichen diese Platten erstaunliche Steifigkeitswerte. Waben aus Aluminium gelten dabei als besonders biegesteif. Mit solchen Platten lassen sich auch Tischblätter in erstaunlicher Schlankheit ohne Untergurte oder Abspannungen realisieren. Durch die Verklebung ermüdet das Material dabei nicht und hängt, anders als etwa eine Spanplatte, auch im Laufe der Zeit nicht durch. In einer Spanplatte sind zwar die einzelnen Späne über das Bindemittel miteinander verbunden, doch ist diese Verbindung nicht so fest, dass die einzelnen Späne sich nicht geringfügig bewegen könnten. Wird eine solche Platte auf Zug und Druck belastet, kommt es zu einer wachsenden Verschiebung der Späne, das sogenannte Dauerkriechen setzt ein. Die Folge: ein belastetes Tablar biegt sich im Laufe der Zeit.

Mit Bambus Distanz gewahrt

«Die Stabilität einer 35 mm dicken ‹Conbou›- Sandwichplatte entspricht der Stabilität einer 23-mm-Sperrholzplatte, wiegt daher aber deutlich weniger», sagt ihr Erfinder und Produzent Wassilij Grod. Bislang fertigt der Produktdesigner die Platten mit den Bambusröhren als Mittellage nur auf Bestellung. Dafür lassen sich die Platten aber auch individuell konfigurieren, etwa bei der Wahl der Deckschichten und den Stärkemassen.

Die Idee, Bambusrohre in Stückchen zu schneiden und zwischen zwei Platten zu verleimen, kam Grod durch die Beobachtung, dass bei der Herstellung von Bambusmassivplatten ein Verschnitt von etwa 40 % anfällt. Bei der «Bambuswabe» wird dieser Verschnitt drastisch reduziert. Die leichten und stabilen Platten eignen sich für jedwede Anwendung im Innenbereich und bei entsprechenden Deckschichten auch für den nicht bewitterten Ausseneinsatz.

Wabe mit vielen Gesichtern

Während die Papierwabe wie auch die geschäumten Platten in der handwerklichen Verarbeitung wenig Akzeptanz finden, erfreuen sich leichte Vollholzprodukte und Stegkonstruktionen in Holz offenbar höherem Zuspruch. «Leichtbauplatten mit geschäumter Mittellage haben wir schon öfter versucht, ins Portfolio zu nehmen. Aber die Akzeptanz von Schaum ist beim Verarbeiter einfach nicht gegeben. Nebst Ökologie und Durchbiegung ist auch die Alterungsbeständigkeit immer ein heikler Punkt», sagt Andreas Mazenauer, Leiter Pricing und Stammdaten bei der Braun AG in Gossau SG: Generell seien aber leichte Platten durchaus gefragt bei den Verarbeitern. Das Unternehmen hat deshalb eine nachhaltige Lösung gesucht und mit den Plat- ten «Lisocore» auch gefunden. «Die werden von Schreinern gut angenommen. Eingesetzt werden leichte Werkstoffe vor allem für grossformatige Elemente wie Schiebetüren, im Möbel- und Innenausbau sowie im Messe- und Ladenbau», weiss Mazenauer. Die Besonderheit von «Lisocore» liegt – wenig überraschend – in der mittleren Ebene des Werkstoffes. Zwischen den Deckschichten befindet sich ein dreidimensional gekrümmtes Schalentragwerk aus Holzfasern. An den Berührungspunkten mit den Deckschichten sind diese punktförmig ausgefräst. So entsteht an jedem Punkt eine formschlüssige Klebefuge, was zu einer hohen Festigkeit und Aussteifung des Werkstoffes führt. Die Rohdichte liegt je nach Ausführung zwischen 215 und 385 kg/m3. Wegen des Schalentragwerkes lassen sich auch Kabel für elektrische Installationen durch die Plattenebene führen.

Dank Kaltschmelze halten die Beschläge

Kritikpunkt von Schreinern gegenüber dem Einsatz von Wabenplatten war stets die aufwendige Befestigung von Beschlägen, damit diese dauerhaft halten. «Aber hier gibt es inzwischen sehr gute Lösungen, wie etwa das Kaltschmelzverfahren, das in wenigen Sekunden kraftschlüssig fixiert ist und enorme Haltbarkeit besitzt», sagt Mazenauer. Die Verbindungstechnik der Würth AG funktioniert mittels mechanischer Schwingungen durch Ultraschall. Die eingesetzten Kaltschmelz-Dübel werden in Bewegung versetzt und verschmelzen durch die entstehende Reibungswärme der Bewegung an den Berührungspunkten mit dem porösen Holzwerkstoff.

Neben den speziellen Dübeln braucht es dafür lediglich ein einfaches elektrisches Handwerkzeug in Form der Kaltschmelzpistole. Die Verbindung ist sofort belastbar, und der Vorgang selbst dauert nur wenige Sekunden.

www.coratec.chwww.veroboard-rapid.dewww.4floor.dewww.conbou.dewww.braun.ch

Christian Härtel

Veröffentlichung: 26. November 2020 / Ausgabe 48/2020

Artikel zum Thema

09. Mai 2024

«Einfach mal durchklicken»

Dokumentation.  Auf der Internetseite holzbaukultur.ch wächst eine Dokumentation heran, die den Werdegang des Holzbaus in der Schweiz begreifbar macht. Bis Ende des Jahres sollen 400 Gebäude online sein. Im Gespräch dazu Elia Schneider von der Berner Fachhochschule in Biel.

mehr
17. April 2024

Ein meisterlicher Botschafter

Parkettverband ISP. Im Schloss Laufen am Rheinfall fand die 55. Generalversammlung der Interessengemeinschaft Schweizer Parkettmarkt (ISP) statt. Ein abgekühlter Markt und der Mangel an Lernenden beschäftigt die Bodenlegerbranche auch in diesem Jahr.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Werkstoffe