Die Kraft der innovativen Schritte

Die Steuerung des Solar-Trackers liegt witterungs- und sonnengeschützt unter der Abdeckung. Bilder: Empa

Forschung.  Eine neue Antriebsmethode funktioniert ohne Strom, indem sie das Quellen und Schwinden des Holzes intelligent ausnutzt. Dieses und weitere spannende Forschungsprojekte aus der Schweiz zeigen auf, welchen Weg die Branche in Zukunft gehen könnte.

Forschung ist die Grundlage von Entwicklung. Es ist die Neugierde, die mehr Verständnis für bestehende Zusammenhänge schafft und daraus zu Erkenntnissen führt, die Dinge anders nutzbar machen. Ist das «Gewusst-wie» erst einmal erarbeitet, wird der weitere Gebrauch dieses Wissens auf einmal für viele sehr selbstverständlich und in ihrem Leben eingebaut.

Energie nicht nur sparen

Heute ist man sich in unserer Gesellschaft gewohnt, dass viele kleine Helfer das Leben einfacher machen und sich nicht jeder um alles kümmern muss. Automatische Steuerungen werden immer häufiger eingesetzt. Leider aber brauchen sie in aller Regel Strom. Und da alle Welt nach Stromproduktionsmethoden mit weniger Risiko sucht und die Entsorgung heutiger Anlagen überhaupt noch nicht gelöst ist, will man beim Verbrauch sparen: Man baut sparsamere Geräte, aber man baut sie.

Einen ganz anderen Ansatz verfolgt Markus Rüggeberg mit seinem Team an der ETH in Zürich: Er entwickelt autonome Steuerungen für den Aussenbereich, die beispielsweise Schattierungen von Gebäuden oder Solarpaneele bewegen. Die witterungsabhängige Steuerung erfolgt mittels Holz, und zwar nur Holz – keine Elektronik – und somit ganz ohne Stromverbrauch.

Vertrautes nutzbar machen

Genaues Hinsehen in der Natur hat auch hier zum zündenden Gedanken geführt. Solange ein Föhrenzapfen vom Baum feucht gehalten wird, umschliesst er die Samen darin. Sobald er aber trocknet, öffnet er sich wie ein Schirm. Eine Bewegung, die eigentlich jedem Holzfachmann bekannt vorkommen müsste: Durch Schwinden und Quellen entstehen kraftvolle Bewegungen im Holz, die man normalerweise zähmen und möglichst erst gar nicht aufkommen lassen möchte. An der ETH wird gerade das Gegenteil erforscht, indem nach der kontrollierten Nutzbarkeit dieser Bewegungen gesucht wird.

Dauerläufer ohne Ermüdung

Holzzellen werden mit zunehmender Feuchtigkeit nicht länger, aber dicker. Entsprechend ist die Bewegung in radialer und tangentialer Richtung bei einem ganzen Holzstück gross und auch kräftig. Längs passiert hingegen fast nichts. Leimt man auf ein normales Holzfries mit längslaufenden Fasern ein gleich grosses Fries mit querlaufenden Fasern, wird es zu Spannungen kommen, wenn sich die Feuchtigkeit verändert. Weil das Fries mit querlaufender Holzrichtung einseitig gesperrt ist, wird es sich vor allem auf der gegenüberliegenden Seite ausdehnen und aus dem gesamten Teil einen Bogen machen. Trocknet es dann wieder, geht es auf die Ursprungsform zurück. Holz kann das so lange und oft machen bis die Leimfuge nicht mehr hält – heute ist das dann schon sehr lange.

Beidseitige Bewegung

Das Ganze erinnert an Bimetall, das allerdings auf Temperaturschwankungen reagiert. In Holz heissen solche verleimten Elemente Holz-Bilayer. Das Dickenverhältnis des längs- zum querlaufenden Fries sowie die jeweilige Holzart und der Umstand, aus welchem Stammbereich die Stücke kommen, bestimmen die mögliche Bewegung. Auch ist es wichtig, dass das Holz beim Verleimen möglichst feucht ist, damit es schon beim Trocknen rund wird – nur so entsteht eine positive und negative Bewegung. Gefeilt wird nun noch an feinen Abstimmungen, die eine in jedem Fall exakte Bestimmung der Bewegung ermöglicht.

Einsatz als Antrieb ohne Strom

Beim Einsatz im Aussenbereich müssen die Bilayer vor der Sonne geschützt werden, damit sie nicht komplett austrocknen. Auch vor der Witterung braucht es Schutz, denn Nässe hilft auch nicht. Einzig durch die Luftfeuchtigkeit entstehen Bewegungen, die sich mittlerweile schon sehr kontrolliert einsetzen lassen und wohl schon demnächst als autonome Steuerungen Schattierungsanlagen bedienen können – und das ganz ohne Strom.

Dunkle Hölzer mit Charakter

Ebenfalls um an sich bekannte Eigenschaften von Holz und deren Nutzung geht es bei einer Forschungsarbeit der Berner Fachhochschule (BFH) in Biel und deren Wirtschaftspartner: Eichenstämme, die über Jahrhunderte in Mooren eingelagert waren, haben Eisenionen aufgenommen. Zusammen mit den eigenen Gerbstoffen hat dies dann zu einer durchgängigen, grau-schwarzen Verfärbung geführt. Die Verfärbung verstärkt in diesem Fall sogar noch den natürlichen Charakter des Holzbildes, weil die Inhaltsstoffe in den verschiedenen Wachstumszonen unterschiedlich sind. Diese raren Stücke sind als Mooreiche bekannt, äus- serst gesucht und teuer.

Neue Chance für den Furnierbereich

Dem BFH-Team von Ingo Mayer und Thomas Volmer ist es nun gelungen, solche durchgängigen Verfärbungen klar definiert von Silbergrau bis Schwarzgrau industriell zu erzeugen (siehe auch Artikel auf Seite 16). Wie bei der Mooreiche wird der Charakter des natürlichen Holzbildes noch verstärkt. Neben der Anwendung bei Furnieren ist im bis Ende Jahr laufenden Forschungsprojekt die Übertragung des Färbeprozesses auf etwas dickere Materialien vorgesehen. So soll es dann möglich sein, homogen durchgefärbte Parkettlamellen herzustellen.

Damit entstehen ganz neue Möglichkeiten, herrschende Trends anders und kostenbewusster umsetzen zu können. Da dieses System nicht nur mit Eiche funktioniert, sondern auch Hölzer wie beispielsweise Buche oder Ahorn zulässt, dürften diese Trendfarben eine willkommene Chance für diesen Bereich in der Branche bieten.

Aus dem Ruder gelaufen

Die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft weist auf die Notwendigkeit von Grundlagenarbeiten hin, die über alles gesehen die Branche in eine sichere Zukunft führen könnten. Rolf Baumann ist stellvertretender Leiter Forschung, Dienstleistung und Weiterbildung an der BFH und lehrt Wirtschaftsinformatik. Seine Sorge gilt den wirtschaftlichen Zukunftschancen der Branche an sich. Wird heute in der Schweiz beispielsweise ein Stuhlmodell aus Holz für Kindergärten hergestellt, kann der Preis bei den gängigen Fertigungsmethoden nicht mehr mit der internationalen Konkurrenz mithalten. Der Stuhl ist zwar gut, aber viel zu teuer. Das war schon anders.

Im Wandel der Zeit

Noch vor einigen Jahren haben sich beispielsweise die Schweizer Möbelunternehmen durch ihre Flexibilität und die Möglichkeit, auch kleine Serien produzieren zu können, von der ausländischen Konkurrenz abgehoben. Und sicher war für manchen Einkäufer auch die gebotene Qualität ein wichtiger Faktor. In der Zwischenzeit ist jedoch gute Qualität etwas Selbstverständliches geworden, und Produktionsdurchläufe haben international enorm an Tempo zugelegt.

Schweizer Betriebe müssen somit zusehen, dass sie sich wieder ein paar Vorteile erkämpfen, um längerfristig bestehen zu können. Es gilt also, Methoden und Abläufe zu überdenken und neue Wege zu gehen. Im Fall des Stuhls kann das eine automatisierte Form des Zusammensetzens und Verleimens mit neu zu schaffenden Leimen sein, wie das in Biel erforscht wird.

Digitale Zukunftschancen

Rolf Baumann weist darauf hin, dass es im Kern von sehr vielen Arbeiten auch immer um die digitale Transformation gehe. Computerprogramme sind Werkzeuge wie andere auch. Sie müssen auch als das verstanden und genutzt werden, denn sie erweitern die produktiven Möglichkeiten und können ganze Prozessabläufe immer stärker verkürzen.

Viele Forschungsarbeiten in Biel befassen sich mit eigentlichen Fertigungszellen, die spezielle Aufgaben optimiert umsetzen, sich aber auch an ganz unterschiedliche Auf- gaben anpassen können. Optimierte, transparente Durchgänge schaffen Prozesssicherheit und produktive Freiräume, um die wichtigen Alleinstellungsmerkmale einer Firma erarbeiten und umsetzen zu können. Gehen diese über den gesamten Prozessbereich – vom ersten Kundenkontakt bis zur Nachbegleitung – ist das Ziel der Gegenwart erreicht.

Herstellungstechnisch geht es um die Losgrösse eins. Das geht nur mit fertig geplanten Produkten und deren Produktionsabläufen, die dann auch sofort umsetzbar sind. Dennoch soll natürlich auch auf individuelle Kundenwünsche eingegangen werden können.

Vernetzte Stärken

Die Zukunft wird laut Baumann mehr in Richtung lernfähige Programme gehen, wo- durch dann auch die Arbeitsvorbereitung entlastet werden kann. Wenn Planungsprogramme nicht mehr mit fixen, schweren Bibliotheken agieren müssen, sondern Grundlegendes enthalten und sich für Weiteres vernetzen können, wird eine ganz andere Form der Kundenbetreuung und Projektumsetzung mit geringerem und gut überschaubarem Aufwand sowie hohem Tempo realistisch. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.

Neben diesen sehr komplexen Forschungsarbeiten engagiert sich die BFH mit rund 60 Partnern auch in der Forschungsinitiative «Wald und Holz 4.0», welche der ganzen Schweizer Holzwirtschaft zu einem Vor-sprung verhelfen will. Aktuell wird dazu noch auf die Zustimmung des Bundesamtes für Umwelt gewartet, dann soll unmittelbar gestartet werden.

www.ethz.chwww.ahb.bfh.ch

ab

Veröffentlichung: 22. Juni 2017 / Ausgabe 25/2017

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