Die Politik kennt kein Wochenende

Caroline Rey (37) ist Politikerin und soziokulturelle Animatorin, kann sich aber nicht vorstellen, gar nicht mehr zu schreinern. Bild: Caroline Mohnke

Leute. «Dort, wo ich aufgewachsen bin, fuhr sonntags kein Bus», sagt Caroline Rey, die diesen März für die SP in den Luzerner Kantonsrat nachrücken konnte. In Beinwil im Freiamt AG hat die 37-Jährige ihre Kindheit mit zwei jüngeren Zwillingsschwestern verbracht.

«Anfänglich wollte ich Hochbauzeichnerin lernen», erzählt Caroline Rey bei einer Tasse Kaffee, unweit ihres Büros in Luzern. Nach einer Schnupperlehre als Schreinerin gefiel ihr dieser Beruf aber so gut, dass sie sich entschied, in einem Einmannbetrieb in Muri die Ausbildung zu beginnen. Gleichzeitig startete sie die Berufsmatura. «Nach knapp zwei Jahren entschied ich mich, den Einmannbetrieb zu verlassen», erzählt sie. Die Zeit danach ohne Lehrstelle sei nicht einfach gewesen. «Drei Monate arbeitete ich in einem Schreinerbetrieb in Reinach.» Doch da hätten Garderoben für Frauen gefehlt, und es scheiterte an formellen Vorgaben, damit sie ihre Lehre da hätte fortsetzen können. «Während der folgenden Arbeitslosigkeit baute ich die Wohnung meiner Grossmutter um.» Ihr Weg führte sie schliesslich ins Engadin, wo sie in der Lehrwerkstatt in Samedan ins dritte Lehrjahr einsteigen durfte. «Das war wie Tag und Nacht, verglichen mit meinem holprigen Start. Hier durfte ich Fehler machen und selbstständig arbeiten.» Nach der Lehre habe sie die Berufsmatura wieder aufgenommen und zu 60 Prozent als Schreinerinstruktorin in der Lehrwerkstatt gearbeitet. «Das Engadin ist meine Wahlheimat, ein- bis zweimal im Jahr reise ich ins Engadin.»

«Ich würde jederzeit wieder einen handwerklichen Beruf lernen. Fachkräftemangel ist das Schlagwort der Stunde.»

Nach der Zeit in Samedan folgte ein Auslandaufenthalt in Uganda in Ostafrika. «Vier Monate arbeitete ich ehrenamtlich für das Projekt ‹Kids of Africa›.» Nach der Rückkehr aus Uganda begann sie mit dem Studium für soziokulturelle Animation. Sie war in Buttisholz beim Aufbau der Jugend- und Altersarbeit aktiv. «Für Politik interessierte ich mich schon früh.» Mit 16 schloss sie sich der Unia-Jugendgruppe an, heute präsidiert sie den Luzerner Gewerkschaftsbund. Ihre politischen Anliegen sind unter anderem Barrierefreiheit für alle, Gleichstellung und transparente Löhne. Einen handwerklichen Beruf würde sie jederzeit wieder lernen und fügt an: «Fachkräftemangel ist das Schlagwort der Stunde.» Als Schreinerin arbeitet sie heute noch hin und wieder und springt gern bei Kolleginnen und Kollegen ein. Die Liebe zu Holz und Handwerk liegt in der Familie: Schon Grossvater und Vater waren Schreiner. «Vor rund drei Jahren habe ich alle meine Tätigkeiten heruntergefahren, ausser der Anstellung bei Luniq.» Dort arbeitet sie als soziokulturelle Animatorin, führt den Trägerverein und leitet das operative Team. «Luniq unterstützt Menschen mit Behinderungen, damit sie selbstbestimmt in einer eigenen Wohnung leben können», erklärt Rey.

Und auch das Reisen ist und bleibt ihr wichtig: Drei Monate lang hat sie ihren Citroën Jumper umgebaut und reiste dann für fünf Monate durch Italien, Griechenland und den Balkan. «In Rhodos ging ich Kitesurfen, in Serbien war ich ehrenamtlich für Menschen auf der Flucht aktiv.» Wegen ihrer politischen Tätigkeit sei sie für Auszeiten auf die sessionsfreien Zeiten angewiesen, denn die Politik kenne keine Samstage und Sonntage. Ihr Bus jedenfalls ist parat: Diesen Sommer reist sie für fünf Wochen nach Albanien und Nordmazedonien.

Caroline Mohnke

Veröffentlichung: 19. Mai 2025 / Ausgabe 20/2025

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