Die Rückeroberung des Badezimmers

Hart und widerstandsfähig wie Stein lässt sich «Rauvisio karat» dennoch gut bearbeiten und thermisch verformen. Bilder: Rehau Vertriebs AG

Verkleidungen.  Vor vielen Jahren gehörte der Badezimmerausbau mit zum Wirkungsraum des Schreiners. Heutige Werkstoffe bieten gute Chancen, nach den wohnlicheren Möbeln auch wieder die Auskleidungen im Nassbereich auszuführen.

Es sind nicht nur die technischen Möglichkeiten, sondern auch der immer stärker werdende Wunsch nach möglichst fugenlosen Flächen, die den Schreiner zurück ins Badezimmer holen. Zwar kann der Plattenleger dank immer grösserer keramischer Wandplatten ein stückweit mithalten. Wer aber wandfüllende, fugenlose Verkleidungen wünscht, braucht den Schreiner, denn dieser kann die neuen, weiterentwickelten Werkstoffe problemlos verarbeiten.

Aus einem Guss

Allen voran haben Mineralwerkstoffe von verschiedensten Herstellern die Möglichkeit der nahtlosen Übergänge geschaffen, selbst für Lavabos und Badewannen. Durch die Bearbeitbarkeit mittels Holzverarbeitungsmaschinen und durch die thermische Verformbarkeit der Platten können Becken nicht mehr nur eingesetzt, sondern komplett in eine entsprechende Abdeckung integriert werden. Ausser diesen Produkten hat sich aber die Plattenindustrie noch einiges einfallen lassen, um im Nassbereich Produkte anbieten zu können, die es erlauben, neue Bedürfnisse zu wecken.

Flächen wie Glas

Das vom Hersteller als Glaslaminat titu- lierte Produkt «Rauvisio crystal» sieht zwar aus wie Echtglas, bietet aber entscheidende Vorteile: Es ist bruchfester, deutlich leichter und flexibel verarbeitbar – laut Hersteller soll es sogar kratzfester sein. Bei der neueren Version «Rauvisio crystal slim» wird auf MDF als Trägerplatte verzichtet und das Laminat direkt mit dem Gegenzug verpresst. Damit kommt der gesamte Aufbau auf gerade einmal 4 mm Dicke. In dem biegbaren Material lassen sich auch Fräsungen und Intarsien verwirklichen, und es kann hinterleuchtet werden. In acht Farben, in matter oder hochglänzender Ausführung, sind die passenden Kanten erhältlich. Damit können dann neben den Wandverkleidungen auch gleich noch die Korpusmöbel gefertigt werden.

Wie dünner Stein

Ergänzend zum glasartigen Material hat Rehau jetzt neu noch eines hinzugefügt, das mehr an Stein erinnert. «Rauvisio karat» ist laut Hersteller sehr hart, kratzresistent und widerstandsfähig. Das Plattenmaterial ist dabei ebenfalls dünn, 40 Prozent leichter als Echtstein und gegenüber chemischen Reinigungsmitteln beständig. Es ist porenlos und dadurch besonders leicht zu reinigen, womit es sich für hygienische Bereiche gut eignet.

Wie bei anderen polymeren Werkstoffen kann die Platte mit Holzwerkzeugen, am besten mit Diamantbeschichtung, bearbeitet werden. Anpassungen können aber auch auf der Baustelle vorgenommen werden, und durch die Möglichkeit der thermischen Verformung lässt sich nahezu jeder Kundenwunsch umsetzen.

Morgens auf Hawaii duschen

Von MB Digital Print bezieht die Sperrag Jago AG aus Pratteln BL die Aluverbundplatte «Dibond» mit Digitaldruck. Damit bietet sie eine individuelle Oberflächenveredlung auf diesem 3 mm dicken Plattenmaterial. Wählbar sind Dekore aus der Standardkollektion oder eigene, individuelle Wunschmotive. Die Grafikbeschichtung ist abrieb- und kratzfest, chemikalienbeständig, farbstabil und lebensmittelecht. Abschliessend kann noch aus verschiedenen Strukturoberflächen gewählt werden.

Das von MB Digital Print als Träger verwendete Verbundplattenmaterial «Dibond» ent- spricht auch im Aufbau der Fassadenplatte «Alucobond» und wurde für Displaytafeln entwickelt. Entsprechend viele Montageverfahren und zusätzliche Produkte wie Aussteifungs- und andere Profile sind am Markt erhältlich. Der Kern aus schwarzem Polyethylen wird beidseitig von je einem Aludeckblech von 0,3 mm Dicke eingefasst. Mit 3050 × 1500 mm ist das Format sehr planungsfreundlich.

Dünn und leicht mit Dekorvielfalt

Ganz speziell für den Nassbereich wurde die Platte «Spa by Formex» kreiert. Die Formex AG aus Bubendorf BL wollte eine nasszellentaugliche, aber leichte, stabile Platte schaffen. Das Resultat ist ein Glas- faserkompositträger, der beidseitig mit je einer HPL-Platte belegt wird. Gesamt ergibt das eine Materialstärke von 8 mm bei einem Gewicht von 4,9 kg/m2. Zudem ist die Platte abriebfest (AC 5) sowie stoss- und schlagfest (IC 2). Zuschnitte, Bohrungen und Fräsungen sind mit herkömmlichen Holzverarbeitungsmaschinen durchführbar. Und «Spa by Formex» lässt sich unkompliziert auf bestehende Untergründe montieren. Für die Montage im Nasszellenbereich ist eine Verbundabdichtung nötig. Das «Spa Styling Board» kann aber wie ein normaler Holzwerkstoff verarbeitet werden. Verbindungen mittels Nut und Feder oder das Zusammenfügen von Ecken auf Gehrung sind gut machbar. Formex bietet aber auch verschiedene Aluprofile an, womit besonders Ecken oder Abschlüsse besser geschützt werden können. Die Platten können durch eine vollflächige oder eine punktuelle Verklebung auf den Untergrund montiert werden. Formex empfiehlt die vollflächige Verklebung.

Das Produkt ist für Neubauten und Reno- vationen sehr gut geeignet, nicht zuletzt auch aufgrund seiner geringen Dicke, aber dennoch grossen Stabilität. Durch das Format sind fugenlose Wände bis zu einer Grös- se von 2580 × 1320 mm machbar.

Das Grossformat

In manchem recht ähnlich wie das vorangehende Produkt ist die Platte der Argolite AG in Willisau LU. Das HPL-Werk bietet mit «Kompakt» ebenfalls ein Produkt mit beidseitiger HPL-Dekorfläche an, wobei der Kern aus mehreren Lagen harzgetränkter Kraftpapiere besteht und alles gemeinsam verpresst wird. Dieser Kern ist in der Regel braun und weitgehend dicht, muss also nicht noch versiegelt werden. Dennoch sollte das Material nicht im Nassen stehen bleiben, sondern immer wieder abtrocknen können. Mit den Plattenabmessungen von 3300 × 1300 mm lassen sich auch gros-se Flächen fugenlos realisieren. Wo es aus ästhetischen Gründen sinnvoller ist, kann der Kern auch schwarz sein. In diesem Fall ist allerdings nur noch ein Format von 2600 × 1300 mm lieferbar.

Individuell über alle Dicken

Richtig interessant ist für den Planer aber die mögliche Dicke von 2 bis 30 mm – von biegbar bis absolut steif. Als Nachteil kann sich allenfalls die Dichte von 1,45 g/cm3 erweisen, denn eine ganze, 30 mm dicke Platte kommt so auf über 180 kg. Da grundsätzlich jedes Dekor aus der gesamten Firmenkollektion verpresst werden kann, kann mit verschiedenen Plattenstärken konstruktiv gearbeitet werden, ohne die optische Wirkung zu verändern. Wer es also ganz individuell wünscht, kann seinen Digitalprint über verschieden starke Platten weiterlaufen lassen.

Die Kompetenz des Verarbeiters

Grosse Platten, die an Wänden befestigt wer- den, benötigen einen ebenen Untergrund. Speziell bei dünnen Materialien haben Unebenheiten sofort eine sehr schlechte optische Wirkung zur Folge. In diesem Bereich wird also mit den gleichen Problemen gekämpft wie bei modernen, übergrossen Fliesen. Diese Alternative zur Fliese erzeugt aber weniger Lärm und Staub bei Renova-tionen.

Bei der Planung eines Badezimmers ist mit der durchgehenden Wandverkleidung eine sehr eigene Optik möglich – sei es in der Dusche, hinter dem Waschbecken oder als komplette Wandverkleidung. Schnell und kostengünstig ist bei der Montage die Verwendung von Aluprofilen, wobei schon bei der Planung gut überlegt werden sollte, ob das gewählte Dekor auch zu Aluminium passt, oder es nicht noch bessere Schreinerlösungen gibt.

www.rehau.chwww.sperragjago.chwww.formex.chwww.argolite.ch

ab

Veröffentlichung: 14. April 2016 / Ausgabe 15/2016

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