Die Schreinerlehre als Fundament

Die Solothurner Regierungsrätin Brigit Wyss (64) lernte Schreinerin bevor sie Psychiatrieschwester und später Juristin wurde. Bild: Cornelia Thürlemann

Leute. Bis Ende Juli amtiert Brigit Wyss als Solothurner Regierungsrätin. Noch knapp fünf Monate prägt sie die Volkswirtschaftsdirektion und damit Themen, die den Alltag aller stark beeinflussen: Wirtschaft, Energie, Landwirtschaft, Wald, Natur, Bevölkerungsschutz, Gemeindeorganisation.

Acht Jahre war der helle Raum im Rathaus in der Solothurner Altstadt ihr Büro. Zwei grossformatige Kunstwerke hat Wyss mitgebracht, die restliche Ausstattung übernahm sie mehrheitlich von ihrer Vorgängerin. Ein Bild zeigt ein Stück Wiese von Nahem, das zweite eine alte Rosshaarmatratze. Eine Matratze, wie sie sie als Kind noch kannte. «Jedes Jahr haben wir die schweren Matratzen an die frische Luft getragen und geklopft. Arbeiten, die heute niemand mehr macht.» Wyss ist mit ihren Geschwistern auf einem Bauernhof in Lüsslingen SO aufgewachsen. Die Arbeit auf dem Hof habe sie für den Boden und den Wald sensibilisiert. Und dafür, der Natur Sorge zu tragen. Aus dieser Haltung heraus begann sie als junge Frau und Mutter, sich zuerst mit kleinen Projekten für die Umwelt zu engagieren. Bald wurde sie gefragt, ob sie für die Grünen für den Gemeinderat kandidiere. Mit 40 Jahren begann sie eine Politkarriere, die wie ein Märchen anmutet. Wyss beeinflusste das politische Leben als Gemeinderätin in der Stadt Solothurn, als National- und Regierungsrätin, und kandidierte sogar als Bundesrätin. Die Arbeit als Nationalrätin sei spannend gewesen und ein Schritt hinaus in die weite Welt. «Es ist unglaublich, mit wie viel Hintergrundwissen man in diesem Amt ausgestattet wird und wie viele interessante Leute man kennenlernt.»

«Jungen Politikerinnen und Politikern rate ich, bei ihren Themen in die Tiefe zu gehen, denn nur so können sie etwas verändern.»

Begonnen hat Wyss ihre Laufbahn mit einer Lehre als Bau- und Möbelschreinerin bei der Schreinerei Zaugg in Derendingen. «Nach der Bezirksschule hatte ich genug von der Schule. Ich wollte eine Lehre machen.» Als Bauerntochter hatte sie oft im Wald beim Holzen geholfen, Holz als Werkstoff gefiel ihr. Nach der Lehre reiste sie durch Südamerika und machte dann eine Lehre als Psychiatrieschwester, die sie nahe zu den Menschen brachte. In dieser Zeit erwachte die Freude am Lernen wieder, und sie holte die Matura nach. «Mein Traumstudium wäre Biologie gewesen, aber da die beruflichen Möglichkeiten nach diesem Studium eingeschränkt sind, studierte ich Jus.» Denn sie wollte ihr Wissen in eine berufliche Aufgabe einbringen. Nach dem Studium arbeitete sie als Juristin für Pro Natura und die Fondation Franz Weber. «Die Arbeit für das Umweltrecht hat mich damit versöhnt, dass ich nicht Biologie studiert habe.» Als Regierungsrätin kommen ihr all diese Erfahrungen zugute, wie auch ihr juristisches Wissen und ihr Interesse an der Natur und den Menschen. Rückblickend könne sie eine Berufslehre nur empfehlen. «Sie ist ein hervorragendes Fundament.»

Sie habe die Arbeit als Volkswirtschaftsdirektorin sehr gerne, trotzdem freue sie sich auf den neuen Lebensabschnitt. Denn neben der Politikerin Brigit Wyss gebe es auch eine private Brigit Wyss – was ihr auch bei politischen Niederlagen, wie der Nichtwiederwahl in den Nationalrat, geholfen habe. Jungen Politikerinnen und Politikern rät sie, bei ihrer Arbeit in die Tiefe zu gehen und sich nicht in vielen verschiedenen Vorstössen zu verlieren. «Nur wer ein Thema von Grund auf kennt, kann etwas verändern.» Einen Wunsch für die Zeit nach ihrem Amt hat sie doch: «Französisch lernen, damit ich mich besser mit der Partnerin meines Sohnes unterhalten kann.»

Cornelia Thürlemann

Veröffentlichung: 17. März 2025 / Ausgabe 11/2025

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