Die Technik hinter dem Stulp

Vom Wikingerverschluss … Bild: Andreas Brinkmann

Schliesssysteme.  Es braucht eine Zuhaltung, eine Verriegelung, die Handhabungsmöglichkeit und die Sicherstellung der Berechtigung, um einen Durchgang sicher zu schliessen. Was dann wo an einem Türschloss vorhanden ist und wie es funktioniert, zeigt der nachfolgende Artikel.

Wer Eigentum hat, möchte sichergehen, dass es auch in seinem Besitz bleibt. Selbst die Wikinger schlossen ihre Häuser ab, wenn sie diese verliessen. Der Verschluss bestand aus einem massiven Stossriegel, der auf der Unterseite einige Kerben aufwies. Über ein «Schlüsselloch» konnte man von aussen einen Metallwinkel einführen und den Stossriegel über diese Kerben bewegen. Es gab also schon ein Schloss und auch einen Schlüssel, um dieses zu bedienen. Nur, jeder der über einen solchen Haken verfügte, konnte eine so gesicherte Tür öffnen. Es fehlte somit die konkrete Berechtigung für genau dieses Schloss.

Nur festhalten oder verriegeln

Wohl die allermeisten privaten Zimmertüren werden mit einem Ziffernbartschlüssel abgeschlossen. Nur die passende Bartform passt durch das Schlüsselloch des Schlosskastens, was nicht gerade sehr viele Varianten zulässt und auf ähnliche Weise unberechtigt geöffnet werden kann, wie das Schloss der Wikinger. Immerhin: So ein Zimmertür-Einsteckschloss besitzt über dem verschliessbaren Riegel noch eine Falle, die gefedert ist und beim Zudrücken der Tür in das Schliessblech im Türrahmen einschnappt. Über die beidseitigen Drücker an einem durch das Schloss hindurchgehenden Vierkantdorn, lässt sich diese Falle jederzeit zurückziehen. Dieses Schliesssystem verfügt also über zwei mechanische Schliessmöglichkeiten: Eine über Drücker betätigte Falle, welche die Tür in geschlossener Position festhält und die separate Möglichkeit des Verriegelns mittels eines Schlüssels.

Die Mechanik wurde weiterentwickelt

Moderne Einsteckschlösser für Türen enthalten nach wie vor einen mechanischen Teil mit Falle und einem Drücker als Bedienelement, sowie dem Teil mit der Verriegelung. Die Mechanik kann aus einem ein- oder mehrstufig ausfahrenden Riegel bestehen. Sie kann aber zusätzlich über Schubstangen noch weitere Riegel oder auch Haken aus kleineren Nebeneinsteckkästen ausfahren, die mit einem langen Stulp mit dem Haupt-Einsteckschloss verbunden sind. Die Nebenriegel können mechanisch direkt angetrieben werden, oder es wird beim Öffnen jeweils eine Feder gespannt, die dann den Riegel beim Schliessen hervorschiessen lässt. Damit werden Mehrpunktschlösser mit Selbstverriegelung gebaut. Beispielsweise wird die Eingangstür eines Mehrfamilienhauses mit einem Türschliesser zugezogen und verriegelt dann automatisch. Damit ist ein unbefugtes Eindringen sehr viel schwieriger als bei einer Sicherung nur mit einer Falle. Die Tür liegt zudem immer gleichmässig gerade auf dem Rahmen auf. Eine solche Tür ist aber auch ein Flucht- weg und muss nach aussen ohne Schlüssel immer aufgehen. Bei einem Panikschloss lässt sich die Tür in diese Richtung über den Drücker oder die Druckstange auch entriegeln und somit öffnen – das geschieht mechanisch.

Ein Wechsel ist jederzeit möglich

Gebäude bleiben, auch wenn Nutzung und Durchgangsanforderungen wechseln. Einige Produktfamilien der Schlosshersteller, wie «Mint» der Glutz AG in Solothurn, das «Secury» der Gretsch Unitas AG in Rüdtlingen BE oder das «mFlipLock» der Marke «MSL» der Assa Abloy Schweiz AG in Richterswil ZH, haben ungeachtet ihrer Funktionen konstante Abmessungen. Das heisst, dass jeweils immer die gleichen Einfräsungen im Türblatt benötigt werden. Somit kann im Falle einer Änderung bezüglich der Schliessanforderungen einfach das Schloss ausgewechselt werden. Bei diesen Schlössern muss dann allerdings unterschieden werden, ob es sich um mechanische oder mechatronische Schlösser handelt, denn Elektroantriebe benötigen mehr Platz und somit zusätzliche Fräsungen.

Der Bartschlüssel ist ein Schliesszylinder

Egal wie gut der mechanische Teil des Schlosses ist, eine grosse Herausforderung wird immer die Berechtigung sein, dieses zu bedienen. In ein Sicherheitsschloss wird kein Bartschlüssel reingesteckt, sondern ein Schliesszylinder in das viel grössere Schlüsselloch eingesetzt und vom Stulp her mit dem Schloss verschraubt. Durch das Einstecken des richtigen Schlüssels wer- den eine Vielzahl kleiner Stifte so in Position gebracht, dass sich der Innenteil des Schliesszylinders drehen lässt und mit ihm auch ein bartartiges Element, welches dann das Gleiche tut wie vorher der Bart des Bartschlüssels.

Das Platzangebot in einem Schliesszylin- der ist begrenzt, was die Anwendungsmöglichkeiten einschränkt. Ein elektronisch codierbarer Zusatz am Schlüssel beispielsweise kann im Schliesszylinder ergänzend ein blockierendes Element deaktivieren. Das schafft enorm viele zusätzliche Berechtigungsmöglichkeiten. Und es ist kaum noch möglich, einen Schlüssel brauchbar zu kopieren.

Programmierbar dank Elektromotoren

Die Verriegelungsmechanik sowie die Mechanik der Falle können mit Elektromotoren ausgerüstet werden. Diese passen aber nicht auch noch in die Schlosskästen, sondern sind daneben positioniert. So ein Motor kann eine Erleichterung bei der manuellen Bedienung des Schlosses sein, indem er die Bewegung unterstützt. Er ermöglicht aber vor allem, dass mittels elektronischer Zugangsberechtigungen – wie einem Zahlencode, einem Fingerabdruck- oder Venenscanner – die Tür ohne Schlüssel bedient werden kann.

Die Motoren erlauben eine Steuerung und Programmierung von Schlossfunktionen. Diese kann über den Schliesszylinder oder ein Computerprogramm erfolgen. So lässt sich beispielsweise eine Selbstverriegelung, die automatisch bei jeder Schliessung mechanisch verriegelt, über den Tag hinweg ausschalten. Bei dieser «Tagesentriegelung» wird die Tür nur durch die Falle gehalten. Beim Programm «Mint» von Glutz ist auch eine «gesicherte Fallenfeststellung» möglich. Bei sehr stark frequentierten Aussentüren mit Türschliessern lassen sich alle Riegel sowie die Falle zurückgezogen fixieren. Damit ist der Durchgang frei begehbar. Eine allenfalls hinter dem Stulp eingebaute Steuerungseinheit mit Türstellungskontakt kann an den Rechner melden, ob die Tür gerade offen oder zu ist.

Es gibt enorm viele Möglichkeiten, um ein Schloss auf die jeweiligen Anforderungen zu konfigurieren. Laut der Firma Assa Abloy gibt es für viele Ansprüche auch einfache Lösungen. So lohne es sich, verschiedene Anforderungen bei der Planung mitzuberücksichtigen. Alleine schon die rein mechanischen Funktionen sind beachtlich. Die Elektronik bietet dann noch einen zusätzlichen Komfort.

Separate Drückerfunktionen

Interessant wird es, wenn die einzelnen Drücker separat aus- oder eingekuppelt sowie blockiert werden können – Nuss und Drückerdorn geteilt sind. Die «Nachtfunktion» lässt bei einem selbstverriegelnden Schloss den Innendrücker blockieren und über den Schliesszylinder wieder freischalten. Das verhindert, dass Kleinkinder oder demente Personen einfach die Wohnung verlassen.

Umgekehrt kann bei einem Panikschloss der Aussendrücker nachts auf Leerlauf ausgekuppelt werden. Mit der «Schliesszwangsfunktion» wird der Aussendrücker standardmässig ausgekuppelt. Durch eine Schliessbewegung mit dem Schlüssel lässt er sich einkuppeln und geht nach dem Abziehen des Schlüssels wieder in den Leerlauf über.

Sicherheitstür für ein Patientenzimmer

Die Firma Glutz bietet ein spezielles Schloss für Zonenabschlusstüren der neuesten Generation. Was mit solchen Schlössern möglich ist, zeigt ein Beispiel: Für ein gesichertes Patientenzimmer in einer Klinik in Basel wurde eine Tür hergestellt, die den problemlosen Durchgang zu einem Zimmer für schwer verhaltensauffällige Patienten sicherstellen soll.

Beim selbstschliessenden Schloss können der Aussen- und der Innendrücker unabhängig voneinander elektrisch ein- und ausgekuppelt werden. Bei der besagten Tür ist der innere permanent ausgekuppelt, damit ein Blockieren über den Drücker nicht möglich ist. Das Personal steuert das beidseitige Kuppeln jeweils mit einem Badge. Das geschlossene Türblatt verfügt über ein rundes Fenster mit undurchsichtig mattgestelltem Glas. Dieses lässt sich auch durch ein Identifikationsmedium für einen Kontrollblick klarstellen.

Bei einem Stromausfall wird der äussere Drücker automatisch eingekuppelt, wodurch ein schnelles Öffnen von aussen sichergestellt ist. Der Innendrücker wird hingegen erst bei einer offiziellen Brandmeldung manuell zum Einkuppeln freigegeben. Ein solches Schloss darf natürlich nicht in Fluchtwegen eingesetzt werden. Für Klinikabteilungen oder Gefängnisse gelten allerdings andere Anforderungen.

Drehflügel, wo man sie nicht erwartet

Automatische Schiebetüren sind beliebte barrierefreie Gebäudeeingänge, die – mit der erforderlichen technischen Ausstattung – im Tagbetrieb in Fluchtwegen eingesetzt werden können. Nachts, wenn sie verriegelt sind, ging das bisher allerdings nicht, und beispielsweise Spitäler müssen immer eine Fluchtmöglichkeit garantieren. Bei Gretsch Unitas hat man sich eine solche Tür erdacht, deren Schiebetürflügel im Notfall zu Drehtüren werden können. Diese «Fluchtwegschiebetür» erlaubt dann bei verriegelten Schiebeelementen über verschiedene Panik-Auslösefunktionen das Aufdrücken der Flügel als Drehtüren. Auch eine so alte Herausforderung wie die Zutrittssicherung erfährt so immer wieder neue Varianten, obwohl schon vieles möglich gemacht wurde.

www.glutz.comwww.g-u.comwww.assaabloy.ch

Andreas Brinkmann

Veröffentlichung: 10. Dezember 2020 / Ausgabe 50/2020

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