Die Ulme belebt

Eines der Auditorien im Neubau von Roche. Eindrücklich ist die Raumwirkung des Ulmenholzes. Bild: Ruedi Walti

Furnier.  Rund 190 Ulmenstämme waren nötig, um einen Neubau von Roche in Kaiseraugst mit Furnier und Parkett auszustatten. Zum Einsatz kamen knapp 9000 m2 Furnier und 2400 m2 Parkett mit dem speziellen «Stone»-Effekt. Es entstanden Räume mit starker Wirkung.

Die F. Hoffmann-La Roche AG investiert viel an den Standorten im Raum Basel. Neben weithin sichtbaren Hochhäusern in der Stadt auch im aargauischen Kaiseraugst auf grosser Fläche. Bis 2023 will das Unternehmen rund vier Milliarden Schweizer Franken in Basel und Kaiseraugst einsetzen. Damit ist Roche derzeit mutmasslich der grösste private Bauherr der Schweiz. Neben Erweiterungs-, Erneuerungs- und Sanierungsprojekten stehen auch neue Gebäude auf einem campusartigen Gelände in Kaiseraugst an. So auch der bereits fertiggestellte Neubau «PE@K» als Besucherzentrum und Auditoriumsgebäude. Der Bau kommt im Inneren mit wenigen unterschiedlichen Materialien aus. Neben Sichtbeton in einer speziellen Zusammensetzung, Baubronze und Messing auch mit einem besonderen Bodenmaterial: mit Terrazzobelägen, die mit Kieselsteinen aus dem Flussbett des Rheins umgesetzt wurden. «Dazu wollten wir ein Holz auswählen, das zu den Werkstoffen passt. Und dies nicht nur hinsichtlich der farblichen Wirkung, sondern auch in Bezug auf Struktur und Haptik», erklärt Andreas Schätti, Gesamtprojektleiter des Neubaus von Roche.

Besser bauen mit lokalem Bezug

«Ausserdem ist uns beim Bauen der lokale Charakter wichtig», sagt Schätti. Man wolle keine Materialien, die hohe Anteile an grauer Energie mit sich bringen. «Also kein tropisches Holz, stattdessen etwas, was im Grunde hier vor der Haustür wächst.»

Diese Kriterien spielten auch bei der Auswahl der beteiligten Unternehmen eine gewichtige Rolle. Vorteil der Regionalität ist hier, dass sie Arbeit mit kurzen Wegen bedeutet. «Auftretende Fragen und Abklärungen konnten stets vor Ort mit allen Beteiligten ohne grossen Aufwand bewältigt werden», sagt Schätti.

Baukultur hat bei Roche Tradition. Bis zur Chefetage herrscht Einvernehmen darüber, dass die architektonische Qualität als Spiegel der eigenen Ansprüche und als Voraussetzung für die Leistungen von Menschen begriffen werden sollte. Standard und Mode spielen deshalb weniger eine Rolle. Kein Wunder hat sich das Architektenteam beim Holz auch nicht länger mit der Eiche beschäftigt. «Eiche ist derzeit Standard», sagt Schätti. Man wollte stattdessen lieber eigene Wege gehen. «Unser Anspruch war es, etwas mutiger zu sein. Ein Holz auszuwählen, das nicht alltäglich ist und einen besonderen Charakter in den Raum bringt», sagt Ute Fromm, Architektin des planenden Büros Nissen & Wentzlaff Architekten in Basel. Gleichzeitig sollte es natürlich sein, weshalb man keine Spiegelung der Furniere im klassischen Sinne wollte, aber auch kein zu wildes Erscheinungsbild des Holzes, weil es sich um grosse Räume handelt. «Ziel war es dabei, Flächen zu schaffen, die dem Auge erst einmal eine Verschnaufpause gönnen. Beim näheren Hinschauen sollte der Blick des Betrachters dann auf den vielen Details verweilen können. Nach diesen Kriterien haben wir die Ansprüche an das Furnierbild formuliert und auch ausprobiert.»

Nicht leicht, aber umso lebendiger

Das erste Mal habe man den letztlich eingesetzten «Stone»-Effekt in der Materialbibliothek «Konzeptraum» der Roser AG in Birsfelden BL gesehen, sagt Fromm. «Da hat es relativ schnell ‹Klick› gemacht, weil die Vergrauung gut zum verwendeten Sichtbeton und den anderen Werkstoffen passt.»

«Stone» bezeichnet ein Sortiment an Furnierhölzern der Roser AG, die eine natürliche Vergrauung mittels Oxidation von Metallionen in wässriger Lösung in Reaktion mit den holzeigenen Inhaltsstoffen aufweisen. Es handelt sich dabei um einen natürlichen Prozess, der ohne den Einsatz von Chemikalien oder Pigmenten abläuft. Weil die Hölzer der Ulme recht wenig Gerbsäure enthalten, kommt es durch die Behandlung zwar zu einer Färbung, die jedoch recht unterschiedlich von bräunlich zu rötlichen bis zu grauen Tönen sein kann.

Die Roser AG hatte das Verfahren bis dato nur bei Eiche und Eukalyptusholz industriell umgesetzt. Dazu kommt: «Bei Ulme sieht im Grunde jeder Stamm an sich schon anders aus. Als einziger sogenannter Kernreifholzbaum unter den heimischen Holzarten ist das unterschiedliche Farbenspiel besonders ausgeprägt und auch reizvoll. Werden grössere Mengen des Holzes in einem klar definierten Erscheinungsbild benötigt, stellt das Ganze aber auch eine grosse Herausforderung für den Erzeuger und die Verarbeitung der Furniere dar», sagt Tobias Scherg, Leiter des Geschäftsbereiches Furnier bei Roser.

Der Weg zu passenden Bildern

Es verhält sich keineswegs so, dass sich die Hölzer der verschiedenen Stämme durch das «Stone»-Verfahren im Erscheinungsbild einfach angleichen. Vielmehr bleiben die Unterschiede bestehen oder formieren sich gar neu. «Als Bauherrschaft sind wir deshalb beim Fügen des Furniers dabei gewesen und haben ein Referenzdeck definiert. So konnten wir den Rahmen festlegen, in dem sich die Furnierbilder bewegen konnten», sagt Schätti. Rift- und Halbriftzeichnungen des Holzes waren gewünscht, Blumen mussten entsprechend mindestens hälftig getrennt werden, damit keine bogenförmigen Texturen entstanden. Dies hätte die grossen Flächen unruhig erscheinen lassen. «Es musste egal sein, ob die furnierten Paneele übereinander oder nebeneinander montiert wurden, jedes musste mit dem nächsten zusammenpassen», sagt Scherg.

Problemfall Parkett

Die besonderen Herausforderungen im Umgang mit dem etwas eigenwilligen Holz traten nicht nur bei der gewaltigen Fläche von stolzen 25 000 m2 Furnier zutage, sondern auch bei den in der gleichen Art behandelten 2400 m2 Parkett.

«Das Ulmenholz in dieser ‹Stone›-Ausführung hat sich für den Einsatz von stärkeren Parkettlamellen als schwierig erwiesen. Die Eindringtiefe im Prozess war bei vier Millimetern Nutzschicht nicht ausreichend, während das Ganze beim dünnen Furnier gut funktioniert hat. Wir haben in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule in Biel versucht, das Problem zu lösen. Aber als die Zeit gekommen war und wir das Parkett gebraucht haben, waren wir einfach noch nicht so weit im Entwicklungsprozess, weshalb eine andere Lösung her musste. In kleinem Massstab funktionierte das Verfahren, aber für eine industrielle Herstellung des Parketts war es nicht ausreichend prozesssicher», erklärt Scherg. Das Ulmenparkett wurde deshalb mit einem farbpigmentierten Öl behandelt, damit Wand, Decke und Boden optisch gleich wirkten.

Eingesetzt wurde das «Stone»-Furnier im gesamten Innenausbau. Vor allem für die Wand- und Deckenverkleidungen in den drei Auditorien, aber auch für Treppen, Möbel und Innenausbauten wie die Garderoben. Wer nach Fertigstellung in den Räumen steht, den überkommt durchaus ein erhabenes Gefühl. Nicht nur aufgrund der grossen Flächen, sondern weil das Ulmenholz den Räumen einen edlen und natürlichen Charakter verleiht.

Ausgeklügeltes Akustikkonzept

Die planerischen Vorgaben hinsichtlich der Akustik in den Räumen sind hochstehend und auch detailliert definiert worden. Das gilt vor allem für die Auditorien, wo grosse Flächen zur Schallabsorption und Elemente aus Messing zur Lenkung des Schalls eingesetzt wurden. Fast jedem Element im grossen Saal kommt auch eine akustische Aufgabe zu. Die grossen absorbierenden Furnierflächen wurden dazu mit Rasterbohrungen versehen, für deren Wahrnehmung man genau hinschauen muss. Denn die Perforation der akustisch wirksamen Paneele mit Bohrungen von 0,3 mm fällt beim Ulmenholz optisch kaum auf.

«Wir hatten auch Versuche mit dem nächstgrösseren Bohrdurchmesser von 0,5 mm durchgeführt. Diese ergaben aber einen deutlichen Unterschied in der optischen Wirkung, die wir nicht wollten. Deshalb war es uns wichtig, auf der ganzen Fläche den geringen Durchmesser von 0,3 mm umzusetzen», sagt Fromm. Das erforderte unterschiedliche Techniken und Partnerunternehmen. Denn an der Decke wurde das Furnier auf Aluminiumwabenplatten verleimt, was eine Laserung der akustisch wirksamen Perforation erforderte, während an den Wänden ein Stanzverfahren zum Einsatz kam. «Diese standardisierten Verfahren lieferten uns die nötige Sicherheit, am Ende auch die Akustikkennwerte erfüllen zu können», so Fromm. Auffällig dabei ist vor allem, dass die Mikroperforation kaum sichtbar ist. «Das dunkle und deutlich strukturierte Holz der Ulme trägt dazu bei, dass die Perforation optisch kaum auffällt», sagt Fromm. Tatsächlich muss man oft ganz nah rangehen, um erkennen zu können, ob eine furnierte Fläche akustisch wirksam perforiert ist oder nicht. Auch dies ein Umstand, der die Flächen trotz lebendigem Furnierbild ruhig wirken lässt.

Arbeitsteilung zielführend gelöst

Das Zeitfenster für den Innenausbau im grossen Auditorium lag bei etwa elf Monaten vom Abschluss des Rohbaus bis zur Fertigstellung des Raumes. «Wände und Böden wurden während der Montagearbeiten entsprechend geschützt. Das war ein enormer Aufwand, der sich aber gelohnt hat. Denn Schäden während der Bauzeit hatten wir keine zu verzeichnen», sagt Schätti.

Wegen der Grösse des Projektes hatte die Bauleitung die Gesamtheit der Schreinerarbeiten in sieben Pakete aufgeteilt. «Teilweise sind die Arbeiten natürlich aneinandergestossen, weshalb es ganz wichtig war, dass die Schreiner zum einen das Furnier bei der Roser AG bezogen und Letztere zum andern das Gesamte im Blick behielt. So konnten wir sicherstellen, dass an jeder Ecke, an der zwei Schreinerarbeiten aufeinandertrafen, das Holzbild aus einem Guss ist. Dies hat ohne Probleme funktioniert. Und wenn man die Gesamtfläche sieht, sind die vereinzelt aufgetretenen Fehlstellen, wo etwa der Furnieranschluss einfach nicht gepasst hat, verschwindend gering», sagt Schätti.

Heute würde der Projektleiter das Ganze wieder so angehen, auch wenn die «Stone»-Variante des Ulmenholzes in mancher Hinsicht nicht leicht zu beherrschen ist.

www.roche.chwww.nwarch.chwww.roser-swiss.com

Beteiligte Unternehmen (Auszug)

Innenausbau, Porte & Auditorien:

Dettli + Sahli AG

www.dettlisahli.ch

Möbel: Lachenmeier AG

www.lachenmeier.ch

Zargentüren: RWD Schlatter AG

www.rwdschlatter.ch

Ladeneinrichtung:

Hans Rickenbacher AG

www.hrag.ch

Falt-Schiebe-Wand:

H & T Raumdesign AG

www.hta.ch

Glastrennwände/Akustikschleusen:

Jos. Berchtold AG

www.josberchtold.ch

Parkett:

Abt Bodenbeläge AG

www.abt-bodenbelaege.ch

Kühldecken Auditorien:

Kst AG – Klima System Technologie

www.kstag.ch

Schreinerei von Rickenbach AG:

www.schreinerei-vr.ch

ch

Veröffentlichung: 08. März 2018 / Ausgabe 10/2018

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