Die Wege des Schalls sind ergründlich

Offizielle Schallmessungen müssen mit teuren und geeichten Messgeräten durchgeführt werden. Bild: SZ, Philipp Heidelberger

Schallschutz.  Die Expertisen aufgrund ungenügender Schalldämmung bei Türen nehmen zu. Die Gründe dafür sind vielfältig. Der Schreiner kann aber viele Faktoren selber beeinflussen, sofern er diese kennt und weiss, wie man sie beeinflussen kann.

Während die Brandschutzeigenschaften einer Wohnungsabschlusstür zum Glück nur äusserst selten auf die Probe gestellt werden, muss die Schalldämmung permanent gewährleistet sein.

Vermehrte Kontrollen

In Anbetracht der steigenden Sensibilität gegenüber Lärm ist der Türenbauer in diesem Bereich vermehrt gefordert. Denn die Vorgaben gemäss SIA 181 sind klar: Bei Wohnungseingangstüren oder Türen mit gleich eingestuften Nutzungseinheiten bezüglich Lärmbelastung gilt ein Anforderungswert von R’w + C ≥ 37 dB. Und auch für Türen innerhalb derselben Nutzungseinheit wie Türen vom Korridor ins Schlafzimmer oder in ein Behandlungszimmer gibt es entsprechende, wenn auch unverbindliche Empfehlungen.

Gerd Schierle ist Bauphysiker bei der Kopitsis Bauphysik AG im aargauischen Wohlen und wird immer dann gerufen, wenn es um Expertisen im Bereich Schallschutz geht. Solche Gutachten werden vermehrt von- seiten der Bauherrschaft verlangt, wenn sich die Bewohner über schlecht gedämmte Türen beschweren. «Wir registrieren tatsächlich eine steigende Nachfrage nach Schallmessungen bei Türen.» Aber deshalb die Tür in ein schlechtes Licht zu rücken, greifen meist zu kurz, sagt Gerd Schierle.

Vom Treppenhaus ins Wohnzimmer

Tatsächlich muss man auch die Grundrisse neuer Wohnbauten berücksichtigen. Früher führte eine Eingangstür in der Regel in einen Korridor oder in ein Entree. Heute befindet sich die Tür oft direkt im Wohnbereich. Hinzu kommt, dass neue Wohnungen gut gedämmte Aussenwände und dichte Fenster haben. Von aussen dringen somit kaum noch Umgebungsgeräusche ins Innere, der Grundgeräuschpegel ist also viel geringer, auch die Haustechnik wird immer leiser. «So fallen Geräusche aus dem Treppenhaus natürlich viel eher auf», sagt Schierle. Handelt es sich dann noch um ein teures Objekt an bester Lage, sind Reklamationen vorprogrammiert.

Exakt messen und berechnen

Das Positive am Schallschutz ist, dass man den Schalldämmwert vor Ort genau bestimmen und somit klare Verhältnisse schaffen kann. Der Nachteil daran: Es kostet Zeit und Geld. Für eine Messung benötigt der Experte etwa eine Stunde. Erfüllt die Tür die Anforderungen nicht und es muss genau abgeklärt werden, wo die Schwachstellen liegen, dann werden es schnell zwei bis drei Stunden.

Die Luftschallmessungen werden mit speziellen, amtlich geeichten Geräten durchgeführt. Dafür stellt der Prüfer auf der einen Seite einen Lautsprecher auf, mit dem ein «rosa Rauschen» erzeugt wird. Dieses Geräusch verwendet man in der Akustik, weil ein durchschnittlicher Mensch alle Frequenzbereiche des «rosa Rauschens» etwa als gleich laut empfindet.

Auf der anderen Seite – dem Empfangsraum – kommt ein präzises Messgerät zum Einsatz, welches den Schalldruckpegel über die Frequenzen aufzeichnet. Die Differenz der beiden Messwerte ergibt dann den Schalldämmwert. «Das ist aber noch nicht der definitive Wert, der dann im Prüfbericht erscheint», sagt Gerd Schierle. Dieser wird erst später mithilfe einer speziellen Auswertungssoftware ermittelt.

Was die Werte aussagen

Für einen korrekten Wert müssen noch weitere Variablen berücksichtigt werden. Man spricht dann von einem bewerteten Schalldämmmass. Dazu gehört die Fläche des Trennbauteiles und das Volumen des Empfangsraumes. Je nach Grundriss wird aber beim Volumen nicht immer der ganze Raum berücksichtigt. Hier liegt es am Prüfer abzuschätzen, welcher Bereich des Raumes relevant ist. Liegt zum Beispiel ein Teil des Raumes um die Ecke, kann man diesen vernachlässigen, weil der Schall dort nur noch abgeschwächt hingelangt. Vor Ort führt das manchmal zu Diskussionen. «Grosse Empfangsräume verursachen geringere Schalldämmwerte bei der Auswertung; bei ge- ringeren Raumgeometrien werden höhere Werte erzielt», erzählt Schierle.

Anschliessend wird mithilfe einer Referenzkurve der Schalldämmwert bei einer Frequenz von 500 Hz bestimmt. Die Referenzkurve gewichtet hohe Töne stärker, weil diese vom Menschen als störender wahrgenommen werden. Der ermittelte Wert wird in der Dokumentation als «R’w» angegeben. Entscheidend bei der Bezeichnung ist der Apostroph, dieser zeigt an, dass es sich beim Wert um das Bauschalldämm-mass handelt, sprich die Schalldämmung, die im eingebauten Zustand erbracht wird. Anders verhält es sich mit der Bezeichnung «Rw», welches lediglich ein Labormass darstellt. Gemäss Schierle sind sich die Beteiligten dessen oft nicht bewusst: «Ein Türblatt, welches mit einem Schalldämmwert Rw 42 dB angegeben ist, wird als eingebautes Türelement sicher einen tieferen R’w-Wert bringen.»

Sicherheiten einrechnen

Der Grund dafür ist einfach: Rahmen, Schwellen, Dichtungen und Maueranschlüsse sind alles potenzielle Schwachstellen, die eine Verschlechterung des Schalldämmwertes bewirken können. Zwar wird diesen Umständen in den Dokumentationen wie dem Merkblatt 005/1 des Verbandes Schweizerische Türenbranche Rechnung getragen. Wird beispielsweise ein Element mit R’w + C 37 dB mit Blockrahmen gefordert, wird in der Tabelle empfohlen, mit einem Schalldämmverlust von 1 bis 3 dB zu rechnen. Das Türblatt, welches der Schreiner einsetzt, muss also ein Rw + C von 38 bis 40 dB bringen.

«Messungen am Bau haben aber gezeigt, dass dies oft sehr knapp bemessen ist. Aufgrund unserer Erfahrungen empfehlen wir deshalb, mehr Sicherheiten einzurechnen», sagt Gerd Schierle. Denn im Idealfall seien die ermittelten Werte sicherlich erreichbar, aber die Realität auf den Baustellen sieht oft anders aus: Laibung und Sturz sind uneben und somit schwer abzudichten, die Masse stimmen nicht und es müssen Anpassungen am Rahmen vorgenommen werden, oder aufgrund von Fertigungstoleranzen schliesst das Türblatt nicht dicht ab. Selbst wenn die Verluste nur ein bis zwei Dezibel betragen – sie summieren sich und dann fällt das Element durch.

Im Konflikt mit den Anforderungen

Wo die Schwachstelle liegt, kann der Prüfer sehr genau bestimmen: Entweder er führt mit dem Messgerät Nahfeldmessungen durch. Oder er beginnt damit, systematisch Schritt für Schritt alle potenziellen Öffnungen mittels einer Knetmasse luftdicht abzudichten.

«Sehr oft bereitet der Schwellenbereich Schwierigkeiten, insbesondere die Absenk- und Gummidichtungen», sagt Schierle. Zu kurz abgelängte Dichtungen, zu wenig Anpressdruck oder nicht umlaufende Dichtungsebenen führen zu Lücken, durch die der Schall ungehindert hindurchkommt. Luftdichtheit lautet hier das Zauberwort, dann ist ein Element auch schalldicht. Allerdings steht dies oft in Konflikt mit dem Bedienkomfort der Tür. Je höher der Anpressdruck, desto mehr Kraft muss der Benutzer zum Schliessen aufwenden. Dasselbe gilt bei den Absenkdichtungen: Manchmal ist es schwierig, diese so einzustellen, dass genügend Anpressdruck aufgebaut wird, ohne dass die Dichtung über den Boden schleift. Eine gute Massnahme stellt hier der Einbau einer Hohlflachschiene dar. So erhält man eine gleichmässige Auflage, und die Absenkdichtung schleift nicht über den Boden.

In Zeiten von durchgehenden, schwellenlosen Designs wird dies von Architekten aber nicht gerne gesehen. Und dies, obwohl in den Fachdokumentationen bei Türelementen mit einem R’w von 30 dB eine Hohlflachschiene empfohlen wird. Werden vom Bauherren oder Architekten Dinge gefordert, die nicht mit den Regeln der Baukunst vereinbar werden können, empfiehlt der Experte, diese abzumahnen. «Wir hatten einen Fall, da wollte der Architekt einfach keine Silikonfugen im Treppenhaus. Da war natürlich klar, dass der Rahmenanschluss nicht dicht und das Element somit den Schallschutzanforderungen nicht gerecht wurde», erzählt Schierle.

Das Problem selber finden

Stellt sich noch die Frage, ob der Schreiner im Falle einer Reklamation schon vor einer allfälligen Expertise abschätzen kann, ob die Tür tatsächlich nicht die geforderten Werte bringt. «Aufgrund der unterschiedlichen Wahrnehmung von Schall ist dies ohne Messgeräte schwierig», sagt Gerd Schierle. Ob eine Tür dicht abschliesst, lässt sich ganz einfach mit einem Blatt Papier testen, welches beim Schliessen der Tür zwischen Rahmen und Blatt geklemmt wird. Lässt es sich ohne Widerstand herausziehen, ist der Anpressdruck der Dichtung zu gering.

Man kann aber allfällige Schwachstellen auch eruieren, indem man ein gleichmässiges Geräusch – Sprechen oder Musik eignet sich deshalb weniger – erzeugt und dann die kritischen Stellen abhört. Noch besser funktioniert dies, wenn man, wie vorher beschrieben, mit Knetmasse arbeitet. Das entspricht natürlich nicht einer offiziellen Expertise. Aber eventuell lässt sich das Problem dann ohne kostspielige Verfahren bereits durch das Einstellen der Bänder und der Absenkdichtung oder durch das Auswechseln der Gummidichtung lösen. Für solche Versuche findet man das «rosa Rauschen» übrigens auch im Internet, zum Beispiel auf Youtube.

www.kopitsis.comwww.vssm.chwww.vst.ch

ph

Veröffentlichung: 22. Dezember 2016 / Ausgabe 51-52/2016

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