Die Wüste bezwungen

Peter Gyger (63) erinnert sich gerne an die Rallye Paris–Dakar zurück, die er 2012 mit seinem Land Rover bestritten hat. Bild: PD

Peter Gyger scheint auf den ersten Blick ein ruhiger, besonnener und eher zurückhaltender Mensch zu sein. Doch spätestens, wenn man hört, mit welcher Begeisterung und Leidenschaft er über seine Interessen und Hobbys spricht, spürt man die Abenteuerlust, die Neugier und das Fernweh des 63-Jährigen. «Es muss immer etwas laufen, sonst wird es mir langweilig.» Da verwundert es nicht, dass der Schreiner nach seiner Ausbildung und dem Militär alle zwei Jahre eine andere Stelle hatte, bis er 30 Jahre alt war. Er arbeitete im Laden-, im Fenster- und im Küchenbau. In einer Bauschreinerei mit Küchenbauabteilung fühlte er sich schliesslich so wohl, dass er 13 Jahre lang dort blieb. Als der Küchenbau des Unternehmens nach einem Generationenwechsel wegfiel, gründete Gyger gemeinsam mit seiner Frau eine eigene Firma und begann noch einmal ganz neu. Seine Frau, mit der er mittlerweile seit 37 Jahren verheiratet ist, hat der Schreiner aus Biel BE beim Surfen kennengelernt. Ob Windsurfen oder Jollensegeln – Wassersport faszinierte Gyger schon seit jeher. Dank der gemeinsamen Interessen ist die Bindung zu seiner Frau von viel Verständnis geprägt. Man vertraut sich, gibt sich gegenseitig Rückhalt. Und so konnte Gyger auf die volle Unterstützung seiner Familie zählen, als er 2012 beschloss, zusammen mit seinem Schwager die Rallye Paris–Dakar mitzumachen. Die beiden Seeländer waren sich der Herausforderung durchaus bewusst. Doch der Reiz dieses Abenteuers spornte sie an.

Der Umbau des Land Rovers Defender dauerte neun Monate und war ziemlich kostenintensiv. Und dann war es endlich so weit: Der Schwager ging mit seinem damals schon 25-jährigen Motorrad an den Start. Peter Gyger sass abwechselnd mit einem Kollegen, einem Informatiker, am Steuer des Land Rovers. Die beiden übernahmen die Begleiterrolle.

«Wir haben es zwischendurch bereut, keinen Mechaniker im Team gehabt zu haben», gibt Gyger lachend zu. Doch mit gutem Teamgeist, grosser Motivation und einer Prise Glück haben es die drei geschafft. Der Startschuss fiel im September 2012 im französischen Montauban, und nach 1200 Kilometern erreichte das Schweizer Team Afrika. Es blieben 6800 Kilometer zwischen Marokko und Dakar in Senegal. Das bedeutete 13 Tage unterwegs auf der Piste, durch Staub, Sandstürme, Wind und Wetter, Kälte und Hitze. «Spricht man beispielsweise von 300 Kilometern, erscheint uns das nicht als eine allzu grosse Distanz, aber in der Wüste kann das unendlich weit sein», sagt Gyger und fügt lächelnd hinzu: «Mit den Erlebnissen auf der Reise könnte man ein Buch füllen.» So jagten den drei Schweizern beispielsweise die Bewacher eines Industriegeländes einen gehörigen Schrecken ein, als sie das Rallye-Team mit Waffen bedrohten und es zunächst nicht nach einem friedlichen Ausgang dieses unfreiwilligen Treffens aussah. Aus unerfindlichen Gründen beruhigten sich die Gemüter dann jedoch wieder, und dem Schweizer Trio wurde am Ende sogar Tee angeboten.

«Wir haben extreme Bedingungen erlebt mit Temperaturen um die 45 Grad Celsius», erzählt Gyger. Trotz aller Strapazen kann er sich eine weitere Rallye durchaus vorstellen. Da er wegen seines Geschäfts viele Jahre keine längeren Reisen unternehmen konnte, hat sich eine grosse Reiselust aufgestaut. Diese kann er nun endlich stillen, denn der Schreiner hat seine Firma verkauft und ist nun drei Monate mit seiner Frau im Land Rover unterwegs zu neuen Abenteuern.

«Spricht man von 300 Kilometern, erscheint uns das nicht als eine allzu grosse Distanz, aber in der Wüste kann das unendlich weit sein.»

cw

Veröffentlichung: 17. Januar 2019 / Ausgabe 3/2019

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