Ein DJ mit Talent und Taktgefühl

Am Wochenende wird aus dem Holztechniker Marcel Grütter (28) am Mischpult DJ Satches. Bild: Flave Leone

Wo das alles hinführen würde, habe er damals nicht gewusst, sagt Marcel Grütter, als er, kaum vierzehnjährig, das Geld zusammen hatte, um zwei Plattenspieler zu kaufen. Doch er entdeckte bald sein Talent als DJ. Er übte, verfeinerte verschiedene Techniken zu Hause und live vor Publikum. Dann kam der gelernte Schreiner über einen Freund zu «Ghost Rockz», einer international bekannten Breakdance-Gruppe mit zwei Schweizermeistertiteln. Die erfolgreichen B-Boys stupsten ihn ins kalte Wasser und lehrten ihn das DJ’ing an Tanzwettbewerben, sogenannten Tanzbattles. «Das ist nochmals ganz anders als ein Auftritt in einem Club», sagt der gebürtige Oltner. Bis heute steht Grütter alias DJ Satches am Mischpult für «Ghost Rockz», legt ausserdem an Open Airs und in Clubs auf sowie an Tanzbattles, die er monatlich mit Kollegen organisiert. Längst ist ihm das DJ’ing in Fleisch und Blut übergegangen. «Sobald ich Musik höre, beginne ich im Kopf Stücke zusammenzubauen.» DJ Satches spielt quer durch die Musikgeschichte, mixt Gesänge und Beats aus Hip-Hop, Funk, Breaks, Dancehall, Drum and Bass. Und immer wieder tönt ein «Wiggy, Wiggy, Wiggy» dazwischen, wenn er eine Hand über die Schallplatte gleiten lässt, um sie hin und her zu bewegen, während sie sich auf dem Teller dreht – Scratchen gehört zu den Stärken von DJ Satches. Der Discjockey kann Massen bewegen. Aber dazu braucht es Zauberkraft am Mischpult und Voraussicht bei der Liedauswahl. Jeder Rhythmus- oder Stilwechsel kann eine zuvor mit viel Taktgefühl erzeugte Stimmung im Nu zerstören.

«Ich versuche, auf die Reaktionen des Publikums zu achten. Und ich komme ihm entgegen, indem ich abwechsle zwischen älteren und neueren, bekannten und unbekannteren Stücken.» Grütter ist ein Vinyl-Kind, er entstammt einer letzten Generation von DJs, die sich durch Plattenläden wühlten, stets auf der Suche nach der einen LP oder Single, die noch fehlte, um die Musikerseele komplett zu machen. Heute kann er die Lieder bequem zu Hause herunterladen. Softwareprogramme nehmen ihm viel Arbeit und Talent ab, zum Beispiel ein feines Musikgehör – einst unverzichtbar, um die verschiedenen Tempi der Lieder beim Mixen taktgenau zu synchronisieren. Das sei nicht seine Welt, sagt Grütter, aber einige Vorzüge der Digitalisierung hat er schätzen gelernt, etwa neue technische Möglichkeiten oder dass er keine Plattenkisten mehr schleppen muss. Er ist so etwas wie ein digitaler Vinyl-DJ: Bei seinen Auftritten benötigt er noch zwei LPs. Der Plattenspieler ist durch das sogenannte Audio Interface mit dem Laptop verbunden. «So kann ich jede MP3-Datei aus meiner digitalen Musikbibliothek auf die Platten übertragen.»

An den Wochenenden ist er häufig in Clubs unterwegs, unter der Woche arbeitet der Holztechniker im Familienbetrieb Grütter Innenausbau in Winznau. Gerade wird die Stabsübergabe vom Vater an den Sohn vorbereitet. Und so unterschiedlich, wie die beiden Welten scheinen, sind sie gar nicht. Was hier der Kunde ist, ist dort der Partygast. «Man muss sich auf seine Bedürfnisse einstellen, gleichzeitig aber auch eigene Ideen präsentieren», sagt er. Marcel Grütter ist ein kreativer Dienstleister – am Mischpult ebenso wie bei der Planung von Um- und Innenausbauten.

«Sobald ich Musik höre, beginne ich im Kopf Stücke zusammenzubauen.»

sas

Veröffentlichung: 10. Dezember 2015 / Ausgabe 50/2015

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