Ein E-Bike wie kein anderes

Jedes Freakbike aus der Werkstatt des gelernten Schreiners Martin Kiener (51) ist ein Unikat. Erhältlich sind sie ab 3500 Franken. Bild: Sabine Schaller

Martin Kiener trägt einen Helm, eine offene Jeansjacke und sitzt tief im Sattel seines Bikes. Die langgabelige Maschine erinnert mit den fetten Reifen und den vorgelegten Pedalen unweigerlich an eine Harley-Davidson. Aber im Gegensatz zum Klassiker aus den USA verströmt das Bike «made in Bern» keinen Benzingeruch. Kiener setzt auf Strom: Im Stahlrahmen des E-Bikes hat er einen 500-Watt-Motor verbaut, «aufgetankt» wird zu Hause an der Steckdose. Früher liebte der gelernte Schreiner den Sound der Motoren – als Schuljunge bastelte er an seinem Töffli herum, als Erwachsener machte er Ausfahrten mit seinem Porsche – bis seine Mutter sich ein E-Bike anschaffte. «Das brachte mich auf den Geschmack», sagt er. Doch etwas störte ihn gewaltig am Zweirad seiner Mutter – das Design. «Ich machte mir Gedanken und fand, dass ein Elektrovelo im Stil einer Harley cool wäre.» Im Winter 2010 tüftelte er viele Stunden in seiner Werkstatt, und bereits im Sommer 2011 rollte das erste Velo seiner Marke «Freakbike» aus der heimischen Garage. Bald sorgte er damit für Schlagzeilen: «Ich war zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort», erklärt Kiener schmunzelnd, wie er es auf die Titelseite von «20 Minuten» schaffte. «Der Redaktor erspähte mich und meine Frau, als wir auf einer Probefahrt mit den E-Bikes vor einer Badi Halt machten.» Lokalfernsehen und andere Medien zogen nach. Er sei froh, dass sich der Wirbel um seine Person seither etwas gelegt habe. «Es war lässig, mit Roger Federer die Titelseite zu teilen, schliesslich geschieht das nicht alle Tage, aber ich habe eben auch gerne meine Ruhe.»

Kiener giert weder nach Rampenlicht noch nach dem grossen Geld, deshalb hat er auch kein Interesse an der Herstellung eines Massenprodukts. «Das würde mich langweilen», erklärt er. Viel lieber baue er Unikate und setze die individuellen Wünsche des Kunden um.

Rund zwanzig Freakbikes haben bisher seine Werkstatt verlassen, keines ist wie das andere, und für den Zollikofer Künstler Ernst Jordi hat er gar ein Modell mit Seitenwagen gebaut. So sehr er das Schrauben liebt, seine Arbeit als Holz-Bodenleger, die ihn alle zwei bis drei Wochen auf eine andere Baustelle führt, möchte er nicht missen. «Ich mag den Umgang mit Menschen. Täglich alleine in der Werkstatt zu stehen, ist auch nicht das Gelbe vom Ei», sagt der umtriebige Berner. Egal welcher Beschäftigung er gerade nachgeht – die Ideen fliegen dem Tüftler zu. Einige bringt er zur Reife, wie das Werkzeug zum Ausmessen von Treppen. Andere bewahrt er auf, bis sie fertig ausgegoren sind. «Ich habe sie alle sicher in meinem Kopf verwahrt, wo sie niemand stehlen kann.» Dort schlummert seit einiger Zeit auch die Vision von einem neuen Freakbike mit Holzrahmen.

Einzigartige Modelle und Öko-Fahrspass – vieles im Leben von Martin Kiener dreht sich heute um das elektrische Zweirad. Er hat sich zum eingefleischten Velofahrer gewandelt, cruist wann immer das Wetter es zulässt mit seinem eigenen Freakbike übers Land und geniesst den Fahrtwind, der bei 25 Stundenkilometern sanft das Gesicht umschmeichelt.

Den Porsche hat er verkauft. «Die E-Bikes brauchen schliesslich Platz», sagt er lachend, drückt auf das am Lenker befestigte Gaspedal und saust auf seinem freakigen Stahlesel davon.

«Ich habe alle Ideen sicher in meinem Kopf verwahrt, wo sie niemand stehlen kann.»

sas

Veröffentlichung: 23. Juni 2016 / Ausgabe 25/2016

Artikel zum Thema

02. Mai 2024

Er stellt die Verbindung wieder her

mehr
25. April 2024

Mit viel Gwunder voran

Leute. Name? Dieter Brunschweiler. Alter? 52. Beruf? Immobiliengestalter. – Immo...was? Dieter Brunschweiler lacht. Seine Berufsbezeichnung ist so ungewöhnlich wie sein Werdegang, und der ist noch lange nicht zu Ende.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Leute