Ein neues Leben für die Scheune

Berufsschullehrer Stephan Leiser (vorne rechts) arbeitet mit Alessio Del Monte Possidente, Seya Steiner und Nahom Alem (im Uhrzeigersinn) in der Scheune. Bild: PD

EBA-Lernende des Bildungszentrums Interlaken renovierten im Wallis eine historische Scheune – ein Projekt, das Handwerk, Teamgeist und erfüllendes Arbeiten auf eindrucksvolle Weise verband.

In den letzten Jahrzehnten veränderte sich die Landwirtschaft in vielen Regionen markant, so auch in der auf 1230 Metern über Meer gelegenen Berggemeinde Eischoll. Sie befindet sich auf der südlichen Bergterrasse des Rhonetales. Hier stehen noch alte Stallscheunen, die früher zur Lagerung von Korn dienten und mittlerweile – bedingt durch den Wirtschaftswandel – leider nutzlos geworden sind. Kurzerhand zu Ferienhäusern umfunktionieren lassen sie sich aber auch nicht, weil sie ausserhalb der Bauzone liegen. Um sie jedoch nicht einfach so ihrem Schicksal zu überlassen und das kulturelle Erbe zu erhalten, wurde vor fünf Jahren der Verein Wildscheunen Eischoll gegründet. Fünf sanierte Scheunen sollen am Ende interessierten Besuchern heimische Tiere wie Hirsch, Reh, Steinbock, Wolf und verschiedene Greifvögel näherbringen. In den verschiedenen und frei zugänglichen Themenscheunen sollen dann unter anderem ausgestopfte Tiere und diverse Infotafeln zu sehen sein.

Sinnstiftende Erfahrung

Eine dieser Scheunen wurde von Absolventen einer EBA-Klasse (eidgenössisches Berufsattest) des Bildungszentrums Interlaken (BZI) diesen Juni umgebaut. Zum Projekt kam es, weil Stephan Leiser, Schreinermeister und Berufsschullehrer am BZI, bereits während seiner Zeit als Berufsschullehrer in Brig VS mit Lernenden ein Hilfsprojekt in Rumänien realisiert hatte. Einer der Berufsschullehrer in Brig und gleichzeitig Projektleiter der Wildscheunen Eischoll wusste davon und fragte Leiser an, ob ein solches Engagement auch mit den Lernenden aus dem Berner Oberland möglich wäre. «Als Bildungszentrum Interlaken haben wir schon verschiedene Projekte umgesetzt, bei denen unsere Schreinerpraktiker im Rahmen ihres Lehrabschlusses zum Beispiel einen Umbau im Berner Oberland realisiert haben. Wir haben festgestellt, dass dies für die Lernenden eine sehr wertvolle und sinnstiftende Erfahrung ist», sagt Leiser.

Er fuhr zunächst selbst nach Eischoll, um abzuklären, ob die geplanten Arbeiten tatsächlich auch von EBA-Lernenden ausgeführt werden können – mit positivem Ergebnis. Danach stellte er das Projekt der Klasse vor. «Ich war sehr erfreut, dass alle mitmachen wollten. Das ist nicht selbstverständlich.»

Mit Herz, Hand und Teamgeist

Neun Lernende waren es schliesslich, die beim Scheunenprojekt hoch über dem Rhonetal mitwirkten: drei aus dem ersten Lehrjahr, sechs aus dem zweiten. André Longaron, ABU-Lehrer am BZI, unterstützte die Lernenden und packte tatkräftig mit an. Um den Betrieben keine Kosten zu verursachen, wurden die Schultage flexibel verschoben. «An drei Freitagen fiel der Unterricht aus, dafür reiste die Gruppe bereits am Sonntagnachmittag nach Eischoll», sagt Leiser. Der Einsatz dauerte bis Mittwochabend. Dabei waren die Lernenden in einem Gruppenhaus untergebracht. Das benötigte Material wurde vorbereitet und am ersten Tag per Helikopter zur Hütte geflogen. Für das leibliche Wohl war ebenfalls gesorgt: Kaffee und Gipfeli wurden regelmässig vorbeigebracht, Mittag- und Abendessen konnte das Umbauteam im Bergrestaurant konsumieren.

Holzarbeiten in luftiger Höhe

Lara Oliveira aus Zweisimmen BE war eine der Mitwirkenden beim Projekt Wildscheune. «Zuerst war ich skeptisch, ob ich mitmachen soll; schliesslich habe ich mich aber doch dazu entschieden, teilzunehmen.» Spätestens als sie die umgebauten Scheunen bei der Ankunft vor Ort sah, sei ihr klar gewesen, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Die gebürtige Portugiesin absolviert ihre Lehre bei der Luginbühl AG in Oey BE.

Für die unterschiedlichen Arbeiten teilten sich die Lernenden in Teams ein. Oliveira fing zuerst an, ein Vlies auf die Unterkonstruktion zu montieren. Dieses soll Ungeziefer davon abhalten, in den Innenraum zu gelangen. Danach machte sie sich zusammen mit ihren Teamkollegen an das Verlegen der Bodenbretter. Die seien teilweise aber so krumm gewesen, dass man sie kaum zusammengebracht hätte. «Wir waren trotzdem viel schneller als gedacht, deshalb mussten wir teilweise auf neues Material warten», sagt die junge Handwerkerin. Für sie bleibt es ein positives Erlebnis. «Am Anfang sahen die drei Tage lang aus, als wir dann aber fertig waren und zurückschauten, begriffen wir, wie schnell die Zeit tatsächlich verging und was für eine tolle Zeit wir alle zusammen hatten.»

Sie blickt positiv zurück

Besonders gefallen hat ihr, dass sie während der Ausbildung alles ausprobieren durfte – vom Küchenbau bis zur Montage. «Am meisten Freude macht mir, dass man als Schreinerin am Ende das fertige Produkt sieht und den Kunden damit glücklich macht», sagt die 18-Jährige. Mit ihrem Lehrbetrieb sei sie total glücklich gewesen. «Alle waren immer sehr hilfsbereit. Zudem hatten wir eine gute Schulklasse und Lehrer.» Ihre Lehre machte Oliveira im ersten Lehrjahr noch als EFZ-Ausbildung, wechselte dann aber zum EBA, weil es ihr allmählich schwieriger fiel, den Schulstoff in der gegebenen Zeit zu lernen. «Das war die beste Entscheidung, denn mit einem EFZ-Abschluss hätte ich vermutlich nicht eine solche Note wie mit dem EBA-Abschluss gemacht.» Schliesslich erhielt sie für ihren Abschluss eine Note von 5,2. Bei ihrem Lehrbetrieb wird sie nicht bleiben, sondern erst mal temporär arbeiten. «Zuerst möchte ich mal Berufserfahrungen sammeln und schauen, ob es das Richtige ist, noch den EFZ zu machen.»

Lehre mit Glanznote abgeschlossen

Seya Steiner aus Frutigen BE arbeitete schon immer gerne mit Holz, dennoch sah er Schreiner nie als seinen absoluten Traumberuf. Nach dem zehnten Schuljahr entschied er sich trotzdem dafür – eine Entscheidung, die sich für ihn nach der zweijährigen EBA-Ausbildung bei der Zurbrügg & Trachsel AG in Frutigen BE ausgezahlt hat: Steiner schloss die Lehre mit der Note 5,1 ab. «Das war für mich definitiv ein Highlight», sagt er stolz. Ursprünglich begann der 18-Jährige mit der EFZ-Lehre als Schreiner, merkte jedoch bald, dass er mit dem schulischen Pensum überfordert war. «Ich kam mit dem Schulstoff nicht gut mit und habe deshalb auf das EBA gewechselt», erzählt er offen. Auch das Arbeitsklima in der Schreinerei war für ihn entscheidend: «In einem kleinen Betrieb wie bei uns ist ein gutes Verhältnis unter den Mitarbeitenden besonders wichtig – und das hatte ich.»

Selbstständiges Arbeiten

Das Projekt rund um die Wildscheune begeisterte ihn. «Ich fand die Idee cool und die Arbeit interessant, weil man selber überlegen musste, wie man etwas anpackt, ohne dass der Chef ständig daneben steht.» Der Start sei aber etwas holprig gewesen: «Am Anfang standen wir oft herum, bis jeder wusste, was er zu tun hatte.» Danach packte er gemeinsam mit dem Wildhüter an – zuerst beim Entfernen des alten Holzes, später bei der Montage des Insektenschutzvlieses und der Aussenfassade. Kleinere Meinungsverschiedenheiten habe es zwar gegeben, diese seien aber in einem solch gemischten Team normal.

Bis Anfang August geniesst der angehende Schreiner noch seine Sommerferien, die er zu Hause verbringt. Was danach kommt, steht schon fest: Steiner wird beim Ausbildungsbetrieb weiterarbeiten, bevor er dann im Winter in die Rekrutenschule einrückt. Ob er später doch noch die EFZ-Lehre nachholt – vielleicht auch in einem anderen Berufsfeld – lässt er offen.

Montage mit Hindernissen

Auch Daniel Hotz aus Boltigen BE nahm am Scheunenumbau teil, weil er das Projekt cool fand. «Herr Leiser zeigte uns im Vorfeld Bilder, erklärte, was genau unsere Aufgaben wären, wo wir arbeiten, essen und schlafen würden – das war gut vorbereitet.»

Während des Einsatzes gab es für ihn aber einen herausfordernden Moment: Als sein Team am Dienstagmorgen eine neue Aussenwand mit Lärchenbrettern hätte verschalen sollen, stellten sie fest, dass die Bretter am Vortag mit der Oberfräse nicht genau genutet wurden. «Leider hatte ein anderes Team die Nuten nicht in der Mitte gemacht, sodass die Bretter beim Montieren nicht passten – da habe ich mich aufgeregt und brauchte kurz Zeit, um mich wieder zu entspannen. Aber so etwas kann passieren», sagt der 17-Jährige. Die Bretter wurden schliesslich neu genutet und die Feder einseitig mit extra viel Leim eingeleimt. Die Zusammenarbeit innerhalb der Gruppe funktionierte dennoch gut. «Alle halfen einander, jeder konnte etwas beitragen. Wenn man etwas nicht wusste, konnte man problemlos jemanden um Hilfe bitten.» Anfangs war Daniel unsicher, wie er sich verhalten sollte, weil er nicht wusste, wie gut die Teamarbeit funktionieren würde – doch seine Bedenken lösten sich schnell auf. Arbeitsunfälle habe es glücklicherweise keine gegeben. Um die Maschinen respektive deren Akkus mit der erforderlichen Energie zu versorgen, wurde während der Renovation ein Stromgenerator betrieben. «Eine Oberfräse fiel wegen unregelmässigen Stroms einmal aus – sie wurde aber schnell ersetzt», sagt Hotz. Für ihn war das Projekt ein voller Erfolg: «Ich finde, es war eine super Idee, die auch den Zusammenhalt in der Klasse gestärkt hat – man musste einfach miteinander arbeiten.»

Das EFZ holt er nach

Seine Lehre absolvierte der Berner bei der Saugy Schreinerteam AG in Lenk im Simmental. Den EBA-Abschluss hat Hotz kürzlich erfolgreich abgeschlossen, nun möchte er diesen durch eine dreijährige EFZ-Lehre ergänzen, die er beim selben Lehrbetrieb fortsetzen wird. Begonnen hatte er die Ausbildung ursprünglich im EFZ-Lehrgang. «Ich habe viel Zeit in die Schule investiert, oft bis zu einer Stunde Schularbeit am Abend. Leider blieben die gewünschten Noten trotzdem aus – bei Tests hatte ich oft Blackouts», erzählt der 17-Jährige. Nach dem ersten Lehrjahr entschied er sich daher, ins EBA-Modell zu wechseln. Im Betrieb fühlt sich der Lernende sehr wohl. Er darf in vielen Bereichen mitarbeiten, etwa beim Fensterbau, bei Türen oder im Innenausbau. Bevor es für Hotz dann nach den Sommerferien weitergeht, geniesst er diese zuerst einmal hier in der Schweiz.

www.wildscheuneneischoll.chholzbau-zurbruegg.chwww.massgeschreinert.chschreinerei-lenk.ch

Michi Läuchli

Veröffentlichung: 14. August 2025 / Ausgabe 33/2025

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