Ein Schreiner mit Gastgeber-Gen

Im «Il Grano» in Büren an der Aare serviert der ehemalige Schreiner Gianclaudio De Luigi (54) italienische Speisen und Weine. Bild: Emanuel Stotzer

Die Morgensonne erstrahlt über dem kleinen Städtchen Büren an der Aare. Ihre warmen Strahlen streicheln die Blätter des Zitronen- und Olivenbaums, die am Eingang zum Restaurant «Il Grano» in grossen Töpfen wachsen. Wenige Meter entfernt gurgelt die Aare. Es ist ein Ort wie gemacht für Daheimgebliebene und Fernwehgeplagte. Chef und Gastgeber Gianclaudio De Luigi lädt ein zu kulinarischen Reisen, von Sizilien hinauf bis ins Piemont. Müsste man seine Beziehung zum Land, zu den Leuten und der Küche Italiens auf das Wesentliche reduzieren, es gäbe dafür wohl nur ein treffendes Wort: Amore. Die Lust am Essen und die Gastfreundschaft wurden dem gelernten Schreiner vorgelebt – zu Hause in Bern bei seinen Eltern und bei den Grosseltern im Tessin. «Die Tür stand allen offen, und auch der Tisch war stets reich gedeckt. Die Herzlichkeit, die ich damals erleben durfte, hat mich geprägt», sagt er. Doch im Alltag war diese Liebe etwas eingeschlafen – bis sie von einer Frau buchstäblich wieder wachgeküsst wurde. «Mit ihr startete ich in ein kulinarisches Abenteuer, und gemeinsam tauchten wir immer tiefer darin ein», sagt er. In seiner Schreinerei in Zollikofen BE wurden die leerstehenden Räume an den Wochenenden nach und nach für Events verwendet. Die gelernte Hauswirtschaftslehrerin kümmerte sich um die Komposition der Speisen, Gianclaudio De Luigi um die Gäste, und zusammen zelebrierten sie Gastfreundschaft und eine einfache italienische Küche. Aber das «L’officina», wie die beiden ihr kleines Lokal tauften, war ein Projekt auf Zeit – bald würde der Mietvertrag auslaufen.

In den Lokalzeitungen erschienen zu dieser Zeit Artikel über die unsichere Zukunft des Kornhauses in Büren an der Aare. Der auffällige Bau spätgotischer Prägung mit rotviolettem Anstrich hatte sich schnell einen Platz in den Herzen von Gianclaudio De Luigi und seiner Frau gesichert. Statt wie geplant eine Auszeit zu nehmen, reichte das Paar ein Konzept für die Nutzung des früheren Getreidespeichers ein und überzeugte damit die Gemeinde. 2003 eröffneten sie ihr Restaurant und nannten es in Erinnerung an seine Vergangenheit «Il Grano» (italienisch für das Korn). Am Konzept änderten sie nichts. «Meine Frau war die Innenministerin und ich der Aussenminister», sagt De Luigi und lächelt. Es hätte ewig so weitergehen können. Nach dem Tod seiner Frau entschied er sich noch in seiner schwersten Stunde weiterzumachen. «Möglich war das nur dank einer starken Crew im Rücken.» Mit dieser kreiert er jeden Monat ein italienisches Abendmenü mit fünf Gängen – die Cena. Jeweils am ersten Dienstag im Monat wird sie Probe gekocht, von der Crew sowie von Gästen verkostet und beurteilt und anschliessend von den Köchen verfeinert – bis sie auch den Gaumen des Chefs überzeugt.

Inspiration für die Speisen und den dazu passenden, vergorenen Rebensaft findet Gianclaudio De Luigi auf seinen Reisen nach Italien. «Ich nehme immer etwas mit nach Hause. Ideen, Produkte, und manchmal besuchen uns die Weinbauern oder Köche und teilen ihr Wissen mit uns.» In der Beiz an der Schifflände zergeht Italien auf der Zunge.

Doch De Luigi hat auch seine Wurzeln nicht vergessen: «Manchmal vermisse ich das Schreinern», gesteht er. Irgendwann möchte er das Handwerk wieder stärker in sein Leben integrieren. Doch im Augenblick fehlt ihm die Zeit, denn bald will er mit dem «Leo 1818» in Büren einen weiteren Gastronomiebetrieb eröffnen.

Dort wird das Angebot etwas urchiger sein. «Wir werden regionale Schweizer Küche und eigenes Bier anbieten», verrät der passionierte Gastgeber.

«Die Tür stand allen offen, und der Tisch war stets reich gedeckt.»

sas

Veröffentlichung: 18. Juni 2015 / Ausgabe 25/2015

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