Ein Traum unter den Wolken

Der Schreiner Pascal Guggisberg (33) baut an der neuen P-47 Thunderbolt. Ihr Jungfernflug soll nächsten April stattfinden. Bild: Belinda Guggisberg

«Die letzten drei Jahre bin ich absturzfrei geflogen», sagt Pascal Guggisberg. Vor einigen Wochen dann passierte es. Schuld war ein technischer Fehler, «die Höhenruder haben versagt», erklärt der Modellflugzeugbauer. Die Trümmerteile der P-47 Thunderbolt waren auf einer Fläche von zehn Quadratmetern verstreut. So verbringt der Schreiner nun viel Zeit in seinem Bastelraum zu Hause in Thun. Aus Holzblöcken sägt er Rumpf, Flügel und Ruder. Den Motor und die Steuerelektronik, die er aus der Unglücksmaschine retten konnte, bringt er im Bauch des Flugzeugs an, mit einer Waage bestimmt er den Schwerpunkt, damit die Maschine sich später stabil in der Luft hält. Die Zeit drängt, im April will er mit der neuen P-47 Thunderbolt in die kommende Flugsaison starten. 15 Modelle hängen zurzeit bei ihm zu Hause im Bastelraum – Helikopter, Segelflieger, Kunstflugmodelle und Militärmaschinen. Sein erstes eigenes Flugobjekt war vor zehn Jahren ein Fertigmodell. Mittlerweile bastelt er seine Flieger oft selber, wobei sich der Schreiner auf seine handwerklichen Fähigkeiten abstützen kann. Eine schöne Abwechslung zu seinem Arbeitsalltag, denn seit er bei Wenger Fenster in Blumenstein die Abteilung «Sonderelemente» leitet, sägt und hobelt er nur noch selten. «Bei der Arbeit verbringe ich die meiste Zeit im Büro», sagt er.

Die P-47, das Jagdflugzeug, welches die Amerikaner im Zweiten Weltkrieg eingesetzt hatten, gehörte zu seinen liebsten Stücken. Mit ihm lassen sich keine spektakulären Manöver fliegen, es hängt schwer in der Luft, ist mit 1,8 Meter Spannweite und 1,6 Meter Länge mächtiger und weniger wendig als etwa der Helikopter. Aber dafür gibt sie ein majestätisches Bild ab, wenn sie ruhig durch den Himmel fliegt. «Im Anflug ist sie kaum von einem echten Flieger zu unterscheiden», sagt das Mitglied der Modellfluggruppe Thun.

Heute ist Guggisberg ein routinierter Modellflugzeugbauer und -pilot. Der Anfang aber war schwer. Die ersten Flugversuche endeten meist kläglich mit einem Crash. «Abstürze gehörten zum Alltag. Man muss aufpassen, dass die Frustration die Freude am Fliegen nicht vertreibt», sagt er. Guggisberg hat nicht aufgegeben, die Unfallmaschinen so weit wie möglich repariert und sich im Internet weitergebildet. Zu Hause am Flugsimulator absolviert er zahlreiche Übungsstunden und feilt unter Echtbedingungen an seinen Flugfertigkeiten. Den gros-sen Vorbildern, die weisse Kondensstreifen in den Himmel zeichnen, stehen die Modellflugzeuge in fast nichts nach – eigentlich sind sie für den Piloten eine noch grössere Herausforderung – weil er nicht im Cockpit sitzt. «Wenn das Flugzeug auf einen zufliegt, muss man umdenken, weil links dann rechts ist und umgekehrt», sagt Guggisberg. Der Traum vom Fliegen – Pascal Guggisberg hat ihn immer irgendwie gelebt, als Junge hat er seinen Vater auf die Flugplätze in Belp und Thun begleitet. «Wir haben auf der Wiese gesessen und zugesehen, wie die Flieger starten und landen», sagt er. Und jedes Mal wenn Kerosin seine Nase umweht, erwacht seine kindliche Begeisterungsfähigkeit für die Stahlvögel erneut.

Mit einem Helikopter ist er bereits geflogen, das Handling fiel ihm leicht, weil er als Modellflugzeugpilot das Einmaleins des Fliegens kennt. Gut vorstellen könnte er sich, eines Tages das Brevet für Sportflugzeuge zu machen, «wenn die Kinder flügge sind». Aber das ist Zukunftsschwärmerei, denn die beiden sind gerade mal zwei und drei Jahre alt. Gegenwärtig träumt er davon, seine P-47 wieder durch die Lüfte zu pilotieren.

«Abstürze gehörten zum Alltag. Man muss aufpassen, dass die Frustration die Freude am Fliegen nicht vertreibt.»

sas

Veröffentlichung: 29. Oktober 2015 / Ausgabe 44/2015

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