Ein Umbau zur Ehrenrettung

In unzähligen Arbeitsstunden hat die Familie Hochuli aus dem Keller einen gemütlichen Raum gemacht. Bild: Beatrix Bächtold

 Urteile von Kindern sind hart, weil sie ehrlich sind. Schreinermeister Heinrich Hochuli wurde von seiner Tochter «PC-Schreiner» genannt, weil er oft am Schreibtisch sass. Um diesen Ruf loszuwerden, baute er mit den Kindern eine dunkle Kammer zum schönen Weinkeller um.

Heinrich Hochulis Grossvater hatte das Bauernhaus im aargauischen Reitnau Anfang des 20. Jahrhunderts erworben. In seiner Kindheit mochte Hochuli den erdig riechenden Naturkeller seines Elternhauses gar nicht. Dieser war düster, denn Licht drang nur durch einen Spalt, durch den der Vorbesitzer Rüben in den Keller werfen liess. Obst, Gemüse, Eingemachtes sowie selbstgebrannter Schnaps lagerten hier. «Als Knirps empfand ich diesen Ort als unheimlich», erzählt der Schreinermeister. Inzwischen ist Hochuli längst erwachsen geworden, doch auch der Keller hat vor Kurzem eine Wandlung durchgemacht.

Ein «PC-Schreiner» will er nicht sein

Ihren Anfang nahm die Verwandlung vor gut drei Jahren nach einem Besuchstag im Kindergarten. Erika und Heinrich Hochuli hörten auf einer Tonbandaufnahme, wie ihr Nachwuchs sie beschrieb. «Unsere ältere Tochter sagte: ‹Meine Mama kümmert sich ums Haus und macht den Garten. Mein Papa ist Schreiner am PC.›» Dieser letzte Satz versetzte Hochuli einen Stich ins Schrei-nerherz. Bereits in dritter Generation führt er in Reitnau mit der Hochuli Schreinerei einen Zehn-Mann-Betrieb, bildet Lernende aus, produziert Inneneinrichtungen, Fenster und Türen und übernimmt die Bauführung bei Umbauten.

«Meine Tochter hatte Recht», sagt er. «Meinen Vater kannte ich im Arbeitsgewand und mit Hobelspänen in den Haaren. Er roch nach Holz und Arbeit, das gab mir Wurzeln und Kraft.» Dass ihn seine Kinder nur noch am PC arbeiten sehen – nein, das konnte er nicht auf sich sitzen lassen. Er wollte ihnen beweisen, dass ihr Vater ein «richtiger» Schreiner ist.

Da kam ihm der unheimliche Keller in den Sinn. Welches Projekt würde wohl mehr Schreinerkunst erfordern, als aus diesem Verlies ein Juwel zu machen? Als er der fünfjährigen Julia und ihrer zwei Jahre älteren Schwester Alexandra diesen Vorschlag machte und sie fragte, ob sie mitmachen würden, sagten die beiden freudig zu. «Ich war mir sicher, dass er es schafft. Papa und aufgeben? Das passt nicht zusammen. Papa gibt nie auf», sagt Julia und schaut ihren Vater an wie einen Helden, der soeben einen Drachen besiegt hat.

Erste Hürden

Zuerst definierte Hochuli Nutzung, Budget, Raumhöhe, Licht, Materialisierung und Lüf- tung. Der Raum sollte seinen Charakter als Naturkeller behalten. Aus den Handskizzen erarbeitete Projektleiter Roger Weber eine 3D-Visualisierung. Später entstanden die Werkstattpläne. «Die grösste Schwierigkeit bestand darin, dass der Boden, die Wände und die Decke schräg waren», sagt Hochuli. Die Beleuchtung des Kellers stellte eine weitere Hürde dar. Hochuli entschied sich für das Tageslichtsystem «Heliobus». Dieses fängt Tages- und Streulicht aus der Umgebung ein, leitet es mittels Hohllichtleitern weiter und lenkt es durch einen Schacht in den Keller. Für Kunstlicht sorgen ein geschickt verlegtes LED-Band sowie Halogen-Deckenspots. Seitlich befestigte, getönte Spiegel vervielfältigen das Licht und verbreitern den Raum optisch.

Unterschiedliche Beschaffenheit

In der Planungsphase erforschte Hochuli die Beschaffenheit der Steinwände. Erhaltenswerte Stellen legte er frei und behandelte sie mit Muskelkraft und Sandstrahler. Weniger sehenswerte Mauerstücke liess er hinter einer Verkleidung verschwinden.

Den grössten Aufwand erforderte die spezielle Unterkonstruktion aus Fichtenholz, welche die Grundlage für eine solide Montage mit perfekten Anschlussdetails bildet. Sie neutralisiert die Schiefheit des Gewölbes, der Wände und des Bodens. Auf ihr befestigte Hochuli einen Rieselschutz aus dichtem Vlies. Die Verkleidung selbst besteht aus Akustiktäfer in einheimischer Fichte. Edelholz wäre fehl am Platz gewesen, denn die Erbauer des Hauses müssen einfache Leute gewesen sein. «Man erkennt das an den unterschiedlich grossen und verschiedenartigen Steinen, aus denen die Wände aufgeschichtet sind», erklärt Hochuli. «Später hat man die losen Gewölbewände mit Zementpatschen und roten Ziegelstücken befestigt und gestrichen.»

Mit Schablone und Schreinerauge

Das Täfer verlegte der Schreiner bewusst nicht englisch, sondern mit einheitlichem Abschluss. Besonderen Wert legte er auf die Schattenfuge. Da er nicht wie üblich einen Parallelanreisser verwenden konnte, verliess sich Hochuli auf Kartonschablonen und auf sein geübtes Schreinerauge.

Die Eingangstür ist in die Wand integriert und tritt so in den Hintergrund. Auch das Sideboard ist auf die Längsausrichtung der Wand abgestimmt, und die Schubladen sind von aussen auf den ersten Blick nicht erkennbar. «Der Raum soll als Ganzes wirken», sagt Hochuli. Hinter einer flächenbündigen Flügeltür verstecken sich höhenverstell- bare Tablare zur zusätzlichen Nutzung des Kellers als Lagerraum für selbstgemachte Konfitüren und Sirup. An den Wänden befinden sich Regale, die man variabel in die waagrecht montierten Täferriemen der Verkleidung einhängen kann.

Die Töchter halfen tatkräftig mit

Bei den Arbeiten wurde Hochuli von seinen Töchtern tatkräftig unterstützt. Sie verteilten etwa die Marmorkiessteine, welche die eine Hälfte der Bodenfläche bedecken. «Wir haben sie draussen am Brunnen gewaschen und in kleinen Eimern hinuntergetragen», sagt Alexandra. Vorgängig wurde ein Vlies verlegt, um das Aufsteigen des Sandes vom Sandsteinboden zu vermeiden. Auf der anderen Hälfte der Bodenfläche wurde auf einer Unterkonstruktion ein Terrassenpaneelenboden verlegt.

«Die Kinder leisteten tolle Unterstützung, doch unzählige Fragen forderten mich neben dem Tagesgeschäft bis weit in die Nacht», sagt Hochuli. Deshalb holte er sich seinen versierten Schreinermonteur zur Unterstützung, sodass der einst müfflige Keller seiner neuen Funktion und Bedeutung schneller gerecht werden konnte.

www.hochuli-schreinerei.ch

BEB

Veröffentlichung: 25. August 2016 / Ausgabe 34/2016

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