«Eine Corian-Abdeckung macht nicht jeder»

Das Badmöbel aus furnierter rustikaler Eiche hat Julia Ullrich als IPA hergestellt. Bild: PD

Für ihre IPA, die individuelle praktische Arbeit, hat Julia Ullrich einen Kundenauftrag gewählt. Dieser war ein Badmöbel mit einem passenden Wandspiegel. Wie die Produktion gelaufen ist und ob sie dem Berufsabschluss entgegenfiebert, erzählt die 19-Jährige im Monatsinterview.

Konntest du auswählen, was für eine IPA du machen möchtest?

Julia Ullrich: Ich konnte wählen, ob ich ein eigenes Projekt inklusive Planung oder einen Kundenauftrag ausführen möchte. Da ich vor Kurzem ein Möbel für einen Lernendenwettbewerb gezeichnet hatte und für den Abschluss viel lernen muss, habe ich mich für Zweites entschieden. Mein Chef, mein Berufsbildner und ein Projektleiter haben mir das Badmöbel zugeteilt.

Gibt es an diesem etwas Spezielles?

Das Möbel besteht aus verschiedenen Materialien, und es waren viele Arbeitsschritte nötig. Die Innereien sind aus beschichteter Spanplatte. Fronten und Seiten sind aus Eiche rustikal furniert. Damit das Holz noch etwas mehr Charakter erhält, habe ich die Oberfläche gebürstet. Das Furnierbild läuft um das ganze Objekt, und die Griffprofile sind links und rechts abgesetzt. Vor dem Furnieren habe ich am Kantenleimer die Furnierkanten vierseitig an den beiden Seiten und einmal unten längs bei den vier Doppeln geleimt. Die oberen Massivholzkanten habe ich von Hand angeleimt. Die aufrechten Kanten der Doppel habe ich nach dem Furnieren von Hand geleimt, da das Bild sauber durchlaufen musste. Beim Fräsen der Griffprofile musste ich aufpassen, dass ich das CNC-Programm spiegle, damit nicht vier gleiche Fronten rauskommen.

Gab es weitere Herausforderungen?

Eine Corian-Abdeckung macht nicht jeder. Ich hatte zuvor noch nie Corian gefräst und erst einmal geklebt. Das war nicht ohne.

Wie viel Zeit hast du für die Herstellung benötigt?

Zwischen sieben und acht Tagen. Die Montage gehörte nicht mehr zur Prüfung, aber ich durfte mitgehen. So sah ich, wie es fertig aussieht. Der Kunde war nicht vor Ort, aber ich habe gehört, dass er zufrieden sei.

Bist du das auch?

Ja, ich finde, es ist gut geworden. Ich habe viele Probefräsungen gemacht, um kein Risiko einzugehen. Bei einer Front hatte ich allerdings vergessen, den Versatz für den Boden einzuberechnen. So war das Doppel zu weit oben. Mit einem Eichenflickzapfen konnte ich das aber auskorrigieren. Die Löcher sind zu, und man sieht nichts. Darüber bin ich sehr froh.

Was würdest du anderen Lernenden raten, wie sie die IPA angehen sollen?

Viele Fotos machen und einen sauberen Arbeitsablauf planen. Ich habe die Dokumentation am Schluss geschrieben, weil ich alles in einem Fluss erledigen wollte.

Wie wirst du im Lehrbetrieb, der Schreinerei Fehlmann, eingesetzt?

In den zwei ersten Jahren sind die Lernenden meistens auf der Baustelle. Dort sieht und lernt man viel. Mir hat dies bei der Arbeit im Bankraum geholfen, wo ich im dritten Jahr war und schon selbst Aufträge erledigen durfte. Im Abschlussjahr war ich wieder mehr auf Montage, oft selbstständig. Diese Arbeit mag ich besonders. Man sieht nicht nur die fertigen Produkte, sondern hat auch mit den Kunden zu tun. Dass ich als Frau auf der Baustelle oft zuerst angestarrt werde, daran habe ich mich gewöhnt. Ist halt so. Aber die Kollegen sind in der Regel anständig.

Zählst du die Wochen bis zum Berufsabschluss?

Froh bin ich, dass die Lehre zu Ende ist. Ich hatte Ups und Downs und bin stolz, dass ich es durchgezogen habe. Allerdings bin ich schon etwas wehmütig, weil ich definitiv ein paar meiner Arbeitskollegen sehr vermissen werde. Auch meine Klassengspänli habe ich gut kennengelernt, und ein langes Kapitel geht zu Ende.

Wie sehen deine Zukunftspläne aus?

Im September werde ich für ein Jahr zu meinen Grosseltern nach Südspanien ziehen. Sie renovieren dort ihr Haus, an dem ich bereits mitgearbeitet habe. Geplant ist, dass ich zu 80 Prozent arbeiten werde, daneben reise ich und lerne die Sprache.

Wo wirst du arbeiten?

In einer kleinen deutschen Schreinerei nahe meiner Grosseltern. Im April war ich dort und konnte alles aufgleisen. Spanisch spreche ich leider noch kaum, deswegen kommt ein einheimischer Betrieb nicht infrage. Ich möchte es aber lernen und freue mich. Was ich danach mache, weiss ich noch nicht. Gerne werde ich weiterhin mit den Händen arbeiten.

Interview mit

Julia Ullrich aus Müllheim im Kanton Thurgau. Sie befindet sich im vierten Lehrjahr bei der Schreinerei Fehlmann in Müllheim. Die Berufsschule besucht sie in Weinfelden. In ihrer Freizeit tanzt die 19-Jährige sehr gerne. Da viele Prüfungen und Lernen anstehen, hat sie die Jazz- und Hip Hop-Lektionen für den Moment aufgegeben. Sie geht gerne ins Fitness und malt auf Lein- wand mit Farbe oder Bleistift. Zudem trifft sie sich gerne mit Freunden und geniesst den Ausgang.

Nicole D’Orazio

www.schreinerei-fehlmann.ch

Veröffentlichung: 06. Juni 2024 / Ausgabe 23/2024

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